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Ausgabe:

November/2012

Spalte:

1271–1273

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Christine, Noormann, Harry, Lamprecht, Heiko, u. Martin Schmidt-Kortenbusch [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Zukunftsfähige Schule– Zukunftsfähiger Religionsunterricht. Herausforderungen an Schule, Politik und Kirche.

Verlag:

Jena: IKS Garamond 2011. 175 S. m. Abb. u. Tab. 21,0 x 13,5 cm. Kart. EUR 18,90. ISBN 978-3-941854-50-5.

Rezensent:

Andrea Schulte

Die Publikation verortet sich im Kontext gegenwärtiger Neuorientierung und Neujustierung von Schule und Unterricht. Sie dokumentiert die Beiträge eines Kongresses, den die Herausgeber mit initiiert und Ende 2010 ausgerichtet haben, und ist Hans-Georg Babke zum 60. Geburtstag gewidmet, der sich in der religionspädagogischen Landschaft Niedersachsens einen Namen gemacht hat.
In einem ersten Teil widmen sich vier Beiträge namhafter Erziehungswissenschaftler dem Thema »Zukunftsfähige Schule«. Dass es sehr viel und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zur zukunftsfähigen Schule zu sagen gäbe, versteht sich von selbst. So treffen die Autoren eine plausible Auswahl, um die gesamtgesellschaftliche, bildungspolitische und schultheoretische Brisanz der Gestaltung der zukunftsfähigen Schule aufzuzeigen. Schule, Politik und Ge­sellschaft sind herausgefordert, den Anspruch der Bildungsgerechtigkeit zu erfüllen, denn noch immer führt das gegenwärtige deutsche Schul- und Bildungssystem nachweislich zur sozialen Un­gleichheit. Sie haben sich um wichtige Schlüsselqualifikationen der jungen Generation zu kümmern, die zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Schule unerlässlich sind, und sich in besonderem Maße der pädagogischen Herausforderung der Inklusion zu stellen, die ohne politische Entscheidungen nicht zu haben ist. Last but not least wird die Diskussion über verbesserte Unterrichtsqualität durch innovative Methoden zur kollegialen Unterrichtsreflexion zu befördern sein.
Die Zukunftsfähigkeit der Schule ist der institutionelle Voraussetzungsrahmen des zukunftsfähigen Religionsunterrichts, dem in einem zweiten Teil sechs Beiträge renommierter Religionspädagogen gewidmet sind. Schule, Politik und Kirche sind insbesondere von der gesellschaftlichen Wirklichkeit religiöser Heterogenität herausgefordert. Vor diesem Hintergrund hat ein zukunftsfähiger Religionsunterricht 1. ein schultheoretisch begründeter Religionsunterricht zu sein, der um die klare Unterscheidung von religionsbezogener und religiöser Bildung weiß, und 2. konsequent im Blick auf seinen Beitrag zur Allgemeinbildung aller (!) Schüler und Schülerinnen begründet und gestaltet zu sein. Die zu Wort kommenden Religionspädagogen sprechen sich durchweg für ein Organisationsmodell aus, das die Formen des konfessionellen Religionsunterrichts als ordentliche und eigenständige Unterrichtsfächer in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaften als Teile einer kooperationsoffenen und kooperationsbereiten Fächergruppe »Religion – Philosophie – Ethik« verbindet und zwischen Integrations- und Differenzierungsphasen zu unterscheiden vermag. Gerade auch für die von Konfessionslosigkeit geprägte ostdeutsche religiöse Situation wird ein dialogoffener Religionsunterricht in einer Fächergruppe ein Zukunftsmodell für die ostdeutsche Schule in der pluralen Gesellschaft sein können.
Der Titel des Bandes weckt die Erwartung einer stärkeren Zu­sam­menschau von Schule und Religionsunterricht. Trotz der alle­samt interessanten und diskussionswürdigen Einzelbeiträge stehen die Überlegungen zur zukunftsfähigen Schule im ersten Teil doch eher unvermittelt neben denen zu einem zukunftsfähigen Religionsunterricht im zweiten Teil. So bleibt die Frage außer Acht, wie sich der Religionsunterricht an den dargestellten pädagogischen Vorschlägen zur Struktur- und Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht beteiligen kann. Auf der anderen Seite ist die von den religionspädagogischen Beiträgen ausgehende Motivation, die seinerzeit in der EKD-Denkschrift »Identität und Verständigung« entwickelte Fächergruppe gleichsam als ein zukunftsfähiges Modell »Fächergruppe 2.0« unter den aktuellen Bedingungen religiöser Pluralität fortzuschreiben, nicht zu unterschätzen. Die dafür notwendigen Pilotprojekte und wissenschaftlichen Untersuchungen, wie Phasen des gemeinsamen, dialogisch-interreligiösen Lernens mit Phasen des positionsspezifischen Lernens zu kombinieren wären, könnten dann auch Aspekte der Bildungsgerechtigkeit, Inklusion, Schlüsselqualifikationen und verbesserter Unterrichtsqualität integrieren.