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Ausgabe:

Oktober/2012

Spalte:

1024–1040

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Siegfried Bräuer

Titel/Untertitel:

»Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk«

Die Thomas-Müntzer-Ehrung der DDR im Jahr 1989

Der spätere Editor der mitteldeutschen Bauernkriegsquellen Otto Merx legte 1989 mit seiner Göttinger Dissertation »Thomas Müntzer und Heinrich Pfeiffer 1523–1525« einen soliden Forschungsbeitrag vor. Er wurde aber kaum beachtet.1 Niemand wäre damals auf den Gedanken gekommen, ein Müntzerjubiläum zu begehen. Erst Heinrich Boehmer errechnete 1488 oder 1489 als mögliche Geburtsjahre Müntzers und schuf damit die chronologische Voraussetzung für die Müntzer-Ehrung von 1989.2 Bisher ist dieses Jubiläum vor allem von der politologischen Forschung unter dem Aspekt der politischen Mythenbildung dargestellt worden. Die Würdigung Müntzers in der DDR wird als Bestandteil des Ergänzungsmythos »Bauernkrieg und Reformation« verstanden, angehängt an den Gründungsmythos vom aus dem Antifaschismus hervorgegan­genen Staat.3 Wenn auch einem anderen historiographischen Be­zugssystem, nämlich dem der Erinnerungskultur, verpflichtet, berührt sich diese Sicht in gewisser Weise mit dem ebenfalls funktionalen marxistischen Verständnis der Geschichte unter den Leitgedanken von Erbe und Tradition.

Im Vorfeld des Jubiläums wird in dem maßgeblichen Diskussionsband zu diesem Konzept geradezu programmatisch festgestellt, dass die DDR das progressive Erbe der gesamten deutschen Geschichte umfassender als je zur Geltung bringe, »um die Ausbildung einer sozialistischen nationalen Identität zu fördern«. Mit seiner revolutionären Gesellschaftskonzeption sei Müntzer dafür unverzichtbar.4 So erhellend die Deutung der Müntzerrezeption in der DDR mit Hilfe des Mythenkonzepts ist, kann jedoch nicht übersehen werden, dass diese rein funktionalistische Interpretation auch zu Verkürzungen führt und sogar zu einzelnen Fehlurteilen gelangt.5 Nicht einmal Alexander Fleischauer vermag in seiner genaueren und vorsichtigeren Untersuchung und seinem Vorschlag, »besser von einem Versuch der Mythisierung Müntzers in der DDR auszugehen«, einseitige Urteile zu vermeiden.6 So ist es vielleicht von Interesse, aus der Sicht eines Beteiligten und nach größerem zeitlichen Abstand noch einmal auf die Müntzer-Ehrung von 1989 zurückzublicken und einige Aspekte erneut zu beleuchten, auch im Kontext von Überlegungen zur Lutherdekade 2017. Zu­nächst soll ein Blick auf die Rezeption eines Müntzerwortes ge­worfen werden, das wie kein anderes für das revolutionäre Verständnis und die revolutionäre Tradition in Anspruch genommen wurde.

1. Die Karriere eines Müntzerzitates


Die Darstellung der Müntzerrezeption in der DDR unter dem Leitgedanken der Erinnerungskultur hat bereits das Bild vom Bauernkriegs- und Müntzergedenken 1975 mit vereinfachten Konturen gezeichnet.7 Ansatzpunkte hierfür finden sich schon in harmonisierenden Aussagen bei Max Steinmetz, dem maßgeblichen Ver­-treter der marxistischen Müntzerforschung. In einem Forschungsbericht behauptete er, die gemeinsamen Auffassungen bei der allgemeinen Wertung Müntzers würden die Verschiedenheiten überwiegen.8 Die gängige Auffassung, Müntzer habe »die zündende Losung formuliert […], daß die Gewalt dem armen Manne gegeben werden müsse zur Vernichtung der gottlosen Obrigkeit und zur Errichtung einer Ordnung nach göttlichem Willen«, glaubte er einschließen zu können.9 Als Mitglied des vom Ministerrat berufenen Komitees zur Vorbereitung des 450. Jahrestages des deutschen Bauernkrieges vertrat er auch die in der 1973 veröffentlichten »grundsätzliche[n] Orientierung […] für eine wirksame politisch-ideologische Arbeit« behauptete Folgerung: »Mit der Errichtung der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der DDR erfüllte sich unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen die zentrale Forderung Thomas Müntzers.«10 Dass sich Müntzer auf das 7. Kapitel des Propheten Daniel stützt, wird nicht erwähnt, auch nicht, dass die Herrschaftsübertragung dem Volk Gottes gilt. Das war auch den marxistischen Historikern bekannt.11 Sie hatten sich jedoch noch nicht vom säkularisierten Verständnis Müntzers durch Friedrich Engels gelöst und verstanden ihren Auftrag als Einheit von Forschung und Geschichtspropaganda. Gerhard Brendler, der seine Würdigung Müntzers »als zentrale Symbolfigur des deutschen Bauernkriegs« unter das Danielzitat stellte, meinte, Müntzer habe mit seiner theologischen Argumentation »dem Volke Selbstvertrauen in die eigenen Gedanken« gegeben, »indem diese zur Stimme Gottes erklärt werden«.12 Günter Vogler dagegen, der das Danielzitat Müntzers als Titel seiner Bauernkriegsdarstellung wählte, ging bereits ausführlicher auf die biblische Fundierung der Lehre Müntzers ein und vermied eine kurzschlüssige Vergegenwärtigung durch den Hinweis, dass Müntzers Gedanken dennoch »in eine auf die Veränderung der politischen Machtverhältnisse orientierte Neugestaltung der Gesellschaft eingepasst werden« konnten.13 Die differenzierte Inanspruchnahme des Müntzerwortes blieb zunächst eine Ausnahme, zumal es der für Ideologie zuständige ZK-Sekretär Kurt Hager ungebrochen als Leitwort für seine Rede bei der Festveranstaltung des ZK und des Ministerrats zum 450. Jahrestag des Bauernkriegs in Mühlhausen am 15. März 1975 parallelisierte mit dem 2. Artikel der DDR-Verfassung über die Ausübung der politischen Macht durch die Werktätigen.14

Dieses politische Verständnis Müntzers als Stammvater der revolutionären Tradition des deutschen Volkes wurde nun vor allem geschichtspropagandistisch in die gesellschaftliche Praxis überführt. Im Mühlhäuser Rathaus grüßte das Müntzerwort den Besucher in großen Buchstaben von der Wand bereits im Eingangsbereich, desgleichen zusammen mit dem 2. Artikel der DDR-Verfassung in der bei Hagers Besuch eröffneten Zentralen Gedenkstätte Deutscher Bauernkrieg.15 Die Museologen überschrieben ihren Rückblick auf das Bauernkriegsjubiläum ebenfalls mit diesem Zitat.16 Für das neue Geschichtsbuch der 6. Klasse von 1978/79 wurde es zusammen mit dem 2. Verfassungsartikel übernommen und in den Unterrichtshilfen mit dem Zusatz versehen: »Es muß zum Ausdruck kommen, daß wir in der DDR das Vermächtnis Müntzers erfüllt haben!«17 Das Zitaten-Tandem wurde zum Be­standteil einer ganzen Reihe geschichtspolitischer Veröffentlichungen in den Folgejahren.18

Bereits in den Beiträgen zum Bauernkriegsgedenken 1975 ging die theologische Müntzerforschung in der DDR auf Distanz zur sozialrevolutionären Interpretation Müntzers, die im Gefälle der traditionellen Überlieferung, wenn auch kritisch, selbst bei lutherischen Systematikern in der Bundesrepublik anzutreffen war.19 Erst recht verweigerte sie sich der Identifizierung von Müntzers apokalyptischer Ankündigung der Herrschaftsübertragung auf das von Gott erweckte Volk mit dem sozialistischen System in der DDR.20 Abgesehen davon wurde jedoch nahezu bruchlos offiziell weitgehend an dieser geschichtspropagandistischen Müntzerinterpretation bis zum Jubiläumsjahr 1989 festgehalten. In der konstituierenden Tagung des Thomas-Müntzer-Komitees der DDR am 11. März 1988 bezog sich der Vorsitzende Erich Honecker genauso auf diese angeblich »zentrale Forderung« Müntzers wie sein Stellvertreter Lothar Kolditz und weitere Redner bei der zweiten Tagung am 19. Januar 1989.21 Selbst als bereits die Massenflucht aus der DDR voll im Gange war, wiederholte Hager ungebrochen die Müntzerformulierung in seiner Rede bei einer Kundgebung aus Anlass der Einweihung des Müntzer-Panoramas in Bad Frankenhausen am 14. September 1989.22

Zunehmend in Spannung zu diesem stereotypen Zitieren von Müntzers Rückgriff auf Dan 7,27 standen aber neue Einzelergebnisse von marxistischen Historikern und die Ausweitung des Verständnisses der revolutionären Tradition auf Luther. Der Konflikt, der 1985 entstand, als in der Presse bekannt wurde, dass vom Mühlhäuser Bauernkriegsmuseum eine neue Glocke für die Marienkirche mit dem Bild Müntzers und seinem Wort von der Herrschaftsübertragung als Beitrag zum Jahr 1989 geplant war, ist ein Indiz für mögliche Spannungen bei der Vorbereitung auf das Jahr 1989. 23

2. Ein Jubiläumsanlauf mit Hindernissen


Luthers langem Schatten konnte sich die marxistische Müntzerrezeption einigermaßen entziehen, solange nur Müntzer zur revolutionären Tradition gezählt wurde. Das änderte sich, als im Vorfeld des Jubiläums von 1983 ein erweitertes Verständnis von Erbe und Tradition propagiert und Luther in die revolutionäre Tradition der DDR eingegliedert wurde. Bereits bei der Vorbereitung des Bauernkriegsjubiläums war eine administrative Weichenstellung vorgenommen worden. Die wissenschaftliche Federführung wurde der Akademie der Wissenschaften der DDR übertragen. Die Leipziger Historiker blieben zwar beteiligt, mussten aber ihre bereits geplante wissenschaftliche Konferenz ein Vierteljahr zugunsten der zentralen Konferenz der Akademie verschieben. Steinmetz be­mühte sich, diesen politischen Bedeutungsverlust als Chance für eine größere Öffnung des Referentenkreises zu nutzen. 24

Die Priorität der Geschichtspolitik vor der Forschung hatte sich schon mit dieser Verlagerung der Deutungshoheit von Leipzig (Universität) nach Berlin (Akademie) angezeigt. Sie wirkte sich auch auf die Erarbeitung der Konzeption für das Jubiläum von 1975 aus, die Adolf Laube später als »massive Einflussnahme staatlicher und politischer Gremien« und »politisch-ideologische Instrumentalisierung zur Begründung einer revolutionären Traditionslinie der DDR« kritisierte. 25 Bei den Vorarbeiten für das Lutherjubiläum von 1983 waren diese Spannungen weiterhin wirksam, sie wurden aber überdeckt durch die radikale Änderung der marxistischen Position gegenüber dem Wittenberger Reformator.26 Mit der Konstituierung des Martin-Luther-Komitees der DDR am 13. Juni 1980 unter dem Vorsitz Honeckers war Luther mit seiner »Einleitung der Reformation« als einer bürgerlichen Revolution offiziell akzeptiert, auch mit »seinem Unvermögen, deren gesellschaftliche Gesetzmäßigkeit zu erkennen«.27 Die kirchenpolitischen Absichten sind von Honecker bei der Konstituierung noch verhalten angesprochen worden, direkter dann in seiner Eröffnungsansprache sowie in seinem Schlusswort bei der Arbeitstagung am 29. Oktober 1982.28

Die kirchlichen Vorhaben für 1983 sind als Impuls für die relativ früh einsetzenden staatlichen Überlegungen zum Lutherjubiläum in den bisherigen Darstellungen durchaus beachtet worden, aber wegen der lückenhaften Überlieferung und der Beschränkung auf die offizielle Ebene wurden sie zu spät angesetzt und nur verkürzt erkannt.29 Die Anfänge müssen bis vor das Bauernkriegsgedenken von 1975 rückdatiert werden und verdanken sich einem internationalen Impuls. Joachim Rogge und Martin Seils brachten den Ge­danken, den 6. Internationalen Kongress für Lutherforschung 1983 in der DDR zu veranstalten, vom