Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2013

Spalte:

545–547

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Schatz, Werner

Titel/Untertitel:

Streite mit ihnen auf die beste Art (Koransure 16,125). Praktische Anleitung zum christlich-muslimischen Dialog.

Verlag:

Zell a. M.: Religion & Kultur-Verlag 2009. 345 S. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-933891-23-5.

Rezensent:

Catherina Wenzel

Werner Schatz war Islam-Beauftragter der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt und hat in dieser Funktion über Jahrzehnte den christlich-muslimischen Dialog in der Schweiz geprägt. In dem vorliegenden Buch werden diese Erfahrungen theologisch reflektiert und in eine systematische Darstellung ge­bracht. Er möchte dabei beiden Dialogpartnern möglichst gerecht werden, daher ist es sowohl an Christen als auch an Muslime adressiert. Das Buch wendet sich nicht nur an Wissenschaftler, sondern vor allem an Laien, die sich für den Dialog interessieren, darin engagiert sind oder sich engagieren wollen. S. möchte damit – und das ist seine Programmatik – helfen, Aufgaben in Alltag und Beruf im interkulturellen Zusammenleben zu bewältigen, möchte also eine prak­-tische Anleitung geben. Gerade diesbezüglich ist ein erstaunlich ausgewogenes Buch entstanden, das sowohl alle theologisch wich tigen als auch gesellschaftlich kontrovers diskutierten Themen aufzugreifen versucht. In jedem Falle ist dies ohne Umschweife zu würdigen!
S. bevorzugt einen erklärenden Stil, er sucht nach Konsensvorschlägen, gliedert den enormen Stoff in lesbare Abschnitte, macht ihn überschaubar, so dass im Grunde eine Art Handbuch des Dialogs entstanden ist, das sich in sechs Teile gliedert. An dieser Stelle kann ich nun nicht alle Teile gebührend vorstellen, sondern nur kurz aufführen: Teil 1 Voraussetzungen beinhaltet Ausführungen zum Ab­solutheitsanspruch in beiden Religionen, einen Vergleich von Bibel und Koran sowie Vergleiche der christlichen und muslimischen Sicht auf den Propheten Mohammed, Jesus und Gott. Dem folgt Teil 2 Missverstandene Bibelworte, wie z. B. Lk 19,27, wo Jesus von der Vernichtung seiner Feinde spricht. Teil 3 ist mit Besonders strittige Themen überschrieben und handelt von Polygamie, dem Verhältnis von Religion und Staat, von Meinungs- und Religionsfreiheit sowie von Terrorismus. Teil 4 thematisiert Jesus Christus und Teil 5 Den einen und den dreieinigen Gott. Schließlich widmet S. sich in einem 6. Teil noch der Islamischen Dogmatik.
Das Buch ist insgesamt von der Überzeugung motiviert, dass es mehr Gemeinsamkeiten gibt, als gemeinhin angenommen wird, und der Zeitpunkt gekommen sei, dass im christlich-muslimischen Verhältnis nach vielen Begegnungen nun der theologische Dialog intensiviert werden sollte. S. betrachtet dies gar als einen möglichen Weg, eine friedliche Zukunft gemeinsam zu gestalten. Dieser irenische Ton ist sicherlich in gesellschaftlicher, politischer Hinsicht äußerst lobenswert, er bringt aber in seiner konkreten Durchführung doch einige Probleme mit sich. Was ich nun kritisch anmerken möchte, ist meiner religionswissenschaftlichen Perspek­tive geschuldet. So frage ich: Was wird ausgewählt, was wird miteinander verglichen, was auf welche Art und Weise miteinander ins Verhältnis gesetzt? Wie weit kommt man, wenn man Befremden zwar benennt, aber lieber abschwächt, Konflikte eher kleinredet, Probleme immer schon so thematisiert, als ob sie nur auf falschen oder ungenügenden Einsichten in die Sache beruhen oder als ob sie sich theologisch mediieren ließen? Kann ich Studierenden dieses Werk als ein Buch nahelegen, anhand dessen sie lernen können, wie man Christentum und Islam miteinander vergleicht? Ich habe manche Bedenken und die sind methodolo­gischer Art.
S. bemüht sich sehr darum, viele Fakten heranzuziehen und diese mit wissenschaftlicher Literatur zu belegen. Das macht u. a. tatsächlich eine Stärke des Buches aus, das in vielerlei Hinsicht auf zuverlässigem Wissen und Informationen beruht. S. unterscheidet in seiner Darstellung aber dann zu wenig dasjenige, was wir historisch wissen können, von dem, was sich als Glaubenstradition, also als Heilsgeschichte in den jeweiligen Traditionen etabliert hat. Aber genau diese Unterscheidung erachte ich als notwendig, zumal dann, wenn das Buch Sachinformationen referiert. So wird z. B. be­züglich der Korangenese die muslimische Sicht als historisch überprüfbare Wahrheit präsentiert, die Asymmetrien zwischen Bibel und Koran, die durch die historische Lücke zwischen beiden Hei­- ligen Texten und die spätantike Rezeptionssituation des Koran bedingt sind, werden unterschlagen. Und warum man einerseits das Barnabasevangelium historisch, dem derzeitigen Kenntnisstand entsprechend, der frühen Neuzeit zuordnet, es aber dann unbedingt als eine Fälschung deklarieren muss, erschließt sich mir nicht. Schließlich könnte mann es ja auch als eine Fortsetzung der Praxis des Neuen Testaments und entsprechender nachkano­nischer Schriften verstehen, in der sich Briefe oder Evangelien da­durch legitimieren, dass sie einem prominenten Autor zugeschrieben werden. Andere Abschnitte, wie der über Mono- und Polygamie arbeiten mit Dekontextualisierung oder der phänomenologischen Methode, wobei wirkungsgeschichtlich verschiedene Traditionen ins Verhältnis gesetzt werden. Die bis heute andauernde Praxis der Polygamie in islamischen Ländern wird zwar er­klärt, indem auf die Praxis des Propheten selbst verwiesen wird. Dann aber wird zum Vergleich aufgeführt, dass es auch im Alten Testament Beispiele für Polygamie gibt. Es fehlt jede Bemerkung darüber, dass islamische Gesellschaften diese Praxis beibehalten haben und dass damit seit dem Mittelalter auch ein anderes Ge­sellschaftskonzept vorliegt, oder dass man an diesem Punkt gar über patriarchalische Strukturen und Frauen nachdenken könnte, was ich ohnehin im Katalog der besonders strittigen Themen vermisst habe. Warum an solchen Stellen nun das Gemeinsame betont und nicht die Unterschiede und Probleme erläutert werden, ist schwer nachvollziehbar.
Dennoch ist dem Buch ohne Frage viel Wissenswertes zu entnehmen, einschließlich der umfänglichen Darstellungen um den einen und den dreieinigen Gott. Die anfangs ausgesprochene Würdigung, möchte ich trotz Monierens wiederholen und zwar aus Respekt vor den Erfahrungen und dem langjährigem Engagement von S. Er möge viele Nachfolger und Nachfolgerinnen finden! Als Religionswissenschaftlerin habe ich aber an diesem Buch auch erkennen müssen, wie wichtig die religionsvergleichenden Methoden für solche Darstellungen sind. Außerdem meine ich, dass der titelgebende Koranvers, nämlich die Anweisung auf beste Art zu streiten, durchaus auch Dialoge im Sinn hat, die Konflikte nicht scheuen, sie aushalten und produktiv nutzen können und nicht in jedem Falle darauf aus sein müssen, eine Gemeinsamkeit ausfindig zu machen.