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Ausgabe:

Januar/2013

Spalte:

117–119

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Dennemarck, Bernd, Hallermann, Heribert, u. Thomas Meckel[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Von der Trennung zur Einheit. Das Bemühen um die Piusbruderschaft.

Verlag:

Würzburg: Echter 2011. 340 S. 22,5 x 14,0 cm = Würzburger Theologie, 7. Kart. EUR 24,80. ISBN 978-3-429-03449-8.

Rezensent:

Martin Bräuer

Die Entscheidung Papst Benedikts XVI. im Januar 2009, die Exkommunikation von vier im Jahr 1988 von Erzbischof Marcel Lefebvre unerlaubt geweihten Bischöfen der Piusbruderschaft aufzuheben, war von Anfang an sehr umstritten, nicht zuletzt deshalb, weil sich unter ihnen der den Holocaust leugnende Bischof Richard Williamson befand. Doch trotz dieser Erschütterungen wurden in den Jahren 2009 bis 2011 offizielle Lehrgespräche zwischen der römischen Glaubenskongregation und der Piusbruderschaft geführt.
Der vorliegende Band geht auf eine gleichnamige Fachtagung des Lehrstuhls für Kirchenrecht an der Julius-Maximilians-Uni­versität Würzburg im Oktober 2010 zurück. Diese Tagung nahm die Einheitsbemühungen Roms um die Piusbruderschaft aus der Perspektive mehrerer theologischer Disziplinen (Kirchenrecht, Liturgiewissenschaft, Fundamentaltheologie und Dogmatik) in den Blick. Das Buch versammelt in seinem ersten Teil die Vorträge der Tagung. Im zweiten Teil sind Beiträge wiedergegeben, die an die Diskussionen der Fachtagung anknüpfen und diese in einzelnen Aspekten weiterführen und vertiefen wollen.
Zunächst zeichnet Stephan Haering, München, in seinem Beitrag »Auf dem Weg zur Exkommunikation« die Stationen des Konflikts zwischen Rom und der Piusbruderschaft nach. Der Schwerpunkt liegt auf der Biographie Marcel Lefebvres, ohne deren Kenntnis der ganze Konflikt nicht zu verstehen sei. Haering zeigt auf, wie nahe Lefebvre den Ideen der Action française stand, einer »1899 gegründeten antiliberalen, antidemokratischen, national-royalis­tischen und antisemitischen Bewegung« (15). Von dieser Prägung führt eine Linie zur Begründung der Ablehnung des II. Vatikanischen Konzils durch Lefebvre, da es den zentralen Ideen der Französischen Revolution in der Kirche Geltung verschafft habe.
Markus Graulich, Rom, schließt daran an und verfolgt unter der Fragestellung »Von der Exkommunikation zur Communio?« den Weg des Dialogs zwischen dem Vatikan und der Piusbruderschaft. Trotz diverser Bemühungen Roms hätten sich die Gräben zwischen dem Vatikan und der Piusbruderschaft bis zur Jahrtausendwende vertieft, erst dann habe sich diese Tendenz geändert. Graulich analysiert die Aktivitäten Benedikts XVI. auf diesem Weg des Dialogs und stellt abschließend die Frage, unter welchen kirchenrechtlichen Bedingungen und in welcher Form eine Wiedereingliederung nach einem evtl. erfolgreichen Abschluss der Lehrgespräche zwischen Piusbruderschaft und Vatikan möglich wäre.
Grundsätzlich geht der Würzburger Fundamentaltheologe Wolfgang Klausnitzer das Thema »Der Papst als Garant der Einheit« an. Er skizziert die Entwicklung des Papstamtes als zentrales Amt in der katholischen Kirche und benennt auch die Probleme, die damit im ökumenischen Dialog verbunden sind. Weiter kennzeichnet er als zentrale Aufgabe des Petrusdienstes, die Einheit der Kirche zu gewähren und an deren Verwirklichung zu arbeiten. Allerdings – schränkt er ein – müssten die Ergebnisse auch vom Kirchenvolk positiv rezipiert werden.
Bernd Dennemarck, Benediktbeuern, geht in seinem Beitrag »Die Anhänger der Piusbruderschaft – Rechtliche Probleme« den vielfältigen rechtlichen Problemen nach. Er diskutiert ausführlich die Frage, ob es sich bei der Piusbruderschaft um eine Gemeinschaft von Schismatikern oder eine schismatische Gemeinschaft handelt, und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Bruderschaft um eine schismatische Gemeinschaft handelt. Auf dieser Grundlage nennt er die Bedingungen zur Rückkehr.
