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Ausgabe:

Februar/2013

Spalte:

249–250

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Bulgakov, Sergius

Titel/Untertitel:

Icons and the Name of God. Transl. by B. Jakim.

Verlag:

Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2012. XII, 180 S. 22,8 x 15,3 cm. Kart. US$ 29,00. ISBN 978-0-8028-6664-6.

Rezensent:

Reinhard Thöle

Zwei scheinbar unterschiedliche Kapitel orthodoxer Theologie, nämlich die Ikonenverehrung und die Namen-Gottes-Anrufung, werden in diesem Buch zusammen veröffentlicht. Für Sergius Bulgakov stehen aber beide Themen in einem tiefen inneren Zusam­menhang. Als charakteristisch für diesen Zusammenhang kann man folgende Zusammenfassung anführen: »Der Name Jesus ist die vor-ewige Ikone Seiner Hypostase, die wiederum selbst das hypostatische Bild des Vaters ist.« Der Name Jesus drückt die unaussprechliche Persönlichkeit des Herrn aus und kann in der Kraft der Verbindung zwischen Urbild und Abbild von seinem Sein nicht getrennt werden (79 f.).
Der dogmatische Aufsatz »Die Ikone und ihre Verehrung« wurde 1930 geschrieben und ein Jahr später veröffentlicht. Er stellt das innere Bindeglied dar zwischen seiner »kleinen Trilogie« (bestehend aus den Betrachtungen über Johannes den Täufer »Der Freund des Bräutigams«, die Gottesmutter »Der brennende Dornbusch« und die Engel »Die Jakobsleiter«) und seiner großen Trilogie (bestehend aus den Ausführungen über die göttliche Menschheit Christi »Das Lamm Gottes«, den heiligen Geist »Der Tröster« und die Kirche »Die Braut des Lammes«. Der Aufsatz »Der Name Gottes« erschien in den 1920er Jahren als zusammenfassender Abschluss seines Werkes »Die Philosophie des Namens«, das er beim Landeskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche 1917–1918 zur Diskussion vorlegen sollte. Das ebenfalls beigefügte Post Scriptum »Der Name Gottes, eine sophiologische Interpretation des Dogmas vom Namen Jesus« erschien erst 1942.
B. bezieht damit Position in einer offiziell ungelösten innerorthodoxen Kontroverse des Imjaslavismus oder der Onomatodoxie. Ausgelöst wurde der Streit um den Namen Jesu durch das 1907 veröffentlichte Buch des russischen Mönches Ilarion »Auf den Bergen des Kaukasus«, der aus seiner Erfahrung mit dem immerwährenden Herzensgebet formulieren konnte, dass »der Name Gottes Gott selbst sei, der Wunder wirken könne«. Der russische Athosmönch Antonij Bulatovich begrüßte zusammen mit vielen Mönchen und Theologen diesen Ansatz als einen frischen und genuinen Zugang zu den göttlichen Mysterien, wohingegen viele Hierarchen und auch Vertreter des Zaren dieses als gefährliche Häresie ansahen und das Buch Ilarions verboten. Als 1913 David, ein Befürworter des Imjaslavismus, Rektor einer Skite auf dem Athos wurde, erkannte dessen Vorgänger Hieronim die Wahl nicht an und rief über die Russische Botschaft in Griechenland um Hilfe. Erzbischof Nikon von Vologda erreichte mit einer kleinen militärischen Flotte den Athos und ließ nach vergeblichen Verhandlungen mit den Imjaslavisten das Kloster stürmen. Von den unbewaffneten Mönchen wurden fünf getötet, viele verwundet und mehrere hundert Mönche als Kriegsgefangene nach Russland transportiert. Unter Zar Nikolaus II. änderte sich jedoch die offizielle Einstellung, und die Imjaslavisten durften 1914 wieder zum Gottesdienst zugelassen werden, ohne ihre Haltung bereuen zu müssen. Das Landeskonzil 1917/1918 sollte eigentlich die Frage der Imjaslavie behandeln und lösen, es kam aber wegen der Zeitumstände nicht dazu. Obwohl sich Pavel Florenskij und B. für die Imjaslavie aussprachen, wurde 1918 die frühere Entscheidung wieder zurückgenommen und die Imjaslavis­ten wurden wieder zum Bereuen ihrer Anschauungen aufgefordert.
Die von B. angestoßene Lösung konnte somit nur ähnlich der Antwort des Palamas auf den Streit um den Hesychasmus konstruiert sein. Wenn der Name Gottes nur ein »bloßes (schlichtes) Wort« wäre und nichts weiter, wäre dieses das Ende jedes gottesdienstlichen, sakramentalen Handelns und jedes Gebetes. Der Name Gottes ist in Wirklichkeit eine Energie, die von Gottes Wesen ausgeht und mit ihm untrennbar verbunden ist. Der Name Gottes ist Gott selbst, aber Gott ist höher und mehr, als sein Name es die Menschen verstehen lassen kann. Der Name Gottes ist ein lebendiges Symbol und muss verehrt werden.
Die Nähe des eben Gesagten zur Ikonentheologie wird deutlich. Bei der Ikone begegnen sich das natürliche Bild und das geheiligte Bild des Dargestellten. Und die Ikonenweihe ändert in geheimnisvoller Weise die Natur des Bildes, es stellt eine geheimnisvolle Verbindung zum Urbild des Abgebildeten her. Es ist die Gegenwart dessen im Bild, der abgebildet ist. Die geweihte Ikone des Christus ist für B. Christus selbst in seinem Bild, ein Platz der Erscheinung Christi in unserer Begegnung mit ihm, wenn wir beten. Die Ikone ist das sichtbare Bild Christi, aber ohne dass sein Wesen real wird. Der wundertätige Charakter einer Ikone besteht in der gnadenvollen Anwesenheit des Urbildes im Abbild der Ikone und ist von uns zu ertasten, unabhängig davon, welches Wunder sie letztlich für uns vollbringt. Die Frage der Ikonentheologie ist für B. letztlich eine Frage nach der Einheit zwischen der geschaffenen und göttlichen Welt.