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Ausgabe:

März/1996

Spalte:

288 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

1. Zimmermann, Harald 2. Sprandel, Rolf

Titel/Untertitel:

1. Thomas Ebendorfer. Chronica pontificum Romanorum. 2. Die Weltchronik des Mönchs Albert 1273/77–1454/56.

Verlag:

1. München: Monumenta Germaniae Historica 1994. XIII, 752 S. gr. 8o = Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum Nova Series, 16. Pp. DM 175,­. ISBN 3-88612-050-3. 2. München: Monumenta Germaniae Historica 1994. 391 S. gr. 8o = Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum Nova Series, 17. Pp. DM 84,­. ISBN 3-88612-051-1.

Rezensent:

Gert Haendler

Über das Quellenwerk Monumenta Germaniae Historica (MGH) hat ThLZ 120 (1995) ausführlich berichtet (732-740). Die jetzt vorliegenden zwei Bände aus der Reihe "Scriptores rerum Germanicarum ­ Nova Series" haben für die Kirchengeschichte mindestens ebenso viel Bedeutung wie für die deutsche Geschichte. Beide Bände bieten wichtige Quellen für die Geschichte des Papsttums; beide Bände stammen von Autoren aus dem 15. Jh., die mit den Konzilien sympathisierten; sie enthalten damit verbunden auch manche Kritik am Papsttum. Es erscheint daher sinnvoll, diese beiden neuen Textbände gemeinsam zu rezensieren.

Thomas Ebendorfer promovierte 1428 als Vierzigjähriger zum Doktor der Theologie in Wien und war 1432-1435 Gesandter der Wiener Universität auf dem Konzil in Basel. Besonders lagen ihm die Verhandlungen mit den Hussiten am Herzen; er ist deshalb 1433 nach Prag gereist, wo er in Lebensgefahr geriet (482 ff.). 1449 wurde E. auch Geschichtsschreiber. Seine Chronica Austriae gilt als sein Hauptwerk. Als 70-jähriger begann er 1458 seine Chronik der römischen Päpste, die er bis zu seinem Lebensende 1464 fortsetzte. Besonders aufschlußreich berichtet er über Pius II., dessen Zeitgenosse er war. E. kritisiert die Bulle Execrabilis von 1460, in der Pius die Anrufung eines Konzils gegen Urteile des Papstes verboten hatte (509-513). E. beschreibt die Aktivitäten des Bischofs und Kardinals Nikolaus von Kues. Im vollen Wortlaut bringt E. die massiven Vorwürfe Gregors von Heimburg gegen den Cusaner vom August 1461 (515-537).

Harald Zimmermann ist für diese Edition ein idealer Herausgeber: Seit drei Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Papstgeschichte, er hat sich über E. mehrfach geäußert. Schriftliche Quellen für E. waren u.a. die Bearbeitung des Liber pontificalis durch Pierre Bohier vom Ende des 14. Jh.s, die Chronik Martins von Troppau und die franziskanischen Flores temporum aus dem späten 13. Jh (14-16). Die Teilnahme am Konzil von Basel hatte "eine Fülle von Erfahrungen und Eindrücken gebracht", ebenso eine Romreise 1452 mit einer Audienz bei Papst Nikolaus V. (18). Papstkritische Äußerungen konnte E. aus Vorlagen übernehmen, aber sie geben sicher auch seine eigenen Ansichten wieder. Seiner Überzeugung nach war "die Mißachtung des Konzils an allen Schäden der Gegenwart schuld" (20). Die handschriftliche Überlieferung und Schrift der Chronik (23-29), deren Sprache, Stil und Orthographie sowie zuletzt die Editionsprinzipien (34-37) werden vorgestellt. Einem knappen Quellen- und Literaturverzeichnis (40-49) folgen ausführliche Register: Stellenregister (557-572), Namensregister (573-696), Glossar (697-752).

Die Weltchronik des Mönches Albert ist unterteilt in eine Papstchronik (35-172) und eine Kaiserchronik (173-328).

Alberts Vorlage war primär eine Kölner Weltchronik, die ihrerseits von der Chronik des Martin von Troppau abhängig war; ferner haben eingewirkt die franziskanischen Flores temporum sowie Schriften von Bernhard Gui, Heinrich von Herford und Gobelinus Person (9 f.). Der Mönch Albert hat ziemlich "unterschiedliche Vorlagen mit divergierenden Geschichtsbildern verarbeitet" (11). Er selbst sympathisierte mit den Reformkonzilien. "In seiner kirchenreformerischen und kurienkritischen Einstellung setzt Albert eine historiographische Tradition fort, die besonders durch die Flores temporum vorgeprägt ist" (11). Die beiden erhaltenen Codices jener Quelle werden beschrieben (12-14). Vermutlich war Albert ein Zisterziensermönch in Heisterbach, wo er 1454 eine erste Fassung abgeschlossen hat; es folgten Zusätze, zum 22.2.1458 wurde die Fertigstellung des einen Codex vermerkt, es folgen aber weitere Zusätze. Die Chronik reicht bis 1454, am Ende muß noch die Eroberung Konstantinopels 1453 berichtet werden: "Imperator Turcorum obsedit et cepit Constantinopolitanam urbem" (171).

Die Darstellung Alberts war jahrhundertelang vergessen, auch eine gute Dissertation über Albert 1914 blieb unbeachtet. Herausgeber Rolf Sprandel hatte bereits 1991 die Kölner Weltchronik ediert, die vielfach Vorlage für Albert war; er bezeichnet jene frühere Arbeit im Rückblick als eine Art von "Vorarbeit für das größere Werk" (5). Im Deutschen Archiv für Erforschung des Mittelalters 1990 hatte sich S. über die beiden Quellen geäußert unter der Überschrift "Schwankende Geschichtsbilder" (132-163). Jetzt informiert er über die Quellen (18-23), über Stil und Orthographie sowie die überraschend späte Rezeption des Werkes (24-26).

Alberts Chronik ist nach S. Urteil in dreierlei Hinsicht wichtig, "in ihrer Eigenart als Kompilation, als Text mit einer ausgesprochen politischen Tendenz und als schriftliche Fixierung eines teilweise oral vermittelten anekdotischen Geschichtsstoffes" (26). Mitunter war Albert allerdings überfordert, z.B. bei der Darstellung des Endes von Papst Bonifaz VIII.: Albert wird "mit dem Angebot dreier Vorlagen nicht fertig, verknüpft die verschiedenen Versionen nur oberflächlich (alibi legitur, 64, 66) miteinander und versucht sogar, die dritte Version mit einer falsch angewandten chronologischen Überlegung zu relativieren" (27). Frauengeschichten und Vergiftungsgeschichten spielen bei Albert eine beträchtliche Rolle (28). Der Band endet mit einem Namensregister (331-375) sowie einem Wort- und Sachregister (376-391). Beide Quelleneditionen bieten eine solide Grundlage, die zu weiteren Forschungen anregen sollten.