In der Auseinandersetzung mit der Piusbruderschaft kommt der Feier der Liturgie, namentlich der Eucharistie, zentrale Bedeutung zu. Eine Liturgie, die sich nicht nur als äußerer Vollzug scheinbar zeitloser Riten versteht und auf deren bloße Ästhetisierung zielt, sondern die gefeierte Ausdrucksform des ekklesiologischen Selbstverständnisses der Kirche sein will, stellt aufgrund ihrer Form zentrale theologische Fragen. Jürgen Bärsch, Eichstätt, legt diese Zusammenhänge in seinem sehr lesenswerten Beitrag »Populo congregato. Die Feier der Liturgie als Ausdrucksform der Ekklesiologie« überzeugend dar. Bärsch geht näher auf das Prinzip der participatio actuosa ein und beschreibt diese als das zentrale Grundprinzip für die Erneuerung der Liturgie. Er zeigt auf, wie dieses Grundprinzip Gestalt ge­wonnen hat, vergleicht damit den Ansatz der tridentinischen Liturgie und arbeitet heraus, dass Liturgie auch immer eine be­stimmte Sozialgestalt von Kirche zum Ausdruck bringt.
Mit dem kirchlichen Strafrecht beschäftigen sich die beiden Beiträge von Wilhelm Rees, Innsbruck, und Peter Krämer, Trier. Rees erwägt »Strafrechtliche Aspekte im Blick auf die Priesterbruderschaft St. Pius X. mit besonderem Blick auf die Aufhebung der Exkommunikation«, Krämer beschäftigt sich mit der Problematik »Leugner des Holocaust – Möglichkeiten und Grenzen kirchlicher Einflussnahme«.
Christoph Böttigheimer, Eichstätt, reflektiert angesichts des weitgehenden Entgegenkommens des Heiligen Stuhls gegenüber der Piusbruderschaft einerseits und den oft nur mühsamen Fortschritten in der Ökumene andererseits die Frage »Was ist zur Einheit erforderlich?« In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass in der Ökumene bisher keine Verständigung darüber in Sicht ist, was unter »Einheit der Kirche« zu verstehen ist. Für die Einheit mit der Piusbruderschaft ist neben der Anerkennung der Autorität des Papstes und der Gemeinschaft mit dem Bischofskollegium auch das ungeteilte Bekenntnis zu Glauben und Sitte der katholischen Kirche vonnöten, insbesondere die uneingeschränkte Anerkennung des II. Vatikanischen Konzils. – Die daran sich anschließenden Beiträge ( Matthias Pulte, Mainz; Ludger Müller, Wien; Heribert Hallermann und Thomas Meckel, Würzburg) gehen kirchenrechtlichen Fragestellungen nach.
Nicht nur für den evangelischen Leser besonders interessant ist die Analyse von Andreas Weiß, Eichstätt, der sich dem Thema unter der Fragestellung »Pius oder Konzil? Zum Umgang mit fundamentalistischen Gruppen am rechten Rand der römisch-katholischen Kirche« nähert und sich grundsätzlich mit dem Phänomen des Fundamentalismus innerhalb der katholischen Kirche auseinan­dersetzt. Über die Untersuchung des Begriffs »Fundamentalismus« im Allgemeinen kommt er zur Definition des Begriffs »Katho­-lischer Fundamentalismus« im Besonderen und schließt, dass die Piusbruderschaft als fundamentalistisch einzustufen ist, denn sie versuche, den Status quo der katholischen Kirche vor dem letzten Konzil als unabänderlich festzuschreiben.
Wer sich über die Piusbruderschaft kompetent und umfassend informieren will, wird in Zukunft an diesem Band nicht vorbeigehen können. Er verhilft zu einer vertieften Sicht der Problematik um die Piusbruderschaft und bietet zu diesen komplexen Vorgängen wichtige Hintergrundinformationen. Der Band macht zudem deutlich, dass bei dem Bemühen um die Piusbruderschaft auch die Frage aufgeworfen wird, ob die katholische Kirche ihre durch das II. Vatikanische Konzil geprägte Identität bewahrt oder preisgibt.