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Ausgabe:

März/2013

Spalte:

332–333

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lamberz, Erich [Ed.]

Titel/Untertitel:

Concilium Universale Nicaenum Se­cundum. Concilii Actiones IV–V.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2012. XXXV, 318 S. = Acta Conciliorum Oecumenicorum. Series Secunda, 3/2. Kart. EUR 239,00. ISBN 978-3-11-027274-1.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Erich Lamberz legt die zweite Lieferung (zur ersten s. ThLZ 135 [2010], 845–847) seiner Edition der Akten des 7. Ökumenischen Konzils, des 2. Konzils von Nizäa (Nikaia) 787 vor. Sie umfasst die 4. und 5. Sitzung des Konzils. Über die vorzügliche Edition ist in der Besprechung der 1. Lieferung gehandelt worden. Nachdem auf den ersten drei Sitzungen die Schreiben vorgetragen worden waren, die von den verschiedenen Autoritäten eingegangen waren und die bereits Einmütigkeit in der Frage dokumentierten, die auf dem Konzil verhandelt werden sollte, wird in den beiden nächsten Sitzungen die Tradition vorgeführt.
Die 4. Sitzung bietet reichlich 40 Zeugnisse der bilderfreundlichen Tradition. Diese sind mehr oder weniger zufällig gereiht, doch insofern in sich geschlossen, als die Reihe mit dem Buch Exodus beginnt und mit einem (gewiss nicht echten) Brief Papst Gregors II. an Patriarch Germanos und drei Briefen des Germanos endet. So wird die Bilderverehrung als durchgängige Tradition bis zum Bilderstreit behauptet. Die Reihe der vorgetragenen Testimonien ist gewiss vor dem Konzil im Patriarchat erarbeitet worden und wurde jetzt verlesen. Auch die von einigen Bischöfen anscheinend spontan eingebrachten Zeugnisse gehörten zur Regie. Überhaupt sind die Akten nicht ohne strenge Regie zu verstehen, die auf der Vorbereitung durch das Partriarchat fußte. Die Rolle der Konzilsväter bestand wesentlich in Zustimmungserklärungen. Auf der 5. Sitzung werden ebenfalls Testimonien verlesen, doch handelt es sich jetzt um die Widerlegung entgegenstehender Zeugnisse, sie sind stärker auf die Irrlehre bezogen. Die Ablehnung von Bildern wird als Neuerung dargestellt und Thesen zur Entstehung der Bilderfeindschaft werden entwickelt. Um die Bilderfeindschaft zu demonstrieren, werden sechs Codices aus dem Patriarchat vorgeführt, aus denen Bilder oder eher Texte über Bilder entfernt worden sein sollen. Die Bekräftigung fügt weitere Co­dices hinzu. Von spektakulären Bildzerstörungen oder Bildermärtyrern, wie sie die spätere Tradition kennt, ist nicht die Rede.
L. stellt dem Text eine Einleitung voran, in der er sich auch zur Entstehung der Akten äußert, und hebt zwei Hauptprobleme hervor, die Bischofslisten und die Testimonien (zur Entstehung vgl. Thümmel, Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. u. 9. Jh., 2005, 87–102). Über die Bischofslisten hat L. bereits separat und ausführlich ge­handelt (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Abhandlungen, phil.-hist. Kl., NF Heft 124, 2004). Dazu habe ich mich geäußert (Annuarium Historiae Conciliorum 36 [2004], 243–250). L. rekonstruiert außer Änderungen, die jedoch gering waren, zwei Redaktionen. Die 1. Redaktion wird aus den Bischofslisten und einem Zitat erschlossen. Wichtig daran ist, wie die Entstehung solcher Ak­ten zu denken ist. Immerhin ist vom 6. Ökumenischen Konzil das Protokoll einer 17. Sitzung mit Teilnehmerverzeichnis erhalten, die nie stattgefunden hat. Mit anderen Worten: Das Protokoll von Sitzungen, auf denen im Wesentlichen Testimonien oder andere vorbereitete Dokumente vorgetragen wurden, ist von der Kanzlei vorgefertigt und auch schon mit einer Liste der zu erwartenden Teilnehmer versehen worden. Auf der Sitzung selbst konnte diese dann nach der tatsächlichen Anwesenheit berichtigt werden. So ist doch in größerem Maße mit Vor- und Nacharbeit zu rechnen, und diese kann manche Unregelmäßigkeit erklären.
Weiterhin soll ein Zitat aus der »Narratio« des Johannes von Jerusalem, das auf dem Pariser Konzil von 825 anders vorgetragen wurde, eine erste Redaktion bezeugen. Das Pariser Zitat lässt sich aber durchaus als Kürzung des Textes von 787 begreifen. Wenn dabei die Auswirkung auf Byzanz weggelassen ist, dann hat das seinen Grund in der verschiedenen Intention der beiden Veranstaltungen. Nikaia 787 bekämpfte die byzantinischen Ikonoklasten und behauptete Ungläubige als deren Ahnherren. Paris 825 wandte sich sowohl gegen die radikale Ablehnung der Bilder wie gegen ihre zu starke Verehrung. Die Bedeutung der Testimonien besteht auch darin, dass ältere Äußerungen zur Bilderfrage manchmal nur hier erhalten sind. Freilich ist manches, was nicht direkt von bildlichen Darstellungen handelt, darunter gemischt. Ich habe versucht, zum Teil auf diesem Material fußend, die »Frühgeschichte der ostkirchlichen Bilderlehre« (1992) zu schreiben. Diese Texte müssen nun freilich nach der Neuedition korrigiert werden.
Das Konzil war das Konzil derer, die zuvor – mit wieviel Überzeugung auch immer – Bildergegner waren, die sonst auch gar nicht Bischöfe geworden oder geblieben wären. Das wird immer wieder deutlich, wenn die Konzilsväter beteuern, dass sie durch die Zeugnisse der Väter korrigiert worden wären, dass sie zuvor geirrt hätten und betrogen worden wären. Jedenfalls stand das Ergebnis von vornherein fest, und diejenigen, die zu offensichtlich diesem widersprochen hatten, standen zu Beginn des Konzils als Büßer draußen und baten um Rehabilitierung. So war ein wichtiges Er­eignis die Zwischenabstimmung am Ende der 4. Sitzung. Als letztes gültiges Ergebnis lag der Beschluss des bilderfeindlichen Konzils von 754 vor. Jetzt wurde eine vorbereitete Erklärung verlesen, die den Inhalt des Horos, der Abschlusserklärung des Konzils, vorwegnahm, und unterschrieben. Diese Zwischenabstimmung rechtfertigte das bisherige Vorgehen und schuf die Grundlage für den weiteren Verlauf des Konzils. Außer den fünf Vertretern der Patriar­chate bekannten sich schließlich alle 330 Bischöfe (oder deren Vertreter) und 132 Mönche (Äbte) zur Bilderverehrung.
Auf die Edition, die selbstverständlich nach den anfangs be­stimmten Handschriften erfolgte, hat die verschiedene Beantwortung der genannten Fragen zu den Bischofslisten und Testimonien keinen Einfluss gehabt.