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Ausgabe:

Dezember/2012

Spalte:

1375–1376

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Bubmann, Peter, u. Konrad Klek [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Davon ich singen und sagen will. Die Evangelischen und ihre Lieder.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2012. 232 S. m. Abb. 19,0 x 13,5 cm. Geb. EUR 19,80. ISBN 978-3-374-02993-8.

Rezensent:

Jörg Neijenhuis

Im Rahmen der Reformationsdekade hat die EKD das Jahr 2012 dem Thema »Reformation und Musik« gewidmet. Dieses Buch zeigt auf, wie die Reformation auch als Singbewegung verstanden werden kann, die Wirkung ist bis heute zu sehen: Die Hälfte aller Chöre in Deutschland sind evangelische Kirchenchöre. So ist es naheliegend, nicht in wissenschaftlich-akademischer Diskursart, sondern in bewusst verständlicher, alltagsgemäßer Weise mit 14 Beiträgen das reformatorische Erbe des Singens nachzuzeichnen. Auf diese Weise können sich Lesende, die sich in der Materie fachlich nicht auskennen, einen guten Eindruck dieses Erbes verschaffen; sie können sich darauf verlassen, dass das hier Dargelegte wissenschaftlich verantwortlich – also gut reformatorisch im Sinne einer allgemeinen Bildungsverantwortung – erarbeitet worden ist.
Behilflich ist, dass zum Singen und Sagen die jeweiligen ge­schichtlichen Kontexte erklärend herangezogen werden, wie und warum sich das Singen, also seine musikalischen und textlichen Ausdrucksweisen, geschichtlich verändert hat oder warum es – wie in der Reformationszeit – die Reformationsgeschichte mitgestaltet hat. Beigegeben sind Quellen, wie z.B. Notenbeispiele oder Vorwortauszüge aus Gesangbüchern oder Faksimiles, so z. B. das Titelblatt des Babstschen Gesangbuchs von 1545.
Einige Beiträge dieses Buches bieten ausführliche Liedexegesen, z. B. über das Lutherlied Ein feste Burg ist unser Gott, das inhaltlich und musikalisch erschlossen und in seiner Verwendung und Wirkung bis in die Gegenwart dargestellt wird. Das gilt ebenso für weitere »Klassiker« wie Lobe den Herrn, den mächtigen König, Stille Nacht, heilige Nacht oder Danke für diesen guten Morgen. Die anderen Beiträge nehmen sich unterschiedlicher Themen an: In das reformatorische Singen wird eingeführt unter der Maßgabe, dass es sich dabei (auch) um einen öffentlichen Protest handelte. Aufgezeigt wird, dass Gesangbücher Medien sind, die ein Sammeln und Sichten von Liedern darstellen, und dass durch sie gewissermaßen ein Liedkanon, der bis in unsere heutige Zeit reicht, ge­schaffen wurde. Am Beispiel des Genfer Psalters kann dargestellt werden, dass eine Kanonisierung dem gemeinschaftlichen Singen nicht unrecht sein wird, wenn denn auch zukünftig gemeinsam gesungen werden soll – hier wird deutlich gegen das allzu individualisierte oder nur auf eine Gemeinde bezogene Singgut gesprochen. Am Singen des Barock ist gut ablesbar, wie sich die Individualisierung vom kirchlichen Wir zum gemeindlichen oder gar individualen Ich entwickelte, was zu ganz intimen Aussagen geführt hat, die sich bis heute in der Jesus-Frömmigkeit des Pietismus behauptet haben. Dass in Zeiten der Aufklärung wesentliche Inhalte auch des Liedguts der Zeit­erkenntnis »angepasst« wurden, ist keine Ausnahmeerscheinung, sondern fügt sich in die kirchlichen Zeitläufte ein. Die zunehmende Säkularisierung wird am geistlichen Volkslied des 19. und 20. Jh.s deutlich und daran, wie diese sich wiederum auf das Kirchenlied und das Singen im kirchlichen Kontext auswirkte. Auch das breite Bevölkerungsschichten umfassende Chorsingen wird in Bezug auf das Singen an sich gewürdigt, ebenso das populäre Singen, wie es sich im Neuen Geistlichen Lied dokumentiert. Hier wird den Ur­sprüngen dieser neuen Stilrichtung nachgegangen. Zuletzt werden Überlegungen dargelegt, wie es um das Singen im Protestantismus heute bestellt ist und wie es weitergeht. Dass die große Be­wegung des Singens sich im Popbereich bewegt, ist wohl kaum jemandem verborgen geblieben, hinzutreten die sich weiterentwickelnden individualisierenden Lebensstile und Musikgeschmäcker, die das Singen an sich zwar nicht behindern – gesungen wird ja fast überal l–, wohl aber in kirchlichen milieuübergreifenden Ge­meinschaften erschweren können. Lösungen werden nicht vorschnell angeboten, aber es wird doch registriert, wie kirchliche Or­gane mit Strategien (z. B. einer Kernliederliste) darauf zu reagieren versuchen. In jedem Fall steht der Protestantismus, was das Singen angeht, vor neuen Herausforderungen (und wohl nicht nur in dieser Hinsicht). Eine überschaubare Literaturliste ist jedem Beitrag angefügt.