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Ausgabe:

März/1996

Spalte:

311–313

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Raschzok, Klaus [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Bilder im Gesangbuch. Beschreibung –­ Kontext –­ Zugänge. Eine Erschließungshilfe zur Ausgabe des Gesangbuches für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern, Mecklenburg und Thüringen. Im Auftrag des Vereins für christliche Kunst in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern e.V., hrsg. unter Mitarb. von E. Bibelriether, H. Herzog, H. Hövelmann, Ch. Metzger, P. Poscharsky, K. Raschzok, G. Reim, B. Seufert u. R. Sörries.

Verlag:

Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mission 1995. 293 S. m. Abb. 8o. Kart. DM 28,-. ISBN 3-87214-267-4.

Rezensent:

Christoph Krummacher

Unter den Ausgaben des neuen Evangelischen Gesangbuchs (EG) stellt diejenige für Bayern, Mecklenburg und Thüringen in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit dar. Mit ihrem Untertitel "Für Gottesdienst, Gebet, Glaube, Leben" versteht sie das Gesangbuch zugleich als ein "Haus-Buch". Der Drei-Farben-Druck, die im Vergleich zur Stammausgabe umfangreichere Beigabe von Texten zwischen den Liedern, der wesentlich andersartige Inhalt der an die Lieder anschließenden Textteile und schließlich die Zugabe von insgesamt 62 Bildern stellen vielfältige Glaubensaufschlüsse bereit, die dem Gesangbuch eine Aufgabe weit über die gottesdienstliche "Kerngemeinde" hinaus geben und nicht zuletzt seine Verwendung im Religionsunterricht im Blick haben. Ob die Vielzahl der "Nebeninformationen" das Maß dessen, was in einem Gesangbuch verkraftbar ist, übersteigen, muß hier nicht diskutiert werden, stellt aber eine häufige Anfrage an diese zweifellos neuartige Gesangbuchkonzeption dar.

Die hier zu besprechende Publikation faßt die 62 Bilder des Gesangbuches zusammen. Ihre Auswahl ist vom Verein für Christliche Kunst in der Ev.-Luth. Kirche in Bayern verantwortet. Nach einem Vorwort des bayerischen Landesbischofs Hermann von Loewenich und einer Einleitung von Peter Poscharsky folgen Betrachtungen der einzelnen Bilder (eingeleitet durch Angaben zu Entstehung, Originalformat, Technik, Sammlung und Standort im EG). Die Vff. der Kommentare bleiben ungenannt. Kurze Künstlerbiographien, ein kleines Lexikon der künstlerischen Techniken, didaktische Hinweise zur Bildbetrachtung, ein Personen-, Bibelstellen- und Sachregister sowie ein Nachwort ergänzen das Buch in knapper, aber hilfreicher Weise. Die "Didaktischen Hinweise" (272 ff.) und das Nachwort (291 ff.) stammen vom Hg. Klaus Raschzok.

Die für das Gesangbuch ausgewählten Bilder, die als Holzstiche, Radierungen, Litographien oder Zeichnungen allesamt im Original schwarz-weiß sind und deswegen "verlustfreier" reproduzierbar sind als es Farbgemälde gewesen wären, ergeben kunsthistorisch eine vom 15. bis zum 20. Jh. reichende Galerie mit deutlichem Schwerpunkt bei der "klassischen Moderne" und durchaus nicht nur zu biblischen Themen. Wiederholt wird darauf hingewiesen, daß die Bildauswahl nicht unbedingt einen Zusammenhang zwischen Bild und nachfolgendem Lied bzw. Liedrubrik intendiert. Dieses Konzept scheint im Gesangbuch selber bisweilen schwierig, da sich dem Benutzer des Gesangbuches die Frage nach der Zuordnung wohl doch unvermeidlich aufdrängt. Dies wird nicht ohne (beabsichtigte?) Verwirrung abgehen, z.B. bei EG 141, 147, 262 oder 494. Die hier vorliegende separate Veröffentlichung eröffnet indes andere Chancen. Sie soll und kann, abgelöst von dem Verweisungszusammenhang im EG, das Medium Bild als ein unverzichtbares, dem Wort korrespondierendes und zugleich eigenständiges Medium einer umfassenderen praxis pietatis erschließen. Man wird den Autoren darin zustimmen müssen, daß wir in unsere Glaubens- und Frömmigkeitstradition das Bild zu wenig beachtet haben. Wir müssen "den Vorgang des Sehens erst wieder neu lernen" (274; vgl. auch 7), übrigens gerade in einer von TV-Bildern geprägten Zeit. Bilder als "Räume für die Gottesbegegnung" (vgl. 11, 275, 293) dem Betrachter zu öffnen ­ das ist das Anliegen der Bildauswahl selber und dieses Buches. Dabei stellen, wie Klaus Raschzok ausdrücklich vermerkt (273), die Bildkommentare keine verbindlichen Interpretationen dar, sondern vielmehr Vorarbeiten für eigene Zugänge dessen, der sich für sich selber in die Bilder vertiefen oder diese in "Unterricht, Erwachsenenbildung oder Verkündigung einsetzen möchte" (ebd.).

Insofern sind die einzelnen Kommentare durchaus kritisch zu lesen, so z.B. der Schluß zu P. Klees "Christuskopf" (39), der durch zu unvermittelte und massive Christologie das Wechselspiel zwischen abstrahierender Darstellung und Verhüllung in Klees Werk zu überspielen droht. Es könnte auch sein, daß der Vf. des Kommentars zu C. D. Friedrichs "Jacobikirche in Greifswald" (81 ff.) zu sehr unsere heutigen Probleme mit einer toten, an den Menschen vorbeiredenden Kirche in das Bild hineingesehen hat, statt auf Friedrichs Vision einer nach oben geöffneten, den Blick freigebenden Kirche, deren äußere Versehrtheit schon fast unwichtig ist, hinzuweisen. Doch dürfte gerade auch die Provokation solchen Widerspruchs und Anders-Sehens in der Absicht des Buches liegen.

Die separate Veröffentlichung dieses Gesangbuchbestandteiles hat ihren Sinn: sie erschließt 62 höchst bedenkenswerte Bilder und stellt ein Proprium dieser Regionalausgabe des EG auch denjenigen zur Verfügung, die normalerweise mit anderen EG-Ausgaben zu tun haben.