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Ausgabe:

Januar/1999

Spalte:

23–25

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Sanders, James A.]

Titel/Untertitel:

The Quest for Context and Meaning. Studies in Biblical Intertextuality in Honor of J. A. Sanders. Ed. by C. A. Evans, and S. Talmon.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1997. XXXIX, 671 S., 1 Porträt. gr.8 = Biblical Interpretation Series, 28. Lw. hfl. 345,-. ISBN 90-04-10835-1.

Rezensent:

Stefan Schreiner

Eingerahmt von Preface, Abbreviations und List of Contributors (IX-XX) sowie Curriculum Vitae des Jubilars (XXI-XXIV) und Bibliographie seiner Schriften (XXV-XXXIX) einerseits und Indices of Ancient Writings und of Modern Authors (641-671) vereint die ihm gewidmete hier anzuzeigende umfangreiche Festschrift insgesamt 32 Beiträge, die den Worten der Herausgeber zufolge alle "around topics that have been of special interest" des Jubilars kreisen, nämlich um das, was mit den Worten "text, canon, and intertextuality of the Bible, the Dead Sea Scrolls, and early Jewish and Rabbinic interpretation" angezeigt ist. Wie den Jubilar bei seinen diesbezüglichen höchst vielfältigen eigenen Studien allenthalben die Frage nach der Weise beschäftigte, "sacred tradition, oral and written, is called upon and interpreted in the light of new situations in the life of believing communities", so bildet nach den Worten der Herausgeber auch hier genau diese Frage den roten Faden, der sich durch alle in der Festschrift versammelten Beiträge hindurchzieht. Den genannten topics entsprechend, sind die einzelnen Beiträge der Festschrift fünf thematisch verschiedenen Teilen zugeordnet. Wenn im folgenden nicht auf alle in gleicher Ausführlichkeit eingegangen werden kann, so deshalb, weil allein schon ihre bibliographisch exakte Auflistung über den hier gesetzten Umfang hinausgehen würde.

Der erste Teil umfaßt sieben Beiträge zum ’First Testament’:

F. A. Spina beleuchtet die Jakob-Esau-Geschichten der Genesis im Lichte der zahlreichen prophetischen Anti-Edom-Texte (3-25). - R. Rendtorff deutet Samuel (Person und Bücher) als "link between Moses and the Kings" (27-36). - R. Davidson erkennt in Jes 49,22-26; Jes 31,3 und 37,27 sowie Jes 28,1-4 drei ’innerjesajanischen Zugänge’ zur Deutung von Jes 40,6-8, die sowohl für die weitere innerbiblische als nachbiblische jüdische wie christliche Auslegung des Bildwortes maßgebend gewesen sind (37-55). - J. Milgrom ist der Nachweis gelungen, daß Ezechiel von Lev 26,3-39 ’geborgt’, also diese Perikope (’as is now preserved in the MT’) gewiß gekannt hat (57-62). - Mit Hinweis auf Jes 52,13-53,12 sieht A. S. van der Woude in Dan 11,40-12,3 ’a moving testimony of firm belief which was not based on sheer imagination but on what the author thought to be reliable predictions and authoritative data’ (63-73). - Einer erneuten minutiösen semantischen Analyse unterzieht Sh. Talmon Begriff und Wortfeld von salo m (75-115). - R. P. Knierim schließlich erwägt ein Programm ’on biblical theology’ (117-128).

Der zweite, den ’Dead Sea Scrolls’ gewidmete Teil beginnt mit E. Tovs Versuch, aus den in den Rollen bezeugten ’scribal practices’ Erkenntnisse für deren Entstehungszeit und -ort zu gewinnen (131-152).

L. H. Schiffman befaßt sich mit dem Problem der Nicht-Juden in den Rollen vom Toten Meer (153-171). - P. F. Flint legt eine ’preliminary edition of 4QPse’ vor (173-195). - J. H. Charlesworth dokumentiert den ’intertextual use of Isa 40:3 in the Qumran Community’ und zeigt am Beispiel des Selbstverständnisses der Gemeinschaft von Qumran, ’how Jews lived with a living text’ (197-224). - Die Auslegung von Jes 61,1-3 in 4Q521 Fragm. 2 ii als Form einer Textaktualisierung ist Gegenstand der Untersuchung von J. J. Collins (225-240). - Der vergleichenden Untersuchung zweier Formen von ’rewritten Bible’ widmet sich J. C. Vanderkam am Beispiel der cAqeda nach Jub 17-18 und ’Pseudojubilees’ 4Q225 (241-261). - Und K. E. Pomykala versucht das ’Scripture Profile’ von 1 Hen 1-36 zu erstellen (263-284).

Grundfragen der Text- und Kanonproblematik werden im dritten Teil aufgegriffen:

L. M. McDonald geht der Frage nach ’origin, adaptability, and stability’ des Ersten Testaments nach mit dem Ergebnis, daß es bis zum ersten Jahrhundert ’no single normative Judaism with a universally fixed and accepted Scripture’ gegeben hat (287-326). - Die Wechselbeziehung zwischen Text und Kanon einerseits und jeweiliger ’Gruppenidentität’ der Tradenten eines Kanons andererseits thematisiert E. Ulrich (327-342). - Mit dem Zusammenhang von ’biblical authority, canonical criticism, and generative exegesis’ beschäftigt sich B. Chilton (343-355). - E. E. Lemcio fragt nach einer ’kerygmatic centrality and unity in the First Testament’ (357-373), ohne freilich schon eine schlüssige Antwort darauf parat zu haben. - Dem Problem der Veränderung eines traditum (Textes) im Prozeß der traditio (Auslegung) ist P. E. Dinter’s ’The Once and Future Text’ überschriebener Essay gewidmet (375-392). - Textkritik als eine ’historical discipline’ verstehen zu lernen, ist Anliegen von A. Rofé, indem er an einigen biblischen Texten und deren Wiedergabe in LXX oder Qumran zeigt, daß und wie sog. ’secondary readings’ auf veränderte historische und/oder ideologische Verhältnisse zurückzuführen sind (393-402). - J. Cook erkennt in der bewußten Verwendung von Gegensatzformulierungen in der griechischen Übersetzung (LXX) der Proverbien eine spezielle Übersetzungstechnik der LXX (403-414).

Im vierten Teil sind fünf Aufsätze vereint, deren gemeinsamer Nenner die Rezeption des ’Ersten Testaments’ im ’Zweiten’ ist.

C. A. Evans versucht in minutiöser Untersuchung zu klären, wie die jesuanische Kritik am Tempelestablishment am Ende dazu geführt hat, daß aus dem ’Bethaus für alle Völker’ (Jes 56,1-8) eine ’Räuberhöhle’ werden konnte (417-442). - Unter der Überschrift ’Paul and the New Exodus’ zeigt W. D. Davies zum einen, daß für Paulus (wie für Matthäus) insofern eine Entsprechung ’between the Christian Dispensation and the Exodus of Israel from Egypt’ besteht, als die Befreiung des ’alten Israel aus Ägypten’ das Vorbild ist für ’den neuen Exodus in Christus’, die größere Befreiung, nämlich die durch Christus gewirkte Erlösung von der Sünde für das neue Israel, was ihn zum anderen fragen läßt: Gibt es bei diesem neuen Exodus etwas, das als eine Entsprechung zu dem anzusehen ist, was mit dem Namen Sinai ausgedrückt ist? Dieses Entsprechende sieht Davies in der paulinischen Konzeption der lex Christi, die sich zum neuen Exodus so verhält wie die Tora des Mose zum ersten (443-463). - Mit Paulus’ Verständnis (Gal 3,11 f.) des textuellen Widerspruchs zwischen Hab 2,4 und Lev 18,5 setzt sich J. L. Martyn auseinander (465-473). - R. W. Wall liefert eine eingehende Exegese von Jak 1,25: ’The Perfect Law of Liberty’ (475-497). - R. H. Fuller versucht die sog. ’vestigia trinitatis im Alten Testament’ (i.e. Gen 1,26; Num 6,22-27, Gen 18,1 f. etc.) als Ausdruck der durch Glaubenserfahrung neu gewonnenen Bedeutung der Texte zu erklären, die freilich ’consistent with the original texts’ sei (499-508).

Der fünfte und letzte Teil ist Themen aus dem Bereich der ’Early Jewish and Rabbinic Interpretation’ vorbehalten.

Hinter dem drastischen Bildwort ’Hammer on the Rock: Ongoing Jewish Exegesis’ verbergen sich höchst lesenswerte Erwägungen, die E. N. Dorff, ausgehend von der Feststellung, daß ’who wants to live by the Word [scil. der Schrift] - Jew, Christian, or Muslim - must first interpret and apply it’, zum Problem des Umgangs mit der Schrift angestellt hat, den er eine Form von ’interaction of the community, its religious authorities, and the texts’ betrachtet (511-530). - M. Fishbane erörtert einmal mehr das Wesen des Midrasch, seinen Bezug zum Text und sein ’Funktionieren’ (531-546). - Z. Zevit unternimmt den Versuch ’to outline a history of the Samaritan community in its "becoming" through texts critically analyzed in terms of their own cultural contexts’, wobei sie voraussetzt, daß die Samaritaner nicht als eine ausschließlich ’religious group’, sondern als gleichermaßen ’an ethnic community’ sind, weswegen denn auch das sog. Samaritanische Schisma eher als ’sociological process’ denn als ’political act’ oder ’historical event’ zu deuten ist (547-572). - Mit ’Josephus’ Portrait of Jethro’ setzt L. H. Feldman seine Reihe von Aufsätzen fort, in denen er die Bilder untersucht, die Josephus Flavius von großen biblischen Gestalten in seiner ’rewritten Bible’ gemalt hat, um sie ’more attractive to his primarily non-Jewish audience’ zu machen (573-594). - L. L. Grabbe zeichnet die frühjüdische Auslegungsgeschichte der ’70-Weeks-Prophecy’ (Dan 9,24-27) nach, die bekanntermaßen zur Grundlage für vielfältige spätere chronographische Spekulationen geworden ist (595-611). - Die Auslegungen, die mittelalterliche jüdische Exegeten zum biblischen Begriff des Zeichens (’ot) anzubieten haben, sind Gegenstand von M. A. Signer’s Beitrag (613-624). - Und L. M. Barth schließlich macht den Zusammenhang zwischen ’Bann’ (h.erem) und ’Golden Plate’ (s,i -s,za-ha-b ) plausibel, der in den Pirqe de-Rabbi Eliezer XXXVIII aufgrund von Ex 28,36-38 hergestellt ist (625-639).

Wie die kurze Übersicht zeigt, ist auch diese Festschrift mit ihren so ganz unterschiedlichen Beiträgen eine wahre Fundgrube von Interpretationen und Anregungen, die alle der Suche nach ’Context and Meaning’ wie es im Titel heißt, gewidmet sind. Daß diese Suche im Untertitel explicite ’Studies in Biblical Intertextuality’ genannt wird, ist dabei mehr als nur Zugeständnis an Mode und modischen Sprachgebrauch, wenngleich der Begriff der Intertextualität heute schon oft inflationär gebraucht wird, in der Sache aber doch kaum etwas anderes meint, als von jeder Schriftauslegung zu erwarten ist, wenn sie ernstgenommen zu werden verlangt. In dieser Hinsicht muß man J. H. Charlesworth dankbar sein, daß er seinem Beitrag einen längeren Exkurs zum Stichwort Intertextualität vorangestellt hat, in dem er auf eben diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht und eine Definition für Begriff und Programm der Intertextualität angeboten hat, der nichts hinzuzufügen ist.