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Ausgabe:

Mai/2013

Spalte:

551–553

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Michalak, Aleksander R.

Titel/Untertitel:

Angels as Warriors in Late Second Temple Jewish Literature.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2012. XVI, 323 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 330. Kart. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-151739-6.

Rezensent:

Ann-Christin Heine

Aleksander R. Michalak, der bereits 2006 in »Ancient History« am Trinity College Dublin seine Doktorwürde erlangte, legt hiermit eine Studie vor, die auf seine zweite Promotionsarbeit im Bereich »Religions and Theology« (Trinity College Dublin) zurückgeht. Das Werk widmet sich der Angelologie in bisher kaum beachteten Kontexten, denn M. untersucht Engel, die in Erscheinung und Handlung mit dem Bereich des Militärs zu assoziieren sind.
Die Arbeit beginnt mit einem groben Überblick zum Vorkommen des Motivs in der Hebräischen Bibel. Dabei stützt sich M. vor allem auf den Begriff םימשה אבצ (das Heer des Himmels). Die Vorstellung eines göttlichen Hofstaates scheint von der kulturellen und religiösen Umwelt Israels, besonders Kanaans, beeinflusst, wobei sich die eigene irdische Organisation und Struktur poli­-tischer Art in gewisser Weise in der des Hofstaates JHWHs wie­-derfindet. Zu diesem Heer zählt M. bspw. die Heiligen (םישדק) (Ps 68,2.18; Dtn 33,2-3) und Krieger (םירובג) (Jes 13,3; Joel 4,9). Des Weiteren nimmt M. die םיכאלמ in den Blick, deren Funktion nicht nur auf das Überbringen von Botschaften beschränkt ist, sondern auch im Bereich des Schutzes, der Bestrafung, der Führung und in dem Arrangieren von Hochzeiten liegt (33). Neben einer kurzen Beachtung des הוהי ךאלמ findet auch der Kriegsengel aus Jos 5,14, der sich als »Fürst über das Heer das HERRN« vorstellt, Erwähnung sowie die »Sterne des Himmels«, die ebenfalls als Engel identifiziert werden. Sogar Himmelskörper wie Sonne und Mond (Hab 3,10 f.), die unter Gottes Befehl zu stehen scheinen, werden in einen militärischen Kontext gestellt.
Im weiteren Verlauf der Studie behandelt M. auch außerbiblische Texte aus den Apokryphen bzw. Pseudepigraphen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit hierarchischen Strukturen und militärischen Namen der Erzengel. Für die Untersuchung der Hierarchie ist insbesondere das Testament Adams von großer Bedeutung, welches neun verschiedene Ränge von himmlischen Wesen auflistet: »angels, archangels, archons, authorities, powers, dominions, thron­es, seraphim and cherubim« (59). Erzengel können einerseits für Vernichtung (Ez 9,1–11), andererseits auch für Bewahrung verantwortlich sein (2Makk 3,24 ff.; Jes 62,6). Warum es sich bei diesen Gestalten eindeutig um Erzengel handeln muss, wird nicht ganz klar, werden die Engel in diesen Belegen doch eher unspezifisch mit »Männer«, »Reiter« oder »Wächter« umschrieben.
Den Engeln Michael und Gabriel widmet M. das dritte Kapitel, da diese eine Sonderstellung unter den Engeln innehaben und oft sehr machtvoll und individuell beschrieben werden. Michael ist der Schutzpatron des Volkes Israel, der mit dem Titel »ἀρχιστράτηγος« (LXX Jos 5,14) bezeichnet wird und somit wohl die höchste Position im himmlischen Heer einnimmt. Der Titel στρατηγός werde sonst für Generäle in griechischen Stadtstaaten verwendet, die in Athen politische und militärische Macht genossen (den griechischen Belegtext vermisst man hier). Zudem zeigen das Danielbuch und die Offenbarung des Johannes, dass Michaels himmlischer Kampf seine Entsprechung auf Erden findet (132). Auch Gab­riel, der besonders in seiner Funktion als Deuter bekannt ist (Dan 9,21 f.), wird als Krieger Gottes und Führergestalt vorgestellt.
Im folgenden Kapitel wird das 1. Henochbuch auf kriegerische Engel hin betrachtet. Grundsätzlich geht M. von der Annahme aus, dass das Motiv des Gerichts einen militärischen Hintergrund aufweist. M. ordnet die Erzengel in der bekannten Erzählung der gefallenen Engel in 1Hen 6–11 einer militärischen Sphäre zu, in welcher Untergebene nicht eigenmächtig handeln können (139). Es ist allerdings zu bezweifeln, dass die Erzählung der gefallenen Engel einer militärischen Sphäre angehört.
Das fünfte Kapitel blickt auf das Motiv der kriegerischen Ge­meinschaft zwischen Engeln und Menschen in der Kriegsrolle aus Qumran (1QM). Engel lagern nicht nur mit den Menschen, was einer gewissen Reinheit im Lager bedarf, sondern beteiligen sich auch aktiv an der kriegerischen Auseinandersetzung. Die Namen der vier Erzengel Michael, Gabriel, Sariel und Rafael werden auf Schilde geschrieben (1QM 9,14–16), wodurch deutlich angezeigt wird, dass die Schlacht von Engeln begleitet und letztlich von Gott be­schirmt ist. Auch in der Kriegsrolle scheint Michael (»Prince of Light«) die Rolle des Schutzpatrons (vgl. Dan 10,21) zuzukommen, der in einem eschatologischen Konflikt (190) mit der Gegenfigur Belial steht.
Im 2. und 3. Makkabäerbuch erzielt eine kleine Gruppe um Ju­das Makkabäus militärische Siege durch himmlische Helfer. Das Bild der himmlischen Reiter in goldener Rüstung und Waffen, die Heliodor daran hindern, den Tempelschatz zu plündern (2Makk 3), mag von der hellenistischen Welt abgeleitet sein (195). Auch in 2Makk 10,29 f. erscheinen fünf Gestalten auf Pferden vom Himmel her, die Judas Makkabäus in der Schlacht beschützen. M. kommt zu der Vermutung, dass die Belege aus dem 2. Makkabäerbuch zu einem viel breiteren Kontext der antiken historischen Schriften gehören (195). Außer wenigen Andeutungen untersucht M. seine Vermutung nicht eingehender.
Der jüdische Schriftsteller Josephus vermeidet hingegen an vielen Stellen die Rede von Engeln in seinen Werken. Kein Engel ist für die Befreiung Jerusalems von der assyrischen Belagerung verantwortlich, sondern Gott (A. J. 10.21) und auch die Engel, die im Da­nielbuch eine besondere Rolle spielen, werden übergangen. Pseudo-Philo wiederum stellt die Behütung eines einzelnen Mannes namens Kenas im Kampf gegen die Amoriter klar heraus. Kenas allein nimmt es mit dem Heer der Amoriter auf und bittet Gott um seine Hilfe, so dass ihm zwei Engel mit besonderen Kräften zur Seite gestellt werden (LAB 27,10). Engel kämpfen bei Pseudo-Philo somit nicht in direkter Weise, sind aber in der Lage, unabhängig von der Zahl der Soldaten die Begünstigten zum Sieg zu führen.
Auch die Testamente der zwölf Patriarchen, welche M. in seinem letzten Kapitel beleuchtet, zeigen das Motiv der kriegerisch auftretenden Engel, wie bspw. das Testament Judas. Hier wird das Ge­heimnis Judas, der als machtvoller Krieger und durch seine Effektivität in der Schlacht strahlt, enthüllt: Er wird durch einen starken Engel (ἄγγελος δυνάμεως) begleitet, dem er seine Unbesiegbarkeit verdankt. Die Testamente Levis und Dans bezeugen einen be­schützenden Engel des Volkes Israels, der mit Michael identifiziert wird. Als Fazit der Studie ist festzustellen: Das Konzept der himm­-lischen Krieger scheint in Quellen unterschiedlichster Art gepaart mit verschiedenen Traditionen auf, so dass sich nach M. kein kohärentes Bild konstatieren lässt. Ein Index der antiken Quellen sowie ein Re­gis­ter der modernen Autoren runden das Werk ab.
M. legt hier eine interessante Studie zum Motiv der Kriegsengel vor, die in erster Linie durch die Vielzahl der Belege des Motivs überzeugt. Im Hinblick auf die Forschungsliteratur ließe sich be­stimmt noch aktuellere Literatur hinzufügen. Die Studie weist insgesamt einen eher rezeptiven Charakter auf, und M. ist äußerst zurückhaltend in der Formulierung eigener Thesen. Die Vermutung, dass makkabäische Motive wie das der himmlischen Helfer in antik-griechischer Literatur zu finden seien, ist äußerst interessant und bedarf einer genaueren Untersuchung.