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Ausgabe:

Januar/2013

Spalte:

28

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Witte, Markus [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Hiobs Gestalten. Interdisziplinäre Studien zum Bild Hiobs in Judentum und Christentum.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2012. 176 S. m. Abb. 23,0 x 15,5 cm = Studien zu Kirche und Israel. Neue Folge, 2. Kart. EUR 24,00. ISBN 978-3-374-03013-2.

Rezensent:

Michael Rohde

Zum 50. Geburtstag des Instituts für Kirche und Judentum veranstaltete Markus Witte im November 2010 ein Symposium an der Humboldt-Universität zu Berlin. Vor einem breit zusammengesetzten Publikum wurden exegetische Aspekte und vor allem Re­zeptionen des Hiobbuches vorgetragen und diskutiert. Auf diesen Anlass geht der Sammelband zurück, der sieben Aufsätze vereint.
Hermann Spieckermann findet gute Gründe, das Buch Hiob unter der Trias Wunden, Wunder und Weisheit zu betrachten. Er formuliert erfrischend, ohne abgenutzte Termini wie Tun-Ergehen-Zusammenhang oder Theodizee zu benutzen, und zeigt, wie Hiobtexte Grenzen der Erkenntnis zur Sprache bringen. Die Schülerin Spieckermanns und Mitarbeiterin des Berliner Instituts Tanja Pilger fasst entsprechend ihrer Dissertation das Gottesbild der Elihureden zusammen.
Markus Witte selbst entfaltet, wie nuanciert das spätantike oder frühmittelalterliche Targum zum Hiobbuch an acht Stellen Verbindungen von Hiob zu den Erzvätern Israels herstellt, be­sonders zu den drei Abrahamtexten Gen 15, 18 und 22. Dadurch ergeben sich wechselseitig neue Perspektiven auf die Texte und Figuren. Witte zeigt ferner anhand der Interaktion rabbinischer und frühchristlicher Exegese, wie Hiob in christlicher Rezeption zu einem »Vater Jesu Christi« wurde. Francesca Y. Albertini hat beim Symposium Aspekte zur sog. Wette zwischen Gott und Satan in jüdischer Rezeption vorgetragen. Ihr überraschender Tod im März 2011 verhinderte die Veröffentlichung ihres Vortrags, und so wird hier die kürzere Fassung eines Beitrags von Albertini zum gleichen Thema von 2006 nachgedruckt und der Band ihrem Andenken ge­widmet.
Einen kurzen, aber gehaltvollen Beitrag zu rituellen Trauerpraktiken des Judentums, die auf die Rezeption des Hiobbuches zurückgehen, und zum Umgang mit Trauernden legt Rabbiner Chaim Z. Rozwaski vor. Aus dem Bereich der Kunstgeschichte stammt die Analyse des Hiob-Salomon-Portals der Kathedrale von Chartres von Martin Büchsel. Er zeigt, wie durch die Konzeption der Portale der Schmerzensmann Hiob mit dem Weltenrichter Chris­tus ähnlich und Hiobs Klage »zur Klage Christi über die Qual seiner Passion« (104) wird. Der Beitrag ist mit 20 Abbildungen versehen; die Ansichten des Portals haben im Druckbild teilweise jedoch nicht die notwendige Qualität und Größe. Georg Langenhorst schließlich zeigt an lyrischen Beispieltexten von acht Dichterinnen und Dichtern, wie nach 1945 eine kollektive und individuelle jüdische Selbstdeutung im Bilde Hiobs ausgeprägt wurde. Zugleich diskutiert Langenhorst, was dagegen spricht, Hiob als Vorbild für die Opfer der Shoa zu verwenden.
Der Sammelband ist sowohl für das fachliche als auch für ein breiteres Publikum anregend. Die Hiob-Graphiken von Moni Jahn, welche zur Meditation bewegen sollen, bräuchten eine höhere Druckqualität.