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Ausgabe:

Januar/2013

Spalte:

40–41

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Dassmann, Ernst

Titel/Untertitel:

Ausgewählte kleine Schriften zur Patrologie, Kirchengeschichte und christlichen Archäologie. Hrsg. v. G. Schöllgen.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2011. 607 S. m. 1 Porträt, Abb. u. 20 Taf. m. Abb. 27,5 x 19,0 cm = Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsbd. 37. Lw. EUR 79,00. ISBN 978-3-402-10805-5.

Rezensent:

Adolf Martin Ritter

Im Zusammenhang mit dem 80. Geburtstag des emeritierten Ordinarius für Alte Kirchengeschichte und Patrologie an der Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät und langjährigen Leiters des F. J. Dölger-Instituts zur Erforschung der Spätantike an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Ernst Dassmann, sind zwei Aufsatzsammlungen aus seiner Feder erschienen. Die eine hat D. (wie bereits zwei Vorgängerinnen aus den 1990er Jahren) selbst in die Hand genommen, und zwar so, dass er sie – obwohl überwiegend aus früher Veröffentlichtem, vor allem einem umfangreichen Artikel des »Reallexikon für Antike und Christentum« (RAC 20 [2004]) über »Kirche II (bildersprachlich)«, hervorgewachsen – sehr viel stärker als die 1994 publizierte Monographie über »Ämter und Dienste in den frühchristlichen Gemeinden« (Bonn 1994 [Hereditas 8]), dafür vergleichbar dem noch ein Jahr älteren Augustinbüchlein (Augustinus. Heiliger und Kirchenlehrer, Stuttgart 1993), zu eindrucksvoller Geschlossenheit umgeformt hat und so ein wirkliches Buch entstanden ist. Selbst für den kundigen Leser dürfte dessen Lektüre lohnend, ja, wenn er sich denn zu dem angeschnittenen Fragenkreis kompetent zu äußern gedenkt, unentbehrlich sein; eben darum war davon hier kurz die Rede.
Die andere, hier zu besprechende Aufsatzsammlung geht auf die Initiative seines Schülers und Nachfolgers sowohl auf dem Bonner Lehrstuhl als auch in der Leitung des F. J. Dölger-Instituts, Georg Schöllgen, zurück und dokumentiert die ungewöhnliche Breite von D.s wissenschaftlichen Interessen und Kompetenzen nahezu in dem gesamten Bereich, der von Anfang an im Blickfeld des Bonner Dölger-Instituts lag und vom RAC als seiner wichtigs­ten Hervorbringung und raison d’être abgedeckt wird. Unter den Rubriken »Kirchenväter und Theologie« (7–222), »Spiritualität und Lebensgestaltung« (223–339), »Kirche und Kirchengeschichte« (340–417), »Paulusrezeption« (418–482) sowie »Archäologie und früh­-christliche Kunst« sind insgesamt 40 Aufsätze aus den Jahren 1966–2010 aufgenommen worden, die weder bereits in den genannten früheren Aufsatzsammlungen D.s enthalten waren noch im »Jahrbuch für Antike und Christentum« (JAC ) oder im RAC erschienen, mithin leicht zugänglich sind. Da sie vielfach an entlegener Stelle oder in fremden Sprachen publiziert waren, stoßen selbst gute Kenner der D.schen Forschungen in dieser Auswahlsammlung auf nicht wenig ihnen bislang Unbekanntes. Schon deshalb ist sie hochwillkommen! Erfreulich ist auch, dass dem Band ein – recht gegenwartsnahes, wie der Rezensent bezeugen kann – Foto vorangestellt und im »Anhang« ein (ursprünglich in: »Römische Quartalschrift« 101 [2006] 98/112 veröffentlichter) Aufsatz mit »Erinnerungen an die Studienzeit im Priesterkolleg am Campo Santo Teutonico« unter dem Titel »Römische Jahre« beigegeben ist, so dass sich der Leserschaft, bei Bedarf, auch ein Bild von der Person dessen ergibt, der als Autor hinter allem steht. Vielleicht aber sind diese Erinnerungen ohnehin als Einstieg in die Lektüre des Bandes besonders geeignet und zu empfehlen. Erwähnt sei zum Abschluss dieser knappen Inhaltsübersicht, dass im Anhang auch ein, soweit zu sehen, vollständiges Schriftenverzeichnis D.s sowie ein Abbildungsnachweis geboten werden.
Etwas aussagekräftiger als in den genannten Rubrikenüberschriften lassen sich die Schwerpunkte von D.s Forschungen so umschreiben: Es ist vor allem die Schriftauslegung der Alten Kirche, mit der er sich immer wieder beschäftigt und der er auch mehrere umfangreiche Artikel im RAC gewidmet hat, wie das Schriftenverzeichnis ausweist; es sind ferner, seit seiner Münsteraner Dissertation (bei B. Kötting), die Frömmigkeit der Kirchenväter, die Reflexion über den theologischen Rang und Charakter der Kirchengeschichte und ihrer Hauptgestalten und endlich die Christliche Ärchäologie in ihrem untrennbaren Zusammenhang mit der Kirchengeschichte (wie vice versa). So war es auch völlig sachgemäß, dass die D. zu seinem 65. Geburtstag überreichte Festgabe von Schülern, Freunden und Kollegen, nicht zuletzt ehemaligen wie noch aktiven Mitwirkenden am RAC (1996 im gleichen Verlag; in der gleichen Reihe, ungefähr im gleichen Umfang und vom gleichen Schüler [mit]herausgegeben wie der hier zu besprechende Band erschienen, und zwar unter dem Titel STIMULI) sich ganz auf »Exegese und ihre Hermeneutik in Antike und Christentum« (so der Untertitel) konzentrierte; da diese äußerst gehaltvolle und fast einen geschlossenen Forschungsbeitrag darstellende Festschrift nicht in der ThLZ besprochen worden ist, sollte sie wenigstens auf diese Weise erwähnt werden.
Nimmt man alles zusammen und schließt auch die längst von der internationalen Forschung rezipierten (eigentlichen) Monographien wie »Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand« (MBTh 29), Münster 1965, »Der Stachel im Fleisch. Paulus in der frühchristlichen Literaur bis Irenäus«, Münster 1979, oder das mehrbändige Studienbuch »Kirchengeschichte I.II« (Kohlhammer Studienbücher 10–11,2, Stuttgart 1991/1999; 3. durchges. Aufl. 2012) mit ein, so lässt sich sagen: Es ist alles getan worden, damit jeder, der will, sich ein klares Bild von D. und seiner imponierenden Lebensleistung machen kann. Sie ist umso eindrucksvoller, als die Zeit zur Schriftstellerei der aufreibenden Tätigkeit eines pflichtbewussten Universitätslehrers und Institutsleiters abgerungen werden musste. Nicht zu vergessen auch die enge Verbundenheit mit seiner Kirche, besonders mit der Pfarrgemeinde, in der er bis in die letzten Jahre regelmäßig als Prediger und in der Seelsorge wirkte.
Der evangelische Patristiker wird es wie D. als glücklichen Um­stand empfinden, dass uns in so vielen wichtigen Fragen keine konfessionellen Gräben mehr trennen, und es dem Jubilar danken, dass er sich dazu, zu gelegener wie ungelegener Zeit, stets bekannt hat.