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Ausgabe:

März/2013

Spalte:

336–337

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Wedekind, Katja

Titel/Untertitel:

Religiöse Experten im lokalen Kontext. Kommunikationsmodelle in christlichen Quellen des 1.–3. Jhs. n. Chr.

Verlag:

Gutenberg: Computus 2012. 189 S. = Pietas, 4. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-940598-11-0.

Rezensent:

Katharina Greschat

Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine bei Jörg Rüpke erarbeitete religionswissenschaftliche Dissertation, die im Frühjahr des Jahres 2007 von der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt angenommen wurde. Zu ihrem eigenen lokalen Erfurter Kontext gehört auch, dass sie sich dem DFG Schwerpunktprogramm »Römische Reichs- und Provinzialreligion« verdankt und die Signatur des in­tensiven Austauschs mit den Bearbeitern und Bearbeiterinnen des Teilprojekts »Religiöse Spezialisten im Römischen Reich« trägt. Insofern lag es für Katja Wedekind wohl nahe, sich mit religiösen Experten im lokalen Kontext zu beschäftigen.
Was unter einem religiösen Experten zu verstehen ist, wird sehr allgemein definiert: der »Anhänger und Vertreter eines religiösen Systems oder eines Kultes, der Träger von speziellem Wissen ist und besondere Fähigkeiten oder Kompetenzen besitzt« (13). Da sich W. auf die Auswertung christlicher Quellen, vornehmlich der ersten drei Jahrhunderte, beschränkt, bleibt jedoch fraglich, ob dieser Be­griff hilfreich ist. Religiöse Experten anderer Systeme kommen nur am Rande vor und um einen Vergleich geht es hier auch gar nicht. Vielmehr sind folgenden Fragen leitend: »Wie macht der (christ­liche) religiöse Experte ›Werbung in eigener Sache‹? Mit welchen Strategien ›vermarktet‹ er in einer Konfrontation mit konkurrierenden Experten sein besonderes Wissen und die damit zu­sam- men­hängende religiöse Lehre?« (11). Mit diesem erkenntnisleitenden Interesse grenzt sich W. in aller Deutlichkeit von theologischen Untersuchungen ab, denen sie pauschal eine »dogmatisch-ideologische Ausrichtung« (ebd.) unterstellt. Zudem wird der gesamte Be­reich der frühchristlichen Apologetik konsequent ausgeblendet, weil W. mit Hilfe von kommunikationstheoretischen Modellen allein die jeweiligen Ab­grenzungsstrategien erheben will, ohne auf die Debatten inhaltlich genauer einzugehen. Allerdings bleibt fraglich, ob das überhaupt sinnvoll möglich ist.
So geht es im zweiten Kapitel um das äußere Erscheinungsbild des religiösen Experten (19–38), während das folgende dritte Kapitel näherhin beschreibt, wie genau der lokale Kontext in topogra­phischer und gesellschaftlicher Hinsicht strukturiert ist (39–75). Das nächste Kapitel widmet sich den Kriterien für die Unterscheidung von wahren und falschen religiösen Experten (77­–106). Be­sonders wichtig ist W. dann das abschließende fünfte Kapitel, in dem die wichtigsten Legitimations- und Plausibilisierungsstrategien der religiösen Experten gebenüber der Öffentlichkeit bzw. ge­genüber konkurrierenden »religiösen oder auch philosophischen und politischen Experten« (17) untersucht (107–146), bevor in einem letzten kurzen Abschnitt die wichtigsten Ergebnisse noch einmal knapp rekapituliert werden sollen (147–153).
Um ihren frühchristlichen Handlungsträgern in einem lokalen Zusammenhang Konkretion und Kontur zu verleihen, greift W. auf sehr unterschiedliches Quellenmaterial ganz verschiedener Gattungen zurück. Sie interpretiert vornehmlich narrative Texte: Evangelien, kanonische und apokryphe Apostelgeschichten, aber auch Kirchenordnungen, Briefe und anderes mehr, was immer auch geeignet erscheint, lokale Gegebenheiten in Syrien, Palästina und Zypern, sowie in den Städten Rom, Karthago, Athen, Ephesus, Iconium, Antiochien und Lystra zu erschließen. Mit der Untersuchung der gattungsspezifischen Besonderheiten hält sich W. nicht lange auf; hier genügen zumeist einige knappe Be­merkungen. Schwerer wiegt, dass sich W. zwar durchaus dessen bewusst ist, dass es sich um literarisch sehr bewußt gestaltete Texte handelt, die, um ihr vornehmlich christliches Publikum von ihren Standpunkten zu überzeugen, die jeweiligen Kontrahenten natürlich in den schwärzesten Farben malen. Doch kann W. darin nur eine für christliche Quellen geradezu typische »starke ideologische Verzerrungen der realen Gegebenheiten« (16) erkennen. An dieser Stelle scheint es ihr um das zu tun zu sein, was sie als den »histo­-rischen Kern« (15.152) ihrer Quellenauswahl ansieht. Allerdings besitzt sie ganz offensichlich kein Instrumentarium, um mit diesem Problem methodisch verantwortlich umzugehen, weshalb es in weiten Teilen der Arbeit auch schlichtweg ausgeblendet wird. So bleibt letztlich unklar, ob es sich bei den verwendeten Quellentexten nach Ansicht W.s um historische oder um rhetorisch gestaltete Diskurse handelt.
In der Zusammenfassung spricht sie sich dann schließlich doch für die zweite Option aus (152), doch hätte sie sich viel entschiedener mit den Fragen der jeweiligen Gattung, der rhetorischen Gestaltung, des anvisierten Adressatenkreises und eben auch mit dem Inhalt des Textes genauer beschäftigen müssen. Dann hätte die Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Klärung der vielfältigen, gerade auch innerchristlichen Abgrenzungsprozesse der vorkonstantinischen Zeit leisten können, bei denen der lokale Kontext zweifellos von erheblicher Bedeutung ist. Darauf nachdrücklich hingewiesen zu haben, ist das Verdienst dieses Buches.