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Ausgabe:

März/1996

Spalte:

273 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Müller, Christoph Gregor

Titel/Untertitel:

Gottes Pflanzung –­ Gottes Bau –­ Gottes Tempel. Die metaphorische Dimension paulinischer Gemeindetheologie in 1 Kor 3,5–17.

Verlag:

Frankfurt/M.: Knecht 1995. XII, 209 S. gr. 8o = Fuldaer Studien 5. Lw. DM 58,­ . ISBN 3-7820-0714-X.

Rezensent:

Werner Vogler

Qualifikationsschriften führen häufig umfangreiche Literaturverzeichnisse. Diese von der Theologischen Fakultät Fulda angenommene Dissertation stellt darin einen Rekord auf: 124 Seiten Text stehen hier 66 Seiten Literaturangaben gegenüber. Deren Verarbeitung hat zur Folge, daß mindestens die Hälfte des Textteils aus Anmerkungen besteht, und dem wiederum entspricht, daß sich in dieser Dissertation nur wenige Sätze finden, die nicht durch Literaturverweise abgesichert sind. Gleichwohl haben wir es bei ihr mit einer sauber gearbeiteten Untersuchung zu tun. Sie ist von dem Bemühen geleitet, die Bedeutung des metaphorischen Sprachgebrauchs für die Theologie des Paulus in 1Kor 3,5-17 herauszuarbeiten und dabei gleichzeitig den Nachweis dafür zu erbringen, daß der in ihr vorgeführte "Weg der Metaphernanalyse" die bisherigen Methoden biblischer Exegese zu "ergänzen" vermag (45).

Nach einem "Forschungsgeschichtlichen Rückblick" auf ntl. und andere Untersuchungen zum "Phänomen der Metapher" (5-44), der bei C. G. Wilke (1843) einsetzt und mit dem Band 126 der "Quaestiones disputatae" (1990) schließt, führt der Vf. anhand von 1Kor 3,1-4 ­ und da namentlich der metaphorischen Prädikation in V 2 ­ den "Weg der Analyse und Interpretation metaphorischen Sprachgebrauchs in neutestamentlichen Texten" vor (45-65). Dabei teilt er das Urteil derer, die diese Verse, welche auf die Diskrepanz zwischen "Anspruch und Wirklichkeit" der Adressaten hinweisen, im "Dienst der Paränese" sehen (62). Ursache dieser Diskrepanz ist nach M., daß die korinthischen Christen von einem "pneumatischen Enthusiasmus" erfaßt sind. Ihrem Parteien-Unwesen sucht der Apostel laut Vf. dadurch zu begegnen, daß er mit dem "Ich (gehöre) zu Christus" (1,12) einen Gegenstandpunkt als Ausgang seiner Argumentation bezieht.

Der Hauptteil der Untersuchung ­ "Metaphorische Prädikationen in 1Kor 3,5-17" (66-112) ­ gliedert sich in drei Abschnitte: "Die Gemeinde als Gottes Pflanzung" (VV 5-9), "Die Gemeinde als Gottes Bau" (VV 9-15) und "Die Gemeinde als Gottes Tempel" (VV 16-17). Sie sind gleich aufgebaut und entsprechen der Gliederung der Analyse von VV 1-4. Lediglich "Die Frage nach metaphorischen Präzedenzen" findet hier eine stärkere Differenzierung. Durch sie zeigt der Vf.: Sowohl die Kennzeichnung der Korinther als Gottes "Pflanzung" wie als dessen "Bau" und sein "Tempel" sind bereits traditionell. Sie haben außerdem Entsprechungen in zeitgenössischen Texten. Auch eine Verbindung dieser Prädikationen zu einem Aussagekomplex hat schon vor Paulus (Qumran) stattgefunden. Dennoch hat der Apostel diese Metaphern eigenständig verwendet: Während ihm die Prädikation "Gottes Pflanzung" und das Bild vom Bau dazu dienen, "die Gemeinde von Korinth als Eigentum Gottes zu charakterisieren" (77), hat Paulus die Metaphorik vom Tempel Gottes aufgenommen, um auf diese Weise "eine zentrale Aussage über das Gottesverhältnis" der Korinther (107) zu machen.

Im letzten Teil seiner Arbeit fragt M. nach der "Bedeutung metaphorischen Sprachgebrauchs für die paulinische Gemeindetheologie im Rahmen von 1Kor 3,5-17" und nimmt damit den "Versuch einer Auswertung" seiner Analysen vor (113-124). Danach besteht die entscheidende Aussage der Metaphorik dieses Textes in der Zugehörigkeit der Gemeinde zu Gott. Näherhin macht das Bild von der Pflanzung klar: Die Gemeinde ist eine Größe, die "aus Gottes Wirken" wächst und dadurch "zugleich ist und wird" (118). Dagegen besagt die Metapher "Bau", dessen Fundament Christus ist (V 11): "Alle, die zur Gemeinde gehören, sind an diesem Bau beteiligt" (120), während das Bild vom Tempel auf dessen Einheit weist: "Es ist der einende Geist, der die Vielen zur Gemeinde verbindet und die Einheit in der Vielfalt der Aufgaben stiftet" (122). Indem aber das Handeln Gottes (VV 5-9) wie die Bedeutung Christi (VV 9-15) und die des Geistes (VV 16-17) diesen Text bestimmen, vermag M. in 1Kor 3 sogar einen Ansatz zur Trinität zu erkennen (119).

Sieht man von dieser ­ nach Meinung des Rez. ­ Überinterpretation ab, so enthält diese Dissertation nichts, dem nicht zugestimmt werden kann; allerdings auch nur wenig, das nicht schon anderswo zu lesen ist. Von da aus liegt ihr Wert vor allem darin, daß es ihrem Vf. gelungen ist, exemplarisch die Bedeutung aufzuweisen, die metaphorischem Sprechen in biblischen Texten zukommt.