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Ausgabe:

Dezember/2012

Spalte:

1378–1379

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Isermann, Gerhard

Titel/Untertitel:

Helden, Zweifler, Versager. Das Pfarrerbild in der Literatur.

Verlag:

Hannover: Lutherisches Verlagshaus 2012. 128 S. 20,5 x 12,5 cm. Geb. EUR 16,90. ISBN 978-3-7859-1072-6.

Rezensent:

Eduard Lohse

Dieses kleine Büchlein ist mit überquellendem Inhalt gefüllt und breitet eine beeindruckende Fülle fein geschliffener Mosaiksteinchen aus, die zu einem großen Bild zusammengefügt werden: dem Pfarrerbild in der Literatur. Gerhard Isermann, selbst emeritierter Pfarrer, hat mit kundigem Blick die Literatur der letzten 200 Jahre durchmustert, um zu erheben, in welcher Weise darin jeweils von Pfarrern die Rede ist. Dabei werden die Grenzen der Konfession und Länder bewusst überschritten, um eine möglichst umfassende Breite zu gewinnen. Jedem Buch wird ein kurzer Bericht von einer halben bis ganzen Seite gewidmet, um mit kritischem Urteil und knappen Worten das darin entfaltete Pfarrerbild zu würdigen.
Über 150 Pastorenbücher hat der Vf. gemustert und sich »be-müht, alle Texte zu erfassen, die in Aufsätzen und Lexikonartikeln zum Thema ›Pfarrerbild in der Literatur‹ genannt werden« (5). Der Bogen unterschiedlicher Urteile reicht von hoher Verehrung, wie sie »Helden« entgegengebracht wird, über Zweifler bis hin zu Versagern, die an ihrer Aufgabe scheiterten. Oft ist das Interesse auf Zweifel, Ungenügen oder Missraten gerichtet. Dabei werden vielfach von außen kommende Ursachen in den Blick genommen: Alkohol, Sexualität, misslungene Lebensführung, aber auch An­sprüche der Gemeinden, die ihren Pfarrer bzw. ihre Pfarrerin überfordern.
Der negativen steht die positive Seite gegenüber: Der Pfarrer kennt die Sprache der Gemeinde und versteht sie zu treffen – er weiß Menschen in Not hilfreich zur Seite zu stehen – er tritt für das Ethos seines Berufes auch gegenüber »Oberen« ein. Doch verschiedentlich ist in der Literatur kein wirkliches Verständnis für die Besonderheiten des Pfarrerberufes aufgebracht worden und sind daher »manche Darstellungen von Pastoren indiskutabel« (106 ff.). In allen Fällen begründet der Vf. sein Urteil und bietet damit dem Leser förderliche Verstehenshilfen. So kann die sorgfältig dokumentierte Übersicht, die er ausbreitet, auch manche Leseempfehlung bieten, der man gerne folgen wird.
Besonders bewegend sind autobiographische Texte, in denen selbst durchlittene und durchgehaltene Erfahrungen schlicht erzählt werden: Albrecht Goes’ »Unruhige Nacht«, die er im Rück-blick auf schwere Erlebnisse als Kriegspfarrer schildert – Helmut Gollwitzer mit seinem kritischen Bericht über bitteres Leiden in der Kriegsgefangenschaft – oder auch Jochen Kleppers Tagebuch aus den Jahren 1932–1942. Aber auch Berichte von Pfarrerskindern, die sich im Elternhaus mit dem Dienst eines Pfarrers konfrontiert sahen, vermitteln nachdenkenswerte Schilderungen. Der aufmerksame Leser wird diesen Darstellungen eigene Erfahrungen vergleichend gegenüberstellen und sich seinen Reim darauf machen.
Für Theologen und Pfarrer kann die reichhaltige Sammlung auch gleichsam als Beichtspiegel dienen und zu nachdenklicher Besinnung über den eigenen Lebensweg anhalten. Darüber hinaus aber wird deutlich, dass bis in die Gegenwart auf den Beruf des Pfarrers besondere Aufmerksamkeit gerichtet wird. Dabei geht es nicht nur um Gelingen oder Missraten einer herausgehobenen Berufsgruppe, sondern durchaus um ganz unterschiedliche Versuche, der Botschaft des Evangeliums auf die Spur zu kommen.
Eine beiläufig gemachte Bemerkung des Vf.s sei nachdenklicher Beachtung empfohlen: »Ich habe« – so sagt er – »keinen Roman ge­funden, in dem von einem Pastor oder einer Pastorin die Ergebnisse kritischer Theologie so dargestellt werden, dass auch konservative Gemeindeglieder sich diese aneignen und sie konkret erfahren könnten, dass sie den Glauben durchaus vertiefen können. Die Ge­meindeglieder haben aber einen Anspruch darauf, dass die Ordinierten ihnen das zu vermitteln versuchen.« (37) Das Pfarrerbild, wie es aus der Literatur zu gewinnen ist, ist somit noch nicht fertiggestellt, sondern bedarf weiterer Aufmerksamkeit, um noch den einen oder anderen Querstrich oder Farbtupfer darauf zu setzen.