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Ausgabe:

Januar/2013

Spalte:

108–109

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Heller, Thomas

Titel/Untertitel:

Studienerfolg im Theologiestudium. Exemplarische Befunde einer deutschlandweiten Panelstudie zur Identifizierung und Quantifizierung persönlicher Bedingungsfaktoren des Studienerfolgs bis zum fünften Semester bei Studierenden der Evangelischen Theologie (Pfarr-/Lehramtsstudiengänge).

Verlag:

Jena: IKS Garamond (Edition Paideia) 2011. 287 S. m. Abb. u. Tab. 21,0 x 13,5 cm = Studien zur Religionspädagogik und Praktischen Theologie, 5. Kart. EUR 31,90. ISBN 978-3-941854-52-9.

Rezensent:

Christian Grethlein

Es ist erstaunlich, aber offenkundig: Den vielfältigen Bemühungen um Studienreform auf den unterschiedlichen Ebenen steht ein ge­ringes Wissen um den Studienerfolg und seine Prädiktoren zur Verfügung. Für die evangelisch-theologischen Studiengänge mit ihrer erheblichen, in den ersten vier Semestern wohl etwa 20 % betragenden Schwundrate ist diese Lücke besonders problematisch. Die in Jena angefertigte Dissertation von Thomas Heller (Betreuer: Mi­chael Wermke) versucht hier in methodisch sorgfältiger und deshalb recht begrenzter Weise, erste Einsichten zu gewinnen.
Die Arbeit »beschäftigt sich mit der Identifizierung und Quantifizierung persönlicher Bedingungsfaktoren des Studienerfolgs bei Studierenden der Evangelischen Theologie in den Pfarr- und Lehramtsstudiengängen« (59), ausgenommen derer, die auf das Lehramt an Grund- und Förderschulen vorbereiten (19). Konzeptionell bestimmt sie dazu – in sorgfältiger Auswertung vorliegender Untersuchungen – den Begriff »Studienerfolg«. Ein solcher liegt vor, »wenn ein Studierender ein ursprünglich begonnenes Studium weiterhin fortsetzt; wobei darüber hinaus der Grad seines Studienerfolge zu gleichen Teilen im Blick auf die von ihm bereits erlangten Noten, im Blick auf seine Zufriedenheit mit den äußeren Be­dingungen des Studiums sowie im Blick auf seine Zufriedenheit mit der individuellen Bewältigung der Studienanforderungen va­riiert.« (31)
Dazu befragte H. in zwei Erhebungswellen Ende 2007 und Ende 2009 in einer fragebogengestützten, studienbegleitenden Panelstudie an 15 Hochschulorten insgesamt 408 Probanden, von denen 382 in den drei eben genannten Teilkriterien auswertbare Daten vorlegten. Wegen der Stichprobenplanung liegt in strengem Sinn – wie H. zutreffend selbst anmerkt – keine repräsentative Studie vor (97). Doch erweist nicht zuletzt der Abgleich mit anderen Studien, dass zumindest wichtige Tendenzen erfasst wurden.
Schon die als Hypothesen kleinschrittig entwickelten Kriterien sowie die Fragen zeigen, wie differenziert die Forschungsaufgabe anzugehen ist, und ergeben zugleich eine Fülle wichtiger Ge­sichtspunkte.
Als Ergebnis ist grundsätzlich die Multikausalität des Studienabbruchs festzuhalten (148). Bei verschiedenen Probanden lassen sich unterschiedliche Gründe festzustellen. Allerdings kristallisieren sich auch vier Prädiktoren heraus, die einen Studienerfolg (bzw. -misserfolg) erklären helfen (Zusammenfassung der entsprechenden Einzelergebnisse: 250–256): Zwar nur eine recht kleine Zahl der Befragten gibt »beeinträchtigende« Krankheit an; bei ihnen liegt aber der Studienabbruch signifikant höher. Wie in anderen Studienfächern auch korrelieren die – gute – Abiturgesamtnote sowie einzelne Abiturnoten, wie vor allem die Deutschnote, mit der Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Studiums. Hier ist unterstützend auch ein positives schulisches Selbstkonzept zu nennen. Spezifisch für Theologie sind dann die beiden folgenden Faktoren: Die – in modifizierter Aufnahme des fünfdimensionalen Religionsbegriffs von Charles Glock operationalisierte – »Religiosität« be­günstigt den Studienerfolg, wiewohl hier auch in fundamentalistischer Ausprägung eine gegenläufige Tendenz zu beobachten ist. Besonders gewichtig sind schließlich die Kenntnisse in den alten Sprachen: »So brachen 21,7 % derjenigen Probanden, die zu Beginn ihres Studiums noch keine entsprechende Sprachprüfung absolviert hatten, ihr be­gonnenes Pfarramtsstudium […] wieder ab.« (253)
Zu Recht warnt H. vor kurzschlüssig normativ aufgeladenen Schlussfolgerungen aus den deskriptiv erhobenen und mittels einschlägiger formaler Rechenverfahren ausgewerteten Ergebnissen. An vier Stellen gibt er aber beachtliche Hinweise: Die Belastung durch Krankheit von Studierenden ist ernst zu nehmen. Bestehende Nachteilsausgleichsregelungen sind bekanntzugeben und an­zuwenden. Die Heterogenität der Studienanfänger und -anfängerinnen ist als hochschuldidaktische Herausforderung anzunehmen und sollte entsprechende Differenzierungen im Lehrangebot nach sich ziehen. Das Erlernen der alten Sprachen ist – blendet man die wohl auch zu führende grundsätzliche Diskussion um deren Sinn aus – zumindest didaktisch neu zu strukturieren. Verbindungen des Sprachenunterrichts zu theologischen Inhalten könnten hier weiterhelfen. Schließlich – und hier schlägt erkennbar das Herz von H. – sollten Studienberatung und Hochschulseelsorge gestärkt werden.
Insgesamt besticht die Studie durch methodische Differenziertheit und Zurückhaltung gegenüber vorschneller und pauschaler Interpretation der generierten Daten. So ist sie angesichts der anschaulich und wiederholt demonstrierten Komplexität des Gegenstandes vor allem ein dringender Appell an verstärkte Forschung auf dem Gebiet der Gestaltung und Reform der evangelisch-theologische Studiengänge. Dies gilt nicht zuletzt für die neuen BA- und MA-Studiengänge, die erst am Rand in den Blick kommen. Daneben enthält die Untersuchung bereits erste wichtige Einsichten zum Studienerfolg bei Theologie-Studierenden auf den Pfarrberuf und das Lehramt an Gymnasien sowie Real- und Regelschulen. Deshalb ist das Buch auch Pflichtlektüre für alle, die Verantwortung für die Gestaltung evangelisch-theologischer Studiengänge tragen.