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Ausgabe:

Februar/2013

Spalte:

199–200

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Bultmann, Rudolf, u. Paul Althaus

Titel/Untertitel:

Briefwechsel 1929–1966. Hrsg. v. M. Dreher u. G. Jasper.

Verlag:

Tübingen. Mohr Siebeck 2012. VIII, 132 S. m. 5 Abb. 23,2 x 15,5 cm = Rudolf Bultmann Briefwechsel. Lw. EUR 39,00. ISBN 978-3-16-150981-0.

Rezensent:

Konrad Hammann

Der Briefwechsel zwischen Paul Althaus und Rudolf Bultmann macht vom Umfang her den geringeren Teil des vorliegenden Bandes aus. Der nicht vollständig erhaltenen Korrespondenz sind einige – zumeist schon publizierte – Quellen beigegeben, die den brieflichen Austausch der beiden Theologen zu erhellen vermögen. Neu geboten werden der Briefwechsel im Zusammenhang mit dem Erlass, durch den der Bayerische Staatskommissar 1933 einen Separatdruck des von Althaus im selben Jahr bereits in einem Sammelband publizierten Aufsatzes zur Eugenik untersagte sowie eine bisher unveröffentlichte Abhandlung Bultmanns zum Mythosbegriff.
Die für solche Editionen übliche und nützliche historische Einleitung in den Band gibt Gotthard Jasper. Ungewöhnlich ist, dass Matthias Dreher die ohnehin ziemlich schmale Korrespondenz sogleich mit einem ausführlichen »exegetisch-theologischen Kommentar« versehen hat. Kann der Leser sich nicht seinen eigenen Reim auf das Gelesene machen? Geteilter Meinung sein kann man etwa bezüglich der Hypothese Drehers, Bultmann habe – ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein (!) – den Mythosbegriff der Romantik übernommen (119). Gewiss nicht in eine seriöse Edition gehören die befremdlich anmutende Anekdote aus der Schulzeit Jaspers (8, Anm. 17), die Spekulation darüber, wie Bultmann wohl in der gegenwärtigen Debatte um die Sterbehilfe votiert hätte (16) sowie das saloppe Internetzitat über die angeblich katholisierenden Tendenzen Bultmanns (122, Anm. 71). Der Doktorvater von Althaus heißt im Übrigen nicht Eduard (20.129), sondern Carl Stange.
In dem erwähnten Aufsatz zur Eugenik bezieht Althaus 1933 unter Berufung auf die vom Schöpfer gesetzte Heiligkeit des Lebens entschieden Stellung gegen die von der zeitgenössischen Rassenhygiene propagierte Zwangssterilisation Behinderter und die Rede vom »unwerten« Leben. Bultmann sieht in diesem Text ein »Zeichen geistiger Gemeinschaft« (24) und stellt über Althaus hinaus die grundsätzliche Frage nach der Legitimation staatlichen Handelns im Bereich der Eugenik. Er bittet seinen Erlanger Kollegen ferner um dessen Unterschrift unter das Neutestamentler-Gutachten gegen den Arierparagraphen in der Kirche. Althaus jedoch unterschreibt nicht. Über die Hintergründe hierfür verlieren die Herausgeber kein Wort, nämlich über die erheblichen Konzessionen Althaus’ an rassisch-völkisches Denken (sogar im Eugenik-Aufsatz, 65 f.; im Erlanger Gutachten zum Arierparagraphen in der Kirche; in dem von Althaus mit redigierten Ansbacher Ratschlag), in denen die desaströsen Konsequenzen seiner neulutherischen Ordnungstheologie wirksam werden. Jasper behauptet sogar einen weitgehend kirchenpolitischen Konsens zwischen Althaus und Bultmann (17), obwohl der Dissens gerade hier offenkundig ist. Es ist eben kein Zufall, dass Bultmann das theologische Gespräch mit Althaus erst sechs Jahre später wieder aufnimmt!
Dieses Gespräch kreist 1939–1944 um die von beiden Theologen während jener Jahre auch in ihren Publikationen kontrovers dis­-kutierten Themen: um den Grund und Sinn des Osterglaubens, den Offenbarungsbegriff und den Entmythologisierungsvortrag Bultmanns von 1941. Dabei werden sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Differenzen zwischen Althaus und Bultmann in zentralen theologischen Fragen, gerade auch vor dem Hintergrund der in ihrem Briefwechsel stets präsenten Positionen Emanuel Hirschs, deutlich. Nach 1945 kommt es nurmehr zum Austausch von Son­derdrucken und deren Bestätigung. »Kein neuer Bultmann, kein neuer Althaus« werde in dieser Korrespondenz sichtbar – so heißt es im Vorwort der Herausgeber. Dieser Einschätzung kann man un­eingeschränkt zustimmen. Immerhin lädt die ansprechende typographische Gestalt des Büchleins dazu ein, die Texte Bultmanns und Althaus’ von Neuem zu studieren.