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Ausgabe:

April/2013

Spalte:

453–455

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Strotmann, Angelika

Titel/Untertitel:

Der historische Jesus: eine Einführung.

Verlag:

Paderborn: Schöningh 2012. 193 S. m. Abb. u. Tab. = Grundwissen Theologie. UTB S, 3553. Kart. EUR 14,99. ISBN 978-3-8252-3553-6.

Rezensent:

Eckart David Schmidt

In der Studienbuchreihe »Grundwissen Theologie« liegt nun der Band zum »historischen Jesus« vor, verfasst von der Paderborner Neutestamentlerin Angelika Strotmann. Die Zielsetzung der ge­samten Reihe, zentrale Aspekte der Theologie übersichtlich zu erschließen (die Bände umfassen jeweils bis zu ca. 200 Seiten im Format der »kleinen« UTB-Reihe) und so einen Beitrag zur Unterscheidung von theologischem Grund- und Spezialwissen zu leisten, verfolgt das anzuzeigende Buch konsequent: Nach zwei straff struk­-turierten einleitenden Kapiteln zu Forschungsgeschichte und Quellenlage werden in sieben weiteren Kapiteln zentrale Aspekte zum »historischen Jesus« knapp diskutiert: biographische Eckdaten; jüdisch-galiläische Kontexte von Jesu Heimat; sein Wirken bei und neben Johannes dem Täufer; seine Reich-Gottes-Ver­kün­di­gung samt einem eigenen Kapitel zu »Realsymbolen der Königsherrschaft Gottes« (Jesu Wundertaten und Sammlung Israels); Jesu Ethos und seine Einstellung zur Tora; sein Tod am Kreuz. Jedes Kapitel endet mit knappen Literaturtipps, bestehend aus zwei bis drei Titeln, die sich zudem mehrfach wiederholen (insbesondere die Standardwerke von Theißen, Stegemann und Ebner werden zu mehreren Kapiteln empfohlen). Wenige Graphiken und Bilder, eine Karte Palästinas sowie ein Sach- und Namenregister machen das Bändchen zu einem handlichen Studienbuch; seltene griechische Wörter werden in Umschrift zitiert (z. B. 106).
Drei »aus Platzgründen« nicht behandelte, obschon zentrale jesuanische Themen nennt S. in einer Einführung: Jesu Selbstverständnis; seine Fremdwahrnehmung als Messias, Menschensohn oder Sohn Gottes; Auferstehungserfahrungen (12). Dass daneben auch Jesu Auferstehung selbst unbesprochen bleibt, mag schade sein, im Rahmen neuerer Publikationen zum »historischen Jesus« jedoch keine Auffälligkeit (vgl. Stegemann, Ebner).
Methodisch und von der inhaltlichen Schwerpunktsetzung ist S.s Beschäftigung mit Jesus klar dem »Third Quest« zuzuordnen: Wesentlich folgt sie dem »Plausibilitätskriterium« zur histo­rischen Rekonstruktion; methodische Ansätze, die sich in der Forschung der letzten Jahre aus dem Paradigma des »erinnerten Jesus« entwickelt haben, werden nur kurz zur Kenntnis genommen, hinsichtlich ihrer Ergiebigkeit für die historische Jesusforschung aber mit Skepsis betrachtet (18 f.). Inhaltlich wird Jesus konsequent im »judäischen« Kontext verstanden, »christliche« Vereinnahmungen (inhaltlicher sowie terminologischer Art) werden problematisiert.
Als ein gewisses Zentralthema für Jesu Leben erkennt S. seine Verkündigung des »Reichs Gottes«; vergleichsweise ausführlich informiert sie über frühjüdische Begriffsvorstellungen und er­schließt den Begriff in der Predigt Jesu sozialsensibel als »eine Metapher für eine umfassende Wirklichkeit, die im Gegensatz steht zu jeder menschlichen Herrschaft und zur erfahrenen empirischen Wirklichkeit, die von Unterdrückung und Ungerechtigkeit, Krankheit und Tod geprägt war« (110). In die Darstellung von Jesu Reich-Gottes-Verkündigung integriert S. auch seine Gerichtspredigt, Wundertaten und die Sammlung Israels (115–139). Weiterhin ist Jesus für S. ein konsequent toratreuer Verkündiger, der die Tora nicht nur verkündigt, sondern aus ihr gelebt hat. Im An­schluss an Frankemölle subsumiert sie: Der historische Jesus »forderte keine neuen Gesetze und Normen, sondern ein neues, an der Tora und dem darin erkennbaren Gotteswillen orientiertes Ethos ›im Glauben an die Wirklichkeit der Nähe Gottes‹« (156, Binnenzitat: H. Frankemölle, Matthäus. Kommentar Bd. I, Düsseldorf 1994, 234). Jesus starb als Königs- und Messiasprätendent auf Anklage durch Hannas bzw. Kajaphas (nach Joh 18,13 ff.; 167) bei Pilatus – auch wenn Jesus sich »mit großer Wahrscheinlichkeit nie als Messias bezeichnet« hat (174); die Authentizität und Relevanz der Tempelaktion in diesem Zusammenhang wird konzediert, die des Tempelwortes aber in Frage gestellt (170–172).
Die durch die Buchreihe vorgegebene Kürze der Darstellung ist wesentliches Charakteristikum auch des vorliegenden Buches; es zeigt sowohl seine Stärke als auch seine Grenzen auf. Es ist erfrischend und wird dem Studienzweck des Bandes zweifellos höchst förderlich sein, eine klare Schneise im Dschungel der disparaten gegenwärtigen Jesusliteratur gebahnt zu kriegen, ohne durch allzu weite Exkurse im Gestrüpp zahlreicher Alternativhypothesen aufgehalten zu werden (die anvisierte Leserschaft wird im Buch allerdings nur ganz allgemein umrissen, 13). Gleichzeitig sind manche Themen so knapp skizziert, dass sich zum aktiv lernenden Nachvollzug die Lektüre von spezifischer Begleitliteratur anbietet, wie z. B. zur Forschungsgeschichte (21 ff.), zur Apokalyptik (102), zum antiken Wunderverständnis und zu der alttestamentlich-jüdischen und hellenistischen Beeinflussung neutestamentlicher Wunderberichte (120 f.) und vieles mehr.
Analoges gilt für die Verwendung von Primär- und Sekundärquellen. Sie ist sparsam; selten werden außerbiblische zeitgenös­sische Quellen ausformuliert (Ausnahmen z. B. 37–39.70.131.134) und auch Quellenangaben sind knapp gehalten, obwohl es gerade dem quellenkundlich noch nicht versierten Leser gelegentlich helfen würde zu erfahren, aus welchen Quellen S. ihre Informationen bezieht bzw. aufgrund welcher sie ihre Entscheidungen trifft, z.B. warum das Recht eines römischen Zensus zur Zeit Herodes’ des Großen unwahrscheinlich ist (58), woher man über die rituellen jüdischen Waschungen informiert ist (87), oder was die textlichen Grundlagen zum antiken Wunderwesen sind (128). Manchmal sind auch sachliche Voraussetzungen innerhalb der Argumentationen sehr abgekürzt wiedergegeben, z. B. dass bzw. warum die Taufpraxis der Jesusjünger religionsgeschichtlich nur aus der Johannestaufe ableitbar ist (94), oder welcher Forscher mit welchen Argumenten versucht hat, Jesu Gerichtspredigt aus seiner »Reich-Gottes«-Verkündigung auszusondern (109).
Fazit: Das Ziel des Buches sowie der Buchreihe, theologisches »Grundwissen« kompakt zu präsentieren, wird unter der gegebenen Perspektive des »Third Quest« zweifellos erreicht; es bleibt zu wünschen, dass die Lektüre des vorliegenden Bandes beim Leser Neugierde und Lust auf noch tiefere Wasser wecken möge.