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Ausgabe:

März/1996

Spalte:

256 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Pierre, Marie-Joseph

Titel/Untertitel:

Les Odes de Salomon. Texte présenté et traduit avec la collaboration de Jean-Marie Martin.

Verlag:

Turnhout Brepols 1994. 224 S. 8o = Apocryphes,4. ISBN 2-503-50378-0.

Rezensent:

Michael Lattke

Die Autorin dieses Taschenbuchs hat einen Lehrstuhl für den christlichen Orient an der École pratique des hautes études und lehrt gleichzeitig Syrisch am Institut catholique de Paris. Vorher war sie dreizehn Jahre lang an der École biblique et archéologique française de Jérusalem, ist also bestens ausgewiesen, um als Mitglied der Association pour l’Étude de la Littérature Apocryphe Chrétienne (AELAC) einen der rätselhaftesten apokryphen Texte einzuleiten, zu übersetzen und mit kurzen, aber inhaltsreichen Anmerkungen zu versehen. Denn es handelt sich bei diesem gelehrten Büchlein nicht um eine Edition der syrischen Codices Harris und Nitriensis, der koptischen Zitate der gnostischen Pistis Sophia im Codex Askew und des griechischen Papyrus Bodmer XI (Ode 11), sondern um eine ausführliche Einleitung (19-55) und eine neue französische Übersetzung der erhaltenen 41 Oden mit jeweiliger Einführung und ein paar weiteren Fußnoten (59-198). Abgeschlossen wird das vorzüglich und sehr übersichtlich gedruckte Taschenbuch durch eine ausgewählte Bibliographie von Editionen, Übersetzungen und neuesten Studien (199-204) sowie drei Indices, einen Index des thèmes principaux (205-208), einen Index des références bibliques (209-215) und einen Index des textes et auteurs anciens (217-219). Gibt der Bibelstellenindex einen Blick frei auf den Einfluß biblischer Sprache, so gestattet der letzte Index eine Zusammenschau von Parallelen aus anderen Apocrypha, den Nag Hammadi Codices und den Texten aus Qumran.

Im Vorwort (13-17), dem eine anonyme Information über die ganze Taschenbuchreihe Apocryphes vorangeht (5-9) und ein Faksimile von 13a des Codex Harris folgt (18), erklärt die Vf.n u. a. ihre poetische, weitgehend wörtliche Übersetzung und würdigt dabei den Einfluß ihres Lehrers und Freundes Jean-Marie Martin.

In der dreiteiligen Einleitung geht es zunächst um die Handschriften (19-25). Dabei fällt auf, daß in bezug auf Codex Harris der Ort Manchester mit Birmingham verwechselt wird (18, 22) und die Datierung von Codex Askew zwischen dem 4. und 5. Jh. schwankt (20, 24). Danach widmet sich die Vf.n dem Pseudonym Salomon (25-37). Der alttestamentliche König ist ja Sohn Davids »par excellence« (26): »Les Odes sont l’¦ uvre du Sage, dont Salomon le Roi-Messie est le type« (32). Da die Oden Salomos ein christliches Werk sind, ist der Sprecher »évidemment pas le Salomon historique, mais la figure de sagesse dont il est le type« (33).

Einen guten Forschungsüberblick gibt der Rest der Einleitung zu »Milieu de pensée, date et auteur« (37-55). In der Frage der Ursprache tendiert Pierre zwar eher zum Syrischen als zum Griechischen, betont aber gleichzeitig, daß zahlreiche Probleme offenbleiben, »et il faudra faire une étude plus précise de la langue pour pouvoir en dire davantage« (48). Dem letzteren stimme ich ebenso zu wie der Datierung ins frühe 2. Jh. n. Chr. (50). Ich habe diese Datierung ausführlich begründet in der Einzelstudie "Dating the Odes of Solomon" (Antichthon 27 [1993] 45-59) und in der Einleitung zu Band 19 der Fontes Christiani (Freiburg i. Br. u. a.: Herder 1995).

Mit weiteren und weitergehenden Thesen, so z. B. zum Autor »de ce milieu judéo-chrétien jérusalémite, proche du Temple, ..., peut-être même lié à la famille de Jesus« (54), sowie mit philologischen Einzelheiten der Übersetzung werde ich mich zu gegebener Zeit in meinem Kommentar zu den Oden Salomos auseinandersetzen. So wird in den nächsten Jahren auch dieses Buch zu den Oden Salomos ständig auf meinem Schreibtisch stehen. Wissenschaftlichen Bibliotheken sei die ganze preiswerte Reihe dringend zur Subskription empfohlen.