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Ausgabe:

Mai/2013

Spalte:

553–556

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schäfer, Christian

Titel/Untertitel:

Benutzerhandbuch zur Göttinger Septuaginta. Bd. 1: Die Edition des Pentateuch von John William Wevers.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012. 304 S. m. 1 Abb. Kart. EUR 39,99. ISBN 978-3-525-51009-4. Bd. 2: Die Edition des Buches Ruth von Udo Quast. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012. 106 S. m. 1 Abb. Kart. EUR 24,99. ISBN 978-3-525-51008-7.

Rezensent:

Siegfried Kreuzer

Die Septuaginta-Edition des Göttinger Septuaginta-Unterneh-mens hat den Anspruch, das gesamte für die Überlieferung der Septuaginta relevante Material zu erfassen und zu verzeichnen; dementsprechend komplex und auch kompliziert ist der Apparat (ge­nau genommen die beiden Apparate, weil ja in den neueren Bänden zwischen dem eigentlichen Septuagintatext und den jüngeren jüdischen Übersetzungen unterschieden wird). Insofern ist eine Hilfe und Anleitung zur Benutzung höchst willkommen.
Die beiden hier anzuzeigenden Bände stammen aus der Feder von Christian Schäfer – ein langjähriger Mitarbeiter und inzwischen eine der tragenden Säulen der jüngeren Generation des nun 105 Jahre alten Septuaginta-Unternehmens. Die Bücher des Pentateuch wurden von J. W. Wevers erarbeitet und erschienen zwischen 1974 und 1991 (Gen 1974; Dtn 1977; Num 1982; Lev 1986; Ex 1991). Die Textbände wurden ergänzt durch je einen Band »Textual History« und »Notes« zu jedem der Bücher. S. bezieht sich auf die Textbände, verweist aber auch auf einschlägige Ausführungen in den anderen Bänden.
Nach einer Einleitung (11–22) mit Informationen zum Buch und auch zur Geschichte der Göttinger Septuaginta (im Folgenden: Gö) und speziell zur Pentateuchedition wird zunächst die »Anlage der Textedition« (23–45) erklärt (d. h. der kritische Text, die sog. Kopfleiste mit den ständigen Zeugen und die Notation in den beiden Apparaten), wobei die Skizzen zu App. II besonders hilfreich und anschaulich – und auch nötig – sind. Erwähnt wird auch die nur wenig bekannte Tatsache, dass die Buchstaben für die Hand schriftenfamilien auf die von Brooke-McLean herausgegebene Cambridger Septuaginta zurückgehen (diese Ausgabe hatte nicht, wie die Ausgabe von Holmes-Parsons und wie später Rahlfs und Gö, Ziffern, sondern Buchstaben für die Handschriften verwendet). Zur Benennung einer Handschriftengruppe wird in Gö jener Buchstabe verwendet, den die wichtigste Handschrift der Gruppe in der Cambridger Ausgabe getragen hatte, z.B. Gruppe »b« bezieht sich auf die Minuskelhandschrift Nr. 19 nach dem Verzeichnis von Rahlfs; damit ist – wohl nicht zufällig –manchmal auch eine in­haltliche Anspielung verbunden, so steht »b« hier zugleich für by­zantinische Gruppe.
Es folgt der sehr umfangreiche Abschnitt »3. Erläuterungen« (47–290), in dem der Reihe nach alle Abkürzungen erklärt werden, wobei natürlich nicht nur die Abkürzungen aufgeschlüsselt, sondern auch wichtige einschlägige Informationen und auch viele Beispiele gegeben werden.
Nach »3.1 Allgemeine Zeichen und Abkürzungen« folgt mit »3.2 Rezensionen und Handschriftengruppen« ein umfangreicher Überblick zu den Kodizes, den wichtigsten Minuskeln und zu den Handschriftengruppen (immerhin zwölf Gruppen plus nicht ru­brizierte Einzelhandschriften). Diese Angaben wiederholen zwar, so wie auch die folgenden Angaben zu den Tochterübersetzungen (3.4) und zur sog. indirekten Überlieferung (= Zitate bei den Kirchenschriftstellern; 3.5), die Informationen aus den Einleitungen der jeweiligen Textbände, aber sie sind hier sehr übersichtlich zu­sammengestellt und durch ein alphabetisches und numerisches Verzeichnis (3.3) erschlossen.
Es folgt ein Blick auf die jüngeren griechischen Übersetzungen bzw. den zweiten Apparat (3.6) und ein Blick auf die Druckausgaben (3.7), angefangen von der Aldina, der Complutensis und der Sixtina im 16. Jh. bis hin zu Brooke-McLean, Rahlfs, Genesis, und Rahlfs (Hanhart), Septuaginta (sog. Handausgabe), im 20. Jh. Schließlich folgt als 3.8 noch ein kurzer Blick auf die hebräischen Texte.
Interessanterweise hat Wevers in seinen »Notes« (außer im Exodusband) jeweils eine Liste mit Änderungen publiziert, wo er im Nachhinein anders entscheiden würde. Dabei handelt es sich zwar um kleinere Änderungen, manchmal auch nur der Interpunktion, aber doch um Änderungen. Diese »Listen der von Wevers nachträglich vorgeschlagenen Textänderungen« sind in 4.1 wiedergegeben. Schließlich gibt es ein Stellenregister jener Stellen, die im Handbuch erörtert werden (4.2), sowie ein Verzeichnis der Publikationen des Septuaginta-Unternehmens (Textbände, Ergänzungsbänd e wie die »Notes« und die »Textual Histories« und die »Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens« [MSU-Bände]).
Die Edition von Ruth wurde von dem leider 2005 verstorbenen Udo Quast bearbeitet und erschien 2006 bzw. in zweiter Auflage 2009. Das Benutzerhandbuch zur Edition von Ruth ist – einschließ­lich der Kapitelgliederung und -zählung – genau analog aufgebaut. Im Einzelnen finden sich natürlich unterschiedliche Angaben, etwa im Blick auf die relevanten Handschriften und die Benennung der Gruppen oder auch, dass Quast Übereinstimmungen des Septuagintatextes mit Varianten des masoretischen Textes genau vermerkt hat (was angesichts des viel geringeren Umfangs von Ruth gegenüber dem Pentateuch leichter möglich ist, aber doch auch ein neues Bewusstsein im Blick auf die Pluralität des hebräischen Textes widerspiegelt).
Insgesamt ist das Benutzerhandbuch ein wichtiges Hilfsmittel, das den Zugang zur umfangreichsten und detailliertesten Septuagintaedition, die es gibt, wesentlich erleichtert. Zwar könnte man die meisten Informationen in den Einleitungen und Erklärungen der Textbände finden, aber hier ist alles übersichtlich zusammengestellt (wobei auch die in den einzelnen Bänden unterschiedlichen Handhabungen benannt werden).
Freilich muss man sich bewusst sein, dass hier nur in den jeweiligen Stand der Dinge eingeführt wird. Dass man die editorischen Kriterien und Entscheidungen auch anders treffen kann, zeigte Wevers selbst mit seiner späteren Liste von nachträglichen Veränderungen (die er übrigens in zahlreichen Fällen mit früherer Überschätzung des Codex Vaticanus begründete). Zum Buch Ruth wiederum könnte man erwähnen, dass die von Quast (124) genannte späte Datierung der Übersetzung dieses Buches nur mit Verweis auf Dorival/Harl/ Munnich begründet wird, die ihrerseits wieder auf ältere Literatur verweisen, und dass Quast noch ganz der alten (geringen) Einschätzung des Lukianischen bzw. Antiochenischen Textes folgte, die sich im Licht der Qumranfunde erheblich geändert hat.
Mit etwas Bedauern kann man auch feststellen, dass das Benutzerhandbuch nur ein Benutzerhandbuch zur Göttinger Edition, d. h. zu deren Text und Apparat, darstellt, dass aber Angaben darüber hinaus nicht vorkommen. Bildlich gesprochen: Das Handbuch hilft zwar, sozusagen auf der Insel der Göttinger Septuaginta zu landen und sich dort zurechtzufinden, dass es aber darum herum ein weites Meer der Septuagintaforschung und manche andere Inseln gibt, kommt dagegen nicht in den Blick. Immerhin gibt es seit 1986 die inzwischen weit fortgeschrittene »La Bible d’Alexandrie« (BdA) mit Übersetzung und Kommentierung, es gibt die amerikanische »New Translation of the Septuagint« (NETS; 2007, 22009) sowie Septuaginta-Deutsch. Übersetzung (LXX.D; 2009, 22010) und Septuaginta-Deutsch. Erläuterungen und Kommentare (LXX.E; 2011; darin übrigens ein Verzeichnis aller bei Rahlfs und in Gö vorkommenden Konjekturen, was auch für die Arbeit am Text im engeren Sinn nicht uninteressant ist). Zudem gibt es zwei Kommentarreihen zur Septuaginta sowie Übersetzungen der Septuaginta in weitere Sprachen wie Rumänisch, Spanisch und Italienisch. – Fast alle diese Übersetzungen und Kommentare beziehen sich auf die Göttinger Septuaginta (soweit vorhanden) und unterstreichen und unterstützen umgekehrt ihrerseits die Bedeutung der Göttinger Edition. Diese breite Einbindung zumindest zu erwähnen, könnte auch für ein Benutzerhandbuch sinnvoll sein.
Insgesamt ist S. zu danken für dieses nützliche und übrigens auch schön gestaltete Benutzerhandbuch, das den so großen Ma­-terialreichtum der Göttinger Edition in vorzüglicher Weise er­schließt.