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Ausgabe:

Dezember/2012

Spalte:

1392–1393

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Schwaetzer, Harald, u. Marie-Anne Vannier [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Zum Subjektbegriff bei Meister Eckhart und Nikolaus von Kues.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2011. 156 S. 23,0 x 15,5 cm = Texte und Studien zur europäischen Geistesgeschichte. Reihe B, 2. Kart. EUR 32,00. ISBN 978-3-402-15987-3.

Rezensent:

Udo Kern

Harald Schwaetzer sagt mit Recht: »Die eckhartsche Mystik macht […] deutlich, dass das Handeln eines Menschen, der sein Irdisches gelassen hat, in Übereinstimmung mit dem Göttlichen erfolgt, so dass Gott in diesem Menschen handelt oder erkennt, ohne dass dessen Individualität aufgehoben wird.« (14) Ausgangspunkt des endlichen Bewusstseins sei bei Eckhart und Cusanus das Einholen von dessen transzendentaler Verfasstheit. Eckhart – so Marie-Anne Vannier – »privilegiert das Subjekt, welches er der Person annähert, im Hinblick auf seine Identität und […] Originalität.« (19) Das Ich bei Eckhart, meint Yves Meessen, definiere er inklusiv in Respekt vor dem Gegenüber. Das göttliche Ich stelle das menschliche Ich christologisch verifiziert in wahrer Identität dar. Eckhart sage uns mit Augustin – so Jean Devriendt –, »dass das Subjekt, das Ego, im Verb enthalten« (47) sei. Nach Maxime Mauriège »subjektiviert« Eckhart Gott niemals, »denn das Sein eines jeden Subjektes hängt von Gott ab und ist ihm nachgeordnet in derselben Weise, wie alle Akzidenzien« dem sie inhärienden Subjekt »nachgeordnet sind«. Ontologisch gesehen diente die eckhartsche Subjektivität allein dazu, »die Inhärenz, […] Abhängigkeit und die Nachgeordnetheit der Geschöpfe gegenüber Gott zu erläutern, von dem sie ihre Form und ihr Sein empfangen« (61).
Harald Schwaetzer meint, dass mit Cusanus eine Wende im Verständnis des Transzendentalen geschehen sei: Rang man »vor Cu­sanus um ein Verständnis des Transzendentalen vom Transzendenten«, so gewann nach Cusanus ein »reiner Begriff des Transzendentalen ohne Bezug zur Transzendenz zunehmend an Einfluss für das Subjektivitätsverständnis« (74). Für Isabelle Mandrella ist das Subjekt bei Cusanus die freie und intellektuelle Natur. Metaphysischen Grund in der Gottebenbildlichkeit habend komme dem Menschen Freiheit und Würde zu. Leugnen wir Menschen gemäß Cusanus (De vis. c 8 [h VI n. 28]) »Gott als den absoluten Ermöglichungsgrund von Freiheit«, dann sind wir »›nicht etwa freie Kinder in eigner Machtvollkommenheit (in nostra poteste)‹, sondern in die unheilvolle Knechtschaft eines Gott entgegengesetzten Fürsten geraten« (82). Cecilia Rusconi, die sich mit der kusa­-nischen Mathematik beschäftigt, sagt, dass für den Cusaner die quidditas rerum grundsätzlich unerkennbar sei. Werde jedoch die Zahl als Urbild der Begriffe angenommen, dann abstrahiere die Mathematik die quidditas notionum, nicht die Form Dinge. In je­nen könne der endliche Geist des Menschen als Abbild des unendlichen Geistes zur Erkenntnis kommen. Für Cusanus gelte nach Klaus Reinhardt, dass »die sinnliche Welt ein Bild des inneren Menschen« ist, also »der vom Geist geleiteten menschlichen Seele« (109). Für Cusanus und Luther gelte nach Jean-Claude Lagarrigue hinsichtlich ihrer Interpretation der Himmelfahrt: Diese »markiert in jedem Fall […] die Beförderung einer Menschlichkeit, die einen Zustand der immanenten und transzendenten Präsenz des Schöpfers in seiner Schöpfung erreicht« (117 f.). Ernst Cassirer sieht nach Kirstin Zeyer bei Cusanus einen »Prozess, der auf die Herausarbeitung der theoretischen Grundlagen und Bedingungen des Begriffs der ›Subjektivität‹ hinzielt« (140). »Im Bildungsbegriff« sei bei Cusanus nach H. Schwaetzer »Intellekt und Subjekt verschränkt«. Das Kernstück dieser kusanischen Deutung sei eindeutig »die – von Eckhart beeinflusste – Vorstellung des Menschen als viva Dei« (147).
Die kurzen Studien zum Subjektbegriff bei Meister Eckhart und Nikolaus von Kues in dem rezensierten Band sind – wie auch zu Recht in einigen Beiträgen gesagt wird – nicht als vollständige Studien zum Subjektbegriff bei den beiden Denkern zu sehen. Sie bieten jedoch einen nützlichen Schlüssel, sich diesem Begriff zu nähern.