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Ausgabe:

April/2013

Spalte:

503–506

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Pemsel-Maier, Sabine, Weinhardt, Joachim, Weinhardt, Marc, in Zusammenarbeit m. Birgitta Heim

Titel/Untertitel:

Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht als Herausforderung. Eine empirische Studie zu einem Pilotprojekt im Lehramtsstudium. M. e. Geleitwort v. O. H. Pesch.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2011. 206 S. m. 1 Abb. u. zahlr. Tab. Kart. EUR 19,90. ISBN 978-3-17-021731-7.

Rezensent:

Rainer Lachmann

Als empfehlenswerter Einstieg in die Studie bietet sich ihr letzter Abschnitt »Persönliche Perspektiven« (183–190) an. Dialogisch und »bewusst persönlich gehalten« klärt das Autoren-»Tandem« über die Voraussetzungen und Bedingungen auf, unter denen ihr ökumenisches Seminarprojekt an der PH Karlsruhe steht. Das motiviert nicht nur, sondern gibt Auskunft über das theologisch-religionspädagogische Vorverständnis, das die beiden Verfasser der Studie leitet. Nicht zuletzt stellen sie in realistischer Ehrlichkeit heraus, dass ökumenische Kooperation an Schule und Hochschule nur gelingen kann, wenn man menschlich und konzeptionell »mit­einander kann« (190).
Die beiden Karlsruher Dozenten für Katholische und Evangelische Theologie und Religionspädagogik, Sabine Pemsel-Maier und Joachim Weinhardt, können offensichtlich gut miteinander: Das beweist das gemeinsam von ihnen gehaltene gemischt-konfessionelle Hauptseminar im Wintersemester 2008/09, aus dem die hier publizierte »explorative empirische Erhebung« erwachsen ist. Dieses Seminar mit seinen 110 teilnehmenden Lehramtsstudierenden der Grund- und Hauptschule (59 evangelisch/51 katholisch) bildet die konzentriert schmale Basis, auf der die hier vorgelegte Untersuchung fußt. Sie bleibt religionspädagogisch im Wesentlichen be­schränkt auf Baden-Württemberg und sein Modell eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts, das nach einer Versuchsphase inzwischen von jeder allgemeinbildenden Schule eingeführt werden kann. Geduldet und gefördert von katholischer Diözese und evangelischen Landeskirchen durfte sich die empirische Erhebung von ihrer Seite sogar über einen »namhaften Druckkostenzuschuss« freuen! Das Besondere an dem hier vorgestellten empirischen »Pilotprojekt« gegenüber der bisherigen einschlägigen Forschung ist darin zu sehen, dass es in ihm nicht um Untersuchungen zum konfessionellen Wissen und Bewusstsein von Schülerinnen und Schülern bzw. Lehrkräften des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts geht (darüber informiert III.1 – vgl. z. B. ThLZ 136 [2011], 113 ff.), sondern um die empirische Erhebung von Lehr- und Lernprozessen auf der Ebene von Theologiestudierenden.
Das I., von Joachim Weinhardt verfasste, Kapitel beschäftigt sich mit den »Voraussetzungen der vorliegenden Studie« (15–50). Nach Informationen über den »Modellversuch Konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht (KRU)«, seine Evaluation und Novellierung, wird unter der leitenden Intention »Lehrkräfte qualifizieren für den KRU« das seminaristische Pilotprojekt vorgestellt, zunächst das zwölf Sitzungen umfassende Seminar mit seinen Themen und Absichten (26 ff.), dann mittels Fragebogen die Erhebung der konfessionellen und ökumenischen Voraussetzungen auf Seiten der Seminarteilnehmer. Dieser detailliert beschriebene Fragebogen enthält vorwiegend offene Fragen, mit deren Hilfe Einstellungen und Wissensvoraussetzungen sowie deren Veränderungen im Laufe des Seminars festgestellt und ausgewertet werden sollen.
Das II. Kapitel enthält die detaillierte Beschreibung der Ergebnisse mit höchst aufschlussreichen »Interpretationen der Befunde« (51–110). Außer nach der Konfession differenzieren Umfrage und Auswertung nach Studierenden mit Haupt- oder Leitfach (30 bzw. 24 Semesterwochenstunden) und affinem Fach (12 bzw. 18 Semesterwochenstunden). Die von Weinhardt differenziert und sorgfältig geleistete Erhebung und Interpretation der Daten ergibt ein äußerst vielgestaltiges Bild teils erwarteter, teils überraschender, teils widersprüchlicher und teils schwer erklärbarer Antworten, die nicht leicht auf einen Nenner zu bringen sind und häufig hypothetische Erklärungen und Vermutungen bedingen, zumal wenn man gegenüber dem Semesterbeginn noch die Veränderungen während des Semesters berücksichtigen will. Das hätte sicher eine ausführliche kritische Würdigung verdient! Hier – nur als anregende beispielhafte Kostprobe – der interkonfessionelle Vergleich zwischen den Leitfachstudierenden am Semesterende: Die Evangelischen sind die einzige Gruppe, in der sich »in hochsignifikanter Weise« eine Einstellungsänderung feststellen lässt; sie sind »zu einer stärkeren Kritik an der anderen Konfession gelangt«, wozu gehört, dass sie am Ende des Semesters das »katholische Sa­kramentenwesen« weniger anzieht als zu Beginn und »die katholischen Werte und Normen« jetzt noch mehr abschrecken. Die katholischen Leitfachstudierenden dagegen »identifizieren sich am Ende des Semesters sehr deutlich mit ihrer Konfession in der Dimension Glaubensinhalte, auch wenn sie ihr in der Dimension Kirche und Amt nach wie vor kritisch gegenüber stehen«; »in Bezug auf Werte und Normen sind ihre Vorbehalte gegen den Katholizismus« im­merhin gesunken. »Die Erwartung einer größeren ökumenischen Annäherung in der Zukunft ist bei ihnen am stärksten ausgeprägt.« (108 f.)
Im III., von Sabine Pemsel-Maier verantworteten, Kapitel geht es um Verortung – Vorschläge – Perspektiven (111–190). Angesichts der schmalen empirischen Basis von nur einem Seminar an nur einer Pädagogischen Hochschule in nur einem Bundesland ist es begrüßenswert und sachangemessen, wenn die »Ergebnisse im Kontext vorliegender Studien zur konfessionell-kooperativen Lehr-Lern- Forschung« verortet werden. Auch wenn diese Verortung sich in erster Linie »auf die spezifische Situation in Baden-Württemberg« bezieht, gelingt damit eine erhebliche Ausweitung des einschlä­gigen Fragenhorizonts und Antwortpotentials. Ihre konvergente Rückbindung an die Karlsruher Ausgangsuntersuchung ist da­durch gewährleistet, dass sie die analytische Bestandsaufnahme verwandter Untersuchungen an ihrem eigenen Fragebogen orientiert und die thematischen Aspekte jeweils den drei Gruppierungen Schüler – Studierende – Lehrkräfte zuordnet. Wie die zusam­menfassenden Thesen »zum konfessionellen und ökumenischen Wissen und Bewusstsein von Studierenden« und »zum Gelingen konfessionell-kooperativer Lehr- und Lernprozesse im Kontext der Hochschule« (164 f.) zeigen, bringt das durchaus beachtenswerte Ergebnisse, denen freilich die Sperrigkeiten und Deutungsverlegenheiten der Studie der Karlsruher PH etwas abhanden gekommen sind. »Zur Diskussion gestellt« sind diese Thesen aber allemal bestens geeignet!
Das gilt in noch höherem und vor allem voranbringendem Maße für die »Vorschläge« (166–182), die Sabine Pemsel-Maier in Konsequenz der empirischen Befunde und hermeneutischen Interpretationen zum KRU und das dafür qualifizierende Lehramtsstudium macht. Da bestechen zunächst der ›Jargon der Bescheidenheit‹ »vor zu hoch gesteckten Erwartungen« und auf diesem Hintergrund die gut begründeten Vorschläge für angemessene Themen und Studieninhalte: für ein »Mehr an theologischem Fachwissen«, den »Erwerb von Differenz-Kompetenz«, das »Vertrautwerden mit anderskonfessioneller Terminologie« und eine »erste Einübung in konfessionell-kooperative Didaktik« (167 ff.). Nur folgerichtig und sachgemäß bedingt, ja verlangt das die »Er­weiterung konfessio nell-kooperativer Lernprozesse auf ökumenisches Lernen hin«, was religionsunterrichtlich die zu­kunftsfähige Fortschreibung des konfessionell-kooperativen hin zu einem christlich-ökumenischen Religionsunterricht mit entsprechender Hochschuldidaktik mit sich bringen müsste. Die konstruktiven Vorschläge, die Sabine Pemsel-Maier für eine konfessionell-kooperative Hochschuldidaktik einbringt – team teaching/»Verknüpfung konfessioneller mit lebensrelevant-existentiellen Themen«/Beachtung emotionalen Lernens/den »Konfessionen mit ihrem ›Gefälle‹ gerecht werden« (174 ff.) –, sind ungeschmälert auch für eine christlich-ökumenische Didaktik bedeutsam und brauchbar. Das trifft selbstverständlich auch für die Anforderungen zu, die an kon­-fessionell gemischte Lehrveranstaltungen zu stellen sind. Nicht selbstverständlich, aber verständlich ist die empfohlene »Of­fenheit für die Vorschläge in den kirchlichen Verlautbarungen« (180 ff.), mit der die Reihe der hochschuldidaktischen Empfehlun gen an ein überzeugendes konfessionell-kooperatives Lehramtsstudium ih­ren sicher konstruktiv-kritisch gemeinten Abschluss findet.
Mit dem Abdruck des benutzten Fragebogens und einem relativ kurzen Literaturverzeichnis endet die empirische Studie zu dem religionspädagogischen »Pilotprojekt«, das dankenswerterweise veröffentlicht worden ist. Es verwundert freilich, dass unter der Literatur und insgesamt in der Studie das Buch der Heidelberger PH-Dozentin Regine Oberle »Universitäre Religionslehrer/innen – Ausbildung im Spannungsfeld von Konfessionalität und Ökumene« (Frankfurt a. M. u. a. 2010) fehlt und auch bei den hochschuldidaktischen Überlegungen keinerlei Berücksichtigung findet. Nach den Veröffentlichungen zum konfessionell-kooperativen Re­ligionsunterricht, seinen Schülern und Lehrkräften und der hier besprochenen Studie zu den Lehramtsstudierenden konfessionell-kooperativer Theologie/Religionspädagogik bietet Oberles »empirisch-qualitative Untersuchung« gleichsam die dritte Säule im konfessionell-kooperativen Forschungsset, indem sie die ›ökumenische‹ Religionslehrer-Ausbildung »aus der Sicht der Lehrenden« befragt und erforscht. Darauf muss an dieser Stelle verwiesen werden, zumal – wie oben angesprochen – das engagierte Autorenteam Pemsel-Maier/Weinhardt um die Wichtigkeit der Lehrenden für das Gelingen konfessionell-kooperativen und ökumenischen Lehrens und Lernens weiß und das nicht nur durch die »Persönlichen Perspektiven« am Schluss dialogisch deutlich anklingen lässt. Insgesamt: eine beachtenswerte Studie, die aus der Sicht der Lehramtsstudierenden das Konzept konfessionell-kooperativer Religionsdidaktik erschließt und bereichert und zusammen mit den anderen Perspektiven einen Weg zu einem christlich-ökumenischen Religionsunterricht weist, der alles andere als eine konzeptionelle oder politische Notlösung ist!