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Ausgabe:

Dezember/2012

Spalte:

1400–1402

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Raming, Ida, u. Iris Müller

Titel/Untertitel:

»Contra Legem« – a Matter of Conscience. Our Lifelong Struggle for Human Rights for Women in the Roman-Catholic Church. Autobiographies, Back-ground Papers, Documents, Future Prospects.

Verlag:

Berlin/Münster: LIT 2010. 4, V, 283 S. m. Abb. 21,0 x 14,6 cm. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-643-10986-6.

Rezensent:

Renate Jost/Tina Binder

»Contra legem – a Matter of Conscience« vereint nicht nur die Übersetzungen der beiden Werke »Unser Leben im Einsatz für Menschenrechte der Frauen in der römisch-katholischen Kirche. Le­bensberichte – Hintergründe – Dokumente – Ausblick« (2007) und »Gleichrangig in Christus anstatt: Ausschluss von Frauen ›im Na­men Gottes‹. Zur Rezeption und Interpretation von Gal 3,27 f. in vatikanischen Dokumenten« (2006), sondern ermöglicht auch die Rezeption der Biographien und Lebenswerke von Iris Müller und Ida Raming sowie deren Einsatz für Priester(innen)ordination über den deutschsprachigen Raum hinaus.
Nach biographischer Vorstellung der beiden Autorinnen stellen sie ihr »Working Together in ›Retirement‹« (71–92) vor und bieten mit einem ausführlichen Appendix (97–170) die Möglichkeit zu nachvollziehendem Selbststudium. Den Abschluss bilden drei Do­kumente der Jahre 1985–2006 (171–276).
»The fact was, that we wanted to take a stand within the Roman Catholic Church against the long-standing grievous discrimination against women.« (89) Dieses Bekenntnis fasst das Ansinnen und die Bestrebungen der beiden sich selbst als katholische Priesterin bzw. Bischöfin bezeichnenden Frauen zusammen. Angereichert durch zahlreiche Bilder und Porträts werden lebendige und leichtverständliche Autobiographien von Müller und Raming dargeboten.
Müller, die im Januar 2011 verstarb, bemerkt bereits als Schülerin ihre Affinität zum römisch-katholischen Gottesdienst und dessen Liturgie, die bereits damals mit der Beobachtung der »subor­dinate role of women at the religious services« (13) einhergeht. Nach 1945 in der sowjetischen Besatzungszone lebend, empfindet Müller die DDR als »one-party dictatorship« (16). 1950 beginnt sie in Naumburg das Theologiestudium, das sie ab 1954 an der Martin-Luther-Universität Halle fortsetzt. 1958 legt sie das Erste Staatsexamen in der Landeskirche Sachsen-Anhalt ab und entscheidet sich – trotz vieler negativer Erfahrungen im Gespräch mit männlichen katholischen Amtsträgern – noch im selben Jahr zur Konversion zur katholischen Kirche. Die großen beruflichen Behinderungen, der Kontaktabbruch evangelischer Lebensbegleiter und die Wahrnehmung als hochmütige Person halten sie nicht davon ab, beim Berufswunsch der Pastorin zu bleiben. Nach der Flucht über West-Berlin 1959 nimmt sie im darauf folgenden Sommersemester das Studium der katholischen Theologie in Münster auf. Es schließt sich eine längere Phase und Suche der beruflichen Orientierung an, die sich immer wieder in der Frage nach dem Zugang von Frauen zum Priesteramt zuspitzt. Mit der Begegnung mit Raming be­schließen die beiden Frauen eine Eingabe an das Zweite Vatika­nische Konzil, in der sie versuchten »[to] refute all of the reasons that had been given for the exclusion of women from the office of priesterhood« (35). Das Studium schließt Müller mit der Promotion ab und lebt von da an von befristeten Hilfskraftstellen an der Fa­kultät, die sie nach einem Arbeitsprozess unbefristet zugesprochen bekommt, wo sie die Spezialbibliothek »Women Across Religions and Cultures« (41) auf- und ausbaut.
Raming, die ihr Leben als Entwicklung hin zur Bekanntschaft mit Müller und zu ihrem gemeinsamen »engagement for fully equal rights of women in the Roman Catholic Church« (47) be­schreibt, wächst in einem kleinen Dorf Nordwestdeutschlands auf. Nach dem Gymnasium, das von franziskanischen Ordensschwes­tern geleitet wird, entscheidet sie sich zum Studium der Theologie und Germanistik in Münster und Freiburg i. Br. Die Frage und Suche nach ihrem geistlichen bzw. beruflichen Ort manifestiert sich immer wieder im Leiden unter der Unmöglichkeit der freien Entscheidung zwischen dem Priester- und Lehrberuf. Durch die Begegnung mit Müller erhält sie den Impuls und wird in ihrem Wunsch, Priesterin zu werden, bestärkt. Nach ihrem Staatsexamen 1963 in Theologie und Germanistik entscheidet sie sich zur Dissertation zum Ausschluss der Frauen aus dem Priesteramt, die vielfach rezipiert, aktualisiert und übersetzt wurde. Gemeinsam mit Müller gründet sie im Anschluss an den Katholikentag 1986 die hierarchieunabhängige Organisation »Maria von Magdala. Initiative Gleichberechtigung für Frauen in der Kirche e. V.«, um auch dort ihre persönlichen und theologischen Erfahrungen wie Er­kenntnisse einzubringen. Nach der Neuorientierung des Vereins wird sie immer mehr in der Einsicht bestärkt, dass »progress for women in this church probably […] only through ›illicit‹ ordination ( contra legem)« (68) zu erreichen sei. Diesen Akt vollzieht sie 2003, im Juni 2006 wird Raming schließlich zur Bischöfin ordiniert und kann wenig später drei weitere Frauen zu Priesterinnen ordinieren.
Ihr gemeinsames internationales Interesse und Engagement in der »Women’s Ordination Conference« wird auch durch das Apos­tolische Schreiben »Ordinatio Sacerdotalis« (1994) nicht gemindert. So entscheiden sich Müller und Raming, »in prophetic obedience to God […] to rise up publicly against a law discriminating against women« (77), und werden am 29.06.2003 mit fünf weiteren Frauen zu Priesterinnen ordiniert. Auch die angedrohte Exkommunikation lässt keine der Frauen die geforderte Reue oder den erwarteten Widerruf leisten; 2007 werden alle sieben exkommuniziert. Diese sieben Frauen verstehen sich selbst als »thorn in the side of the Roman Catholic Church« (83). So schildern sie im Anschluss nationale und internationale Zustimmungsbekundungen zu ihrer Or­dination.
Der Anhang, der »important supplement« (99) zu den Lebensberichten Ramings und Müllers bildet, besteht aus der »now seldom unavailable to the public« (99) Schrift »We Won’t Be Silent Any Longer!« (1964) und Reaktionen vatikanischer Stellen und deutscher Bischöfe darauf. Daran schließen sich Briefwechsel zwischen Raming und Ratzinger sowie Müller und Rahner/Lehmann an, die ausgewählte Beispiele der umfangreichen Korrespondenz zwischen 1963 und 2006 darstellen. Exemplarische Beispiele zeigen im Weiteren, »how differently the Roman Catholic Church treats men and women in the case of conversion to Catholicism« (99.161–170). Daran schließen sich bereits veröffentlichte Dokumente aus den Jahren 1985–2006 an. Alle Dokumente werden ansprechend und zitierfähig dargeboten, so dass sich ein selbständiges Quellenstudium ausgesprochen einfach gestaltet. Nach der Vorstellung be­deutender Artikel werden ausgewählte Bibliographien von Raming und Müller dargeboten. Überblickt man die Veröffentlichungen von Müller und Raming, zeigt sich schnell das zu würdigende Lebenswerk der beiden Theologinnen und ihr engagiertes, nicht nur publizistisches Eintreten gegen die Diskriminierung der Frau in der römisch-katholischen Kirche und deren Ausschluss vom Priester(innen)amt.
Abschließend kann konstatiert werden, dass hier mit den einfach gehaltenen und authentischen Lebensdokumentationen von Müller und Raming eine Dokumentation und Quellenzusammenschau vorliegt, die aufgrund ihrer leichten Verständlichkeit und ihrer teilweisen Niederschwelligkeit Menschen aller Lebensbereiche zugänglich und nachvollziehbar ist.