Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/2012

Spalte:

1072–1073

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Gemeinhardt, Peter [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Athanasius Handbuch.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2011. XV, 578 S. m. 1 Kt. 23,0 x 15,5 cm. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-16-150078-7.

Rezensent:

Bruno Bleckmann

Im Idealfall sollten die sich mit der Spätantike beschäftigenden Althistoriker und Altphilologen auch alle dogmen- und kirchengeschichtlichen Probleme kennen und berücksichtigen, wenn sie ein komplettes Bild dieser Epoche gewinnen wollen. Den Überblick über eine Forschungslandschaft zu gewinnen, in der ein Teil der fundamentalen Texte noch nicht zuverlässig ediert oder nicht übersetzt, erschlossen und kommentiert ist, ist aber selbst für den Patristiker nicht einfach. Synthesen und Zusammenfassun-gen haben daher für das Forschungsgeschehen eine herausragende Be­deutung, und insofern ist dem Herausgeber P. Gemeinhardt ganz grundsätzlich dafür zu danken, in einem »Athanasius Handbuch« eine gültige Bestandsaufnahme über einen der wichtigsten Theologen der Alten Kirchengeschichte zur Verfügung gestellt und dafür zahlreiche renommierte Mitarbeiter gewonnen zu haben.
Das Werk gliedert sich in fünf Teile. Das einleitende Kapitel »A. Orientierung« gibt einen Überblick über die Handschriften von A. von Stockhausen und einen instruktiven Forschungsbericht zum Stand der Athanasius-Forschung von H.-C. Brennecke. Das lange Kapitel »B. Person« beschreibt diverse Aspekte der Biographie des Athanasius. Neben dem allgemeinen kirchenhistorischen Rahmen (Konstantinische Wende, Kirche in Alexandreia, Mönchtum etc.) werden II. Wirkungsfelder und III. Beziehungen behandelt, Letz­-tere in einer Reihe von »und«-Kapiteln: »Athanasius und die Meliti­aner«, »Athanasius und die Eusebianer«, »Athanasius und der Wes­-ten« etc. Hervorgehoben sei in diesem Großkapitel das vom Herausgeber selbst verfasste ausgezeichnete Unterkapitel »Theologie und Kirchenpolitik« mit der nachvollziehbaren Feststellung, dass die Alternative von »Theologie und Kirchenpolitik« nicht besteht. Besonders wertvoll und wichtig ist der erste Teil des Großkapitels »C. Werk«. Hier geben Inhaltsangaben und Analysen eine sichere Informationsgrundlage. Ergänzt wird dieses Kapitel durch die Darstellung der in diesen Schriften behandelten Themen, wobei vor allem auf die Behandlung der zentralen theologischen Aussagen durch A. M. Ritter zu verweisen ist. Das Schlusskapitel D behandelt schließlich verschiedene Aspekte der »Wirkung und Rezeption«, von der unmittelbaren Wirkung im 4. Jh. über die Rezeption in den nichtchalkedonischen Kirchen bis zur Filioque-Kontroverse, oder auch der Rolle in der ökumenischen Diskussion der jüngsten Vergangenheit. Aufbau und Themenstellung des Handbuchs sind sinnvoll und abgerundet.
Einige Redundanzen sind bei dem vom Herausgeber gewählten und auch sinnvollen polyperspektivischen Vorgehen kaum zu vermeiden, vgl. etwa das Kapitel B III 8 »Athanasius und Antonius« und das Kapitel C I 7.1 »Vita Antonii«, mit der jeweiligen Diskussion um die Authentizität der »Vita Antonii«. Auf der anderen Seite hätten vielleicht einige andere Aspekte eine Behandlung verdient. Die materielle Position des Bischofs von Alexandreia hätte möglicherweise durch eine Darstellung der Wirtschaftsgeschichte Ägyptens im 4. Jh. begreifbar gemacht werden können, wie überhaupt eine Darstellung der Rolle Ägyptens im Reichsganzen bis hin zur Problematik der Getreideversorgung Konstantinopels für die politische Würdigung des Athanasius unverzichtbar erscheint.
Die Verteilung der Beziehungen zwischen Athanasius und den Kaisern auf ein kurzes, lediglich Konstantin und Constantius II. (nicht aber Julian, Jovian, Valens) berücksichtigendes Kapitel »Athanasius und die Kaiser« (durchaus sachkundig von K. Piepenbrink erläutert), auf die Darstellung und Analyse der Apologien und schließlich auf den biographischen Abriss insbesondere zu den diversen Exilzeiten des Athanasius verhindert letztlich, dass eine kohärente Lösung des Problems der Beziehungen zwischen Athanasius und dem Kaisertum, insbesondere in der Auseinandersetzung mit T. D. Barnes, angeboten wird. In der Rezeptionsgeschichte hätten vielleicht Theophil oder Dioskur, mit Sicherheit aber Kyrillos ein eigenes Kapitel verdient. Für eine zweite Auflage wäre zu korrigieren: S. 117 »Dionysos-Kirche« statt (richtig) »Dionysios-Kirche« (vgl. Philostorgios h. e. 2,11 p. 22,12 Bi­dez). S. 218 ist statt Georg von Laodikeia, der zwar aus Alexandreia stammte, doch anscheinend Georg von Kappadokien gemeint.
Mit solchen rezensionstypischen Bemerkungen soll aber keineswegs der Wert der Gesamtunternehmung bestritten werden. Insgesamt handelt es sich um eine hervorragend orientierende Publikation, die jedem Patristiker und Historiker der Spätantike gute Dienste leisten wird.