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Ausgabe:

Oktober/2012

Spalte:

1097–1098

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Jacobi, Friedrich Heinrich

Titel/Untertitel:

Briefwechsel Januar bis November 1787. Nr. 1609–1902. Hrsg. v. J. Weyenschops. Unter Mitarbeit v. A. Mues, G. Schury u. J. Torbi †.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2012. XLI, 317 S. m. Abb. 24,0 x 17,0 cm = Fried­rich Heinrich Jacobi Briefwechsel. Reihe I, 6. Lw. EUR 252,00. ISBN 978-3-7728-2270-4.

Rezensent:

Wolfgang Sommer

Eng an den vorausgehenden Band der großen Edition des Briefwechsels von Friedrich Heinrich Jacobi (Reihe I, Bd. 5, vgl. zuletzt meine Rezension in der ThLZ 131 [2006], 1163–1165) schließt sich dieser 6. Band an, der die Korrespondenz J.s vom Januar bis Anfang November 1787 umfasst. In diesem kurzen Zeitraum konnten dennoch fast 300 Briefnummern zusammengeführt werden, von de­nen mehr als 100 erhaltene Brieforiginale sind. Die anderen lagen in Drucken und Abschriften vor, die aufgrund gründlicher Briefrecherchen insgesamt ein eindrückliches Bild von Leben und Wirken J.s in dieser Zeit zeigen.
Die Spinoza-Debatte des vorangehenden Bandes bestimmt auch weiterhin die Briefe des Jahres 1787, in dem zwei größere Schriften J.s herauskamen, die die Grundlinien seines philosophischen Standpunktes herauszustellen versuchten: »David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus«, Breslau 1787, und »Alexis oder Von dem goldenen Weltalter«, Riga 1787. Seit seinen Briefen »Über die Lehre des Spinoza« hatte J. viel Kritik erfahren, die er nun in seinem »David Hume« mit der Klärung und Rechtfertigung seines Glaubensbegriffes zurechtrücken wollte. Eine dritte Schrift, an der J. schon lange arbeitete, ist seine Übersetzung eines in franzö­sischer Sprache geschriebenen Dialoges des niederländischen Phi­losophen Franciscus Hemsterhuis (1721–1790), »Alexis ou De l’age d’or«. Auch diese Arbeit, die J. als sein eigenes Werk ansah, steht im Zusammenhang mit seinen vorausgegangenen Schriften, die von den Zeitgenossen Schiller, Novalis, Friedrich Schlegel, Jean Paul, Hölderlin, Fichte und Schelling aufmerksam gelesen wurden. Das zeigt deutlich, dass J.s Denken eine Art Verbindungsfaden zwischen der Dichtung und der Philosophie der Zeit um 1800 gewesen ist.
Zwei Ereignisse im Leben J.s markieren die Eckpunkte dieser Korrespondenz am Anfang und gegen Ende des Jahres 1787: Das Leiden und der frühe Tod des jungen Theologen Thomas Wizenmann, Freund und Weggefährte J.s in dessen Haus, bestimmen viele Briefe am Anfang des Jahres 1787. J. fühlte sich von Wizenmann verstanden und erhoffte sich von ihm Unterstützung in der Auseinandersetzung mit Kant. Eine Schrift Wizenmanns hat J. auch zur Publikation gebracht: »Die Geschichte Jesu nach dem Matthäus als Selbstbeweis ihrer Zuverlässigkeit betrachtet.«
Ein zweites, einschneidendes biographisches Ereignis ist der völlig überraschend gekommene Auszug Johann Georg Hamanns aus dem Hause J.s in Düsseldorf nach einem guten Vierteljahr gemeinsamen Lebens und Arbeitens. Diese »Flucht« des Freundes hatte J. tief gekränkt. Hamann wollte sich offenbar dem zu starken Zugriff J.s entziehen, um seine eigene »Autorschaft« wiederzufinden. Zwischen diesen beiden Einschnitten steht der intensive Briefwechsel mit Hamann, der im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes steht. Es ist ein weit gespanntes Gespräch zweier Freunde, das über Themen aus Philosophie, Theologie, Literatur, Politik und Ökonomie der Zeit zu den wechselseitigen Mitteilungen über die Arbeiten der beiden geht und vor Kritik von Seiten Hamanns nicht zurückscheut. So hat Hamann in einem langen Brief vom 27. April bis 3. Mai 1787 eine scharfe Kritik an J.s »David Hume« geübt, was J. veranlasste, gegenüber Amalia Fürstin von Gallitzin, der nach Hamann häufigsten Briefpartnerin J.s, heftig darüber zu klagen: »Hamann hat mir we­gen des David Hume den Kopf ohngefähr ebenso gewaschen, wie ehmals in den Koenigsberger Zeitungen seinem Freund Herder über die Abhandlung von dem Ursprung der Sprache. Er sagt mir gräuliche Dinge.« (162) Aber das hat J. nicht verdrossen, wie sehr diese Klage auch zeigt, dass beider Denkweisen schwer miteinander harmonierten. Weitere Briefpartner J.s sind Johann Kaspar Lavater, Johann Gottfried Herder, Johann Friedrich Kleuker u. a.
Drei Abbildungen sind dem Band beigegeben: ein Porträt J.s, das auf einen Kupferstich zurückgeht und aus dem Goethe-Museum in Düsseldorf stammt; das Porträt Johann Gottfried Herders, die Reproduktion eines Ölgemäldes von Anton Graff (1785) aus dem Gleimhaus in Halberstadt, und eine Photographie einer Gipsbüste von Hemsterhuis, die im Jacobi-Kabinett des Goethe-Museums in Düsseldorf steht.
Eine Einleitung und hilfreiche Verzeichnisse – ein chronologisches Verzeichnis der Briefe, der Korrespondenzen und Personen – lassen den Band gut erschließen.