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Ausgabe:

Januar/2013

Spalte:

21–22

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

[Koorevaar, Hendrik]

Titel/Untertitel:

Das heilige Herz der Tora. Festschrift für Hendrik Koorevaar zu seinem 65. Geburtstag. Hrsg. v. S. Riecker u. J. Steinberg.

Verlag:

Aachen: Shaker 2011. X, 380 S. m. 1 Porträt. 21,0 x 14,8 cm = Theologische Studien. Kart. EUR 49,80. ISBN 978-3-8440-0584-4.

Rezensent:

Reiner Andreas Neuschäfer

Ein dreifaches Ziel verfolgt diese in drei Sprachen zu Ehren des Niederländers Hendrik Jacob Koorevaar herausgegebene Festschrift, die in drei Themenbögen untergliedert ist: Zunächst geht es um die Würdigung und Wertschätzung der wesentlichen Wirkungen des 65-Jährigen durch seine Schüler, Kollegen und Freunde; dann wird die Hochschätzung der Heiligen Schrift durch den Alttestamentler der Evangelischen Theologischen Faculteit (ETF) Leuven (Belgien) hervorgehoben und schließlich eine ausführliche Auflistung der Literatur aus der Feder des unkonventionellen Exegeten geboten. – Fast 400 Seiten umfasst die Festschrift und vereint dabei 19 Beiträge (zehn englische, sieben deutsche, zwei niederländische), die jeweils zumeist mit einer Literaturliste und einem englischsprachigen Abstract ausklingen.
Im ersten Teil werden fünf Beiträge unter der Überschrift Historie und Hermeneutik geboten: Zum Einklang plädiert Herbert H. Klement, Basel, in seinem Essay »Narrative Historie und Identität des Gottesvolkes: Zur Bedeutung von Geschichte und Geschichten im Alten Testament« (3–22) pointiert für eine ideologiekritische Infragestellung historistischer Exegese und setzt sich für ein sorgfältiges Miteinander von literarischen und historischen Herangehensweisen an die Bibel ein. In Hinsicht darauf, dass der Historizität des Holocaust eine hohe Bedeutung zugemessen wird, solle man nicht zu leichtfertig den biblischen Erzählungen lediglich eine fiktive Ge­schichtlichkeit zugestehen!
Carsten Vang, »Deuteronomy and the Notion of Exile« (23–40), bietet überzeugende Argumente im Blick auf die zeitliche Frühdatierung von Dtn 4 und 28, während Walter Gisin, »Adam, Eva und die Jakobsfamilie in Hosea 6,7–11a« (41–60), sich den Anspielungen im Hoseabuch widmet. Geert W. Loreins Aufsatz »Dealing with Scripture and Circumstances in Nehemia 9–10« (61–77) profitiert von seiner Herausgebertätigkeit der alttestamentlichen Kommentarreihe »De Brug« und Kristofer D. Holroyds Beitrag »Multiple Speech Act Layers, Jeremiah, and the Future of Studies in Structural Theology« (79–94) fasst erste Ergebnisse seiner Dissertation zusammen.
Strukturelle Strategien stellen folgende Beiträge des zweiten Teils in den Mittelpunkt:
Benjamin Kilchör, »הרותה תאזו – Zur literarischen und theologischen Funktion der An- und Absageformeln in den Pentateuchgesetzen« (97–120); Raymond R. Hausoul, »Leviticus 25–27 in de metafysische grootheid Exodus-Leviticus-Numeri« (121–133); Gunnar Begerau, »Strukturelle und inhaltlich-theologische Verbindungen der Ketuvim in der Anordnung der BHS« (135–151); Walter Hil-brands, »Die Bedeutung der Struktur und Integrität des Predigerbuches für dessen Theologie« (153–165, mit bestechenden Einzelbeobachtungen zur Be­deutung der Integrität und Struktur des Predigerbuches im Blick auf seine inhaltliche Erhellung!); Julius Steinberg, »Das Hohelied – ein integrativer Ansatz« (167–181), schildert die Basis seines Hohelied-Kommentars in der Ambivalenz zwischen Differenz der Auslegung und Diversität des Hoheliedbuches selbst; beides ist nicht vorschnell zu harmonisieren; und Hans van Nes, »Traces of A Three Part Canon underlying 1 Peter« (183–197).
Der dritte Teil ist auf den Nenner der theologisch-ethischen Ge­sichtspunkte zu bringen und wird gut eingerahmt von den Beiträgen von Jan L. Verbruggen, »The History of Interpretation of Exodus 21:22–25« (201–235), und Siegbert Riecker, »Altes Testament und allgemeingültige Ethik: Plädoyer für ein Second Quest nach den Noachidischen Geboten« (325–367). Letzterer ist der umfangreichste Beitrag des Buches und spannt den Bogen von einer biblisch-hermeneutischen Textpragmatik hin zur Ethik im Grundsätzlichen und Konkreten. Hierzu nimmt er ethische Entwürfe und jüdische sowie urchristliche Überlegungen in den Blick und fordert eine (stärkere) Wahrnehmung der unterschiedlichen theologischen Disziplinen untereinander ein.
Es folgen: Eveline van Staalduine-Sulman, »Impurity« (237–256); Pieter A. Siebesma, »Het boek Jona in de uitleg van de Middeleeuwse Joodse exegeten« (257–266); W. Creighton Marlowe, »Righteous People in Proverbs« (267–283); Mart-Jan Paul, »The Translation of Hebel in Ecclesiastes« (285–301); Gie Vleugels, »The Destruction of the Second Temple in the Odes of Solomon« (303–310); Patrick Nullens, »Value Personalism as a Lens to Read the Ten Commandments« (311–323).
Ein Porträt des Jubilars rundet die rundum ansprechende Festschrift ab, die durch ein Stichwort- und Bibelstellenregister über die fest(schrift)liche Intention hinaus noch eine stärker alltags­taugliche Funktion hätte finden können. Gerade weil die Beiträge über den Tellerrand der deutschsprachigen Exegese blicken, haben sie das Potential dazu, bisherige exegetische Einsichten zu hinterfragen oder als neue Herausforderung in den Blick zu nehmen – dies desto mehr, als nicht alle Beiträge einfach den Spuren des Geehrten Hendrik Jacob Koorevaar folgen, sondern folgenreich auf eigenen Füßen stehen und dabei reiche Ernte an Kornwaren (= Koorevaar) einfahren und erfahrbar machen, dass das »heilige Herz der Tora« letzten Endes die Gnade ist (Lev 16,17).