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Ausgabe:

November/2012

Spalte:

1219–1221

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Spener, Philipp Jakob

Titel/Untertitel:

Briefe aus der Frankfurter Zeit 1666–1686. Bd. 5: 1681. Hrsg. v. J. Wallmann in Zusammenarbeit m. K. vom Orde.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2010. XXXIV, 770 S. gr.8°. Lw. EUR 189,00. ISBN 978-3-16-150490-7.

Rezensent:

Dietrich Blaufuß

Das Spener-Projekt hat in rund 30-jährigem Einsatz seit Anfang 1985 von den 20 Jahren der Frankfurter Wirksamkeit Speners (1666–1686) zwei Drittel bearbeitet. Johannes Wallmann zeichnet noch verantwortlich (2009 die Weitergabe an U. Sträter ankündigend), auf dem Titel ist – recht und billig – Klaus vom Orde mit genannt. Die Ausgabe hat noch gut die Hälfte vor sich. Die Jahre 1689 bis Anfang 1705, enthaltend die über 1.100 Briefe an und von Adam Rechenberg (Leipzig) 1686–1702, sind noch zu bewältigen – samt den vor 1667 liegenden Schreiben. Die Voraussetzungen dafür sind bestens; die beiden anderen Spener-Ausgaben 1979 ff. bzw. 1996 ff. sind nahezu vollendet.
Der Band 1681 enthält 158 Briefe und ein Gutachten, obwohl ursprünglich nur Briefe in die Edition Aufnahme finden sollten. Sie gewährt dann aber auch einem den Umfang und Charakter einer eigenen Schrift annehmenden Brief Raum (Nr. 123). In einem anderen Fall wird der an Speners ablehnendem Minderheitenvotum zu verbotenen Eheschließungen interessierte Rechtshistoriker das Weglassen der einschlägigen Gutachten (»responsum«) zu der Oettingischen Heiratssache bedauern (freilich die Texte greifbar in Spener: Schriften 12 [Theol. Bedenken 2. 1701]/2. 1999, 534–545 [corrige J. Wallmann, Vorwort, XIII; 502 Anm. 1 korrekt]). Ein drittes »responsum« aus diesem Kontext von sieben Stücken wiederum fand Aufnahme (502–508, Nr. 110). Hier wird pragmatisch entschieden. Die Problematik der in Briefform gestalteten Gutachten bzw. der Gutachtencharakter annehmenden Briefe ist hinsichtlich editorischer Entscheidungen keineswegs »überholt« (wie der Herausgeber jüngst meinte, ThR 76, 2011, 314; D. Blaufuß, Korrespondierender Pietismus, 2003, 399–403.409). Moderne Editoren können Inhalt, Umfang und Gattung von historischen Briefen nicht nachträglich normieren!
Der Umfang der Ermittlung von Empfängern der oft anonymisierten Schreiben ist für 1681 unauffällig: nicht herausgefunden 52, ermittelt 56 bzw. 60 (wiederholt aus den leider nicht mit veröffentlichten Regesten der Drucke 1700/1711), schon bekannt gewesene Empfänger 46. Mit dem Löwenanteil von 132 Schreiben aus den gedruckten Sammlungen von 1700/1711 erweist sich erneut die bleibende Bedeutung dieser von Spener nur zum kleinsten Teil historisch verstandenen Veröffentlichung. Acht weitere Veröffentlichungen von 1683 bis 1861 bieten nur zwei neue Schreiben. ›Neu‹ (zugänglich) sind die 26 handschriftlichen Briefe (17 lateinische), vielfach bekannt, in der Forschungsliteratur verwendet (J. W. Petersen: P. Schicketanz 1961, M. Matthias 1993; G. Spizel: Paul August Max Ritter [1872–1954] 1908, W. Schmidbauer 1938, D. Blaufuß 1971 und 1977, 1980).
Bei der Würdigung des Inhalts des Bandes wird der Rezensent hinter dem Herausgeber, dem besten Kenner des gesamten Materials, zurückstehen. Der Herausgeber gibt einen sehr instruktiven, konzentrierenden Einblick in die Gesamtlage um das Jahr 1681 und stellt das Briefmaterial gezielt zuspitzend vor (V f.VI–XIII). Dies abermals zu kürzen, brächte Verkürzungen mit sich; es bleibt bei dem als monitum zu verstehenden Hinweis (XIII) auf die Geduld erfordernde Ganzlektüre der Texte (samt Kommentar!). Sie ist nicht zu ersetzen durch die Einleitung, Regesten, Sachregister, freilich – viertens – erheblich zu erleichtern durch die ja nötigen Übersetzungen der lateinischen Stücke. Dieser Aufgabe wird sich die vorliegende Edition für ihre – in dem anzuzeigenden Band über 40 – lateinischen Stücke auch nicht aus hehren Gründen wissenschaftlichen Standards entziehen können. Es würde der Zugang nicht nur zu gelehrten, gar nur theologischen Briefpartnern erschwert bleiben. Auch Beamte, Juristen, Regierende, Briefpartner im Ausland erhalten von Spener lateinische Schreiben. Es betrifft hier den Kieler Theologen Chr. Kortholt, den Rudolstädter Kanzler Ah. Fritsch, den Augsburger Geistlichen G. Spizel, den Eutiner General-Superintendenten J. W. Petersen (»eine Hauptquelle für die frühe Geschichte des Pietismus«, VI). Das wird die selbstredend gut zugänglichen deutschen Quellen nicht in den Hintergrund treten lassen, die z. B. Zeitz »als frühes Zentrum des Spenerschen Pietismus« in Erscheinung treten lassen (VII) oder zu so wichtigen und interessanten Gestalten wie Friedrich Breckling, J. G. Gichtel und V. L. von Seckendorff führen. Die Vielfalt von Speners Briefen – nicht weniger als neun ›Gattungen‹ sind in Spener: Schriften 15/1, 22* und 16/1, 11* f. angeführt – zeigt sich auch für 1681, wo Spener auf den von vielen aufmerksam registrierten, erfolgreich abgewehrten, in der Sache nicht ungefährlichen Angriff J. C. Dilfelds auf seine (Speners) Rechtgläubigkeit zurückblicken konnte.
Die Empfängerzuweisungen sind nur vereinzelt zu diskutieren (vgl. 679, Anm. 1). Datumsfestlegungen und -korrekturen, kritisch erstellte Textfassung (oft auch unverändert gegenüber den alten Drucken), begründender, erläuternder und darstellender Kommentar sind die entscheidende Hilfe zum Verstehen. Neun Beigaben bieten die nötigen Hilfen zum Weg in die Texte. Aufs Ganze gesehen ist das sorgfältig und sachverständig gearbeitet.
Versehen begegnen in normalem Umfang. Zu fragen bleibt vor allem, wann endlich in einer Spener-Ausgabe die beiden anderen Spener-Editionen korrekt zitoert werden. Hier (XXXII) häufen sich unter »Spener« Unrichtigkeiten, Ungenauigkeiten, Versehen und Auslassungen. Insgesamt bleibt das dreifache necessarium desiderium an: Sachregister, Übersetzungen und gründlichere Behandlung der Gegenbriefe.