Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/1996

Spalte:

283 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

R. Steiger

Titel/Untertitel:

Nikolaus von Kues: Der Laie über den Geist. Mit einer Einleitung von G. Santinello auf der Grundlage des Textes der kritischen Ausgabe neu übers. und mit Anmerkungen. Lateinisch-deutsch.

Verlag:

Hamburg: Meiner. 1995. XXVIII, 207 S. 8o = Philosophische Bibliothek, 432. Schriften des Nikolaus von Kues, 21. Kart. DM 48,­. ISBN 3-7873-0975-6.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Nachdem M. Honecker und H. Menzel-Rogner 1947 eine deutsche Übersetzung von Idiota de mente auf Grund der lat. Textfassung in h V von 1937 veröffentlicht hatten, legt nun R. Steiger aufgrund der von ihr überarbeiteten Ausgabe des lateinischen Textes (Hamburg 1983) eine zweisprachige Ausgabe vor, wobei der lat. Text den photomechanisch verkleinerten Nachdruck der kritischen Ausgabe (jedoch ohne den textkritischen Apparat) wiedergibt.

Der Ausgabe steht eine von G. Santinello verfaßte Einleitung voran (IX-XXVIII). In ihr wird zum Verstehen der Schrift Notwendiges erläutert.

Nikolaus von Kues (NvK) hat die Idiota-Schriften 1450 auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn geschrieben. Wie in Idiota de sapientia I/II und De staticis experimentis gibt auch in De mente der Einfältige (hier ein Löffelschnitzer) seinen wissenschaftlich geschulten Gesprächspartnern eine Lektion über die wahre Wissenschaft, hier über die philosophische Anthropologie. Ihm geht es darum: Die Philosophen sollen den Streit zwischen Platon und Aristoteles beilegen und in eine "Konkordanz der Philosophen" übergehen (X).

Mens ist für den Idiota "eine lebendige Substanz; sie ist die für sich selbst seiende Seele als Einheit aller Kräfte" (Xl f., vgl. n. 80). NvK leitet mens von mensurare ab und unterscheidet den unendlichen göttlichen Geist von den geschaffenen Geistern. Der menschliche Geist ist (Ab-)Bild des göttlichen und hat als solcher eine gewisse Selbständigkeit. Er ist nicht imago dei (das ist nur Gottes Sohn), aber er ist ad imaginem geschaffen. Damit wird sowohl die Differenz als auch die Ähnlichkeit der Gotteskindschaft des Menschen betont. Er schaut Gottes Wahrheit nicht unmittelbar, sondern nur insoweit, "wie sich Gott im Geist als Bild widerspiegelt". Ihm sind keine Begriffe anerschaffen, sondern die Urteilskraft, die Erkenntnis, die Fähigkeit zur Synthese ist ein erkennendes Messen, ein Mutmaßen. Dies ist ein Produkt des menschlichen Geistes, das sich zu unserem Geist verhält wie die geschaffene Welt zum erschaffenden Geist Gottes. Der menschliche Geist ist "das Bild Gottes" und "Urbild aller Abbilder Gottes" (XIII, XXs XXVI, n. 73).

Die ganze Schrift, vor allem Kap. XII stellt eine Überwindung des Universalienstreites dar, wobei, wie so oft bei NvK, der Ansatzpunkt dafür die Trinitätslehre ist: Die Kategorien können "nicht in sich außerhalb des Geistes in der Weise der Form und des Zusammengesetzten sein.... So wird man auch sagen, daß der Status der Art, wie er im Geist ist, vielleicht nicht in der Weise der Materie betrachtet werden kann, da der Status der Art und der des Individuums auf je andere Weise betrachtet dasselbe sind." (n. 136).

In Kap. XIII kommt NvK dem, was man später Pantheismus nannte, besonders nahe: "Ich glaube, daß Platon dasjenige ’Weltseele’ genannt hat, was Aristoteles ’Natur’ nannte. Ich meinerseits vermute, daß weder jene Seele noch die Natur etwas anderes sind als Gott, der alles in allem wirkt und den wir den Geist des Alls nennen". Aber NvK spricht zugleich von der "ars creativa" Gottes ­ und das ist nicht pantheistisch gedacht (n. 145, 147). In cap. XV betont NvK die Unsterblichkeit des Geistes ("Šdaß der Geist keineswegs mit dem Leib vergeht", n. 156).

Einleitung und Anmerkungen geben für die Studienarbeit viele gute Hinweise, doch hätte auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Schrift noch deutlicher eingegangen werden können.