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Ausgabe:

Dezember/2012

Spalte:

1402–1404

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Agan, Polykarp Ulin [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Pluralistische Religionstheologie und Mission. M. Beiträgen v. P. Knauer, S. Kusmierz, J. G. Piepke, P. Schmidt-Leukel, H. Sonnemans, B. Stubenrauch, P. U. Agan, H.-W. Wessler.

Verlag:

Nettetal: Steyler Verlag 2011. 190 S. m. Abb. 23,3 x 16,0 cm = Studia Instituti Missiologici Societatis Verbi Divini, 94. Kart. EUR 19,80. ISBN 978-3-8050-0578-4.

Rezensent:

Reinhold Bernhardt

Der Sammelband enthält zum einen Vorträge, die im Rahmen einer Studienwoche gehalten worden sind, die das Steyler Missionswissenschaftliche Institut in Zusammenarbeit mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin vom 18. bis 22. Oktober 2010 veranstaltete. Zum anderen wurden einige Beiträge von Mitgliedern der Projektgruppe »Missionsbegründung auf dem Hintergrund einer pluralistischen Theologie« des Steyler In­stituts aufgenommen.
In der thematischen Einleitung versucht der Herausgeber Polykarp Ulin Agan den »pluralistische(n) Aufbruch und seine Konsequenzen für die Theologie von morgen« (11) zu skizzieren, gelangt dabei aber nicht über die vage Forderung hinaus, dem christlichen Glauben »eine solide philosophisch-theologische Basis zu geben« (22), um ihn in der Auseinandersetzung mit der »Pluralistischen Religionstheologie« vor Identitätsverlust zu bewahren.
Den Reigen der Beiträge eröffnet mit Perry Schmidt-Leukel der renommierteste Vertreter der Pluralistischen Religionstheologie im deutschen Sprachraum. Er bietet darin eine Kurzfassung der Position, die er in seinem Hauptwerk »Gott ohne Grenzen« entfaltet hat, wobei er den Schwerpunkt der Darstellung auf die Diskussion von Einwänden gegen seinen Ansatz legt. Wenn die anderen Beiträger gebeten worden wären, dem Thema des Bandes entsprechend dieses Diskussionsangebot anzunehmen, sich mit den vorgetragenen Argumenten Schmidt-Leukels auseinanderzusetzen und missionstheologische Konsequenzen aus ihren Antworten zu ziehen, hätte der vorliegende Band die religionstheologische Dis­kussion befruchten können. Stattdessen bieten die religionstheologischen Aufsätze zumeist Summarien der Positionsbestimmungen, die ihre Autoren andernorts ausführlicher dargelegt haben. Nicht selten gehen sie dabei von einem Verständnis der Pluralis­tischen Religionstheologie aus, das Schmidt-Leukel gerade zu­-rückgewiesen hatte. Die im Titel angekündigten missionstheolo­gischen Überlegungen treten dabei in einigen Beiträgen weit in den Hintergrund.
Heino Sonnemans stellt zunächst die offiziellen religionstheologischen Stellungnahmen der römisch-katholischen Kirche zu­sammen, unterzieht dann die Christologie John Hicks einer kritisch Diskussion und plädiert schließlich für eine eschatologische Ausrichtung der Religionstheologie auf das »Reich Gottes als ge-meinsames Ziel aller Wege« (76). Peter Knauer präsentiert seinen Ansatz des »Interiorismus«, der den universalen Christus praesens verborgen in den Religionen am Werk sieht, wobei dieser einerseits deren Anhängern Heil im Sinne der Gemeinschaft mit Gott er­mögliche, sie andererseits aber über die Unfähigkeit ihrer Religionen aufkläre, die Absolutheit Gottes mit seiner offenbarenden Selbstvermittlung zusammen zu denken. Auf diese Weise glaubt Knauer, einen religionstheologischen Inklusivismus mit Superioritätsanspruch für den christlichen Glauben und die Kirche vermeiden zu können. Stanislaw Kusmierz ist bemüht, philosophische Begründungsansätze für den religionstheologischen Pluralismus kritisch zu be­leuchten. Bertram Stubenrauch zieht aus der von ihm betonten kenotischen Dimension der Offenbarung als vollkommener Selbstverausgabung Gottes in Christus die Konsequenz, dass der gött­-liche Logos in den Religionen – einschließlich der christlichen – präsent ist, diese aber auch über sich hinaus in die Einheit des allumfassenden Gottes und seines Volkes führt. Missionierung sei daher als »Messianisierung« aufzufassen und zu betreiben.
Während in den religionstheologischen Beiträgen des ersten Teils der Bezug auf die real existierenden Religionsformen kaum eine Rolle spielt, treten nun im zweiten Teil die religionstheolo­gischen Reflexionen ganz zurück. So erscheinen die beiden letzten Texte wie ein lose angehängtes Supplement zu den vorangehenden theologischen Positionsbestimmungen. Einen spannenden Einblick in die Welt afrobrasilianischer Kulte wie vor allem des Candomblé gibt Joachim G. Piepke, der zehn Jahre als Priester und Dozent in São Paulo gewirkt hat. Obwohl er konstatiert, dass kein gemeinsamer Verstehenshorizont zwischen christlichem Glauben und diesen Kulten besteht, plädiert er für »ein respektvolles Miteinander der beiden religiösen Welt- und Gottesbilder« (168). Heinz Werner Wessler zeigt, wie sich im Rahmen und in kritischer Auseinandersetzung mit dem von Paul Hacker sog. »Inklusivismus« als »indischer Denkform« religiöse Selbstverständnisse im Islam, im Sikhismus und in der Dalit-Bewegung formiert haben, und be­schreibt damit religiöse Inklusions- und Exklusionsstrategien in Indien und Pakistan.
Bei dieser Publikation handelt es sich wahrhaft um einen Sammel-Band. Die eingesammelten Beiträge sind kaum aufeinander bezogen und einige nehmen auch auf das Thema des Bandes nur beiläufig Bezug. Dass sie formal nicht durchgehend vereinheitlicht sind, erscheint symptomatisch. Der dringend benötigte weiterführende Diskurs zwischen den vielen Stimmen im religionstheolo­gischen Chor kommt auf diese Weise nicht zustande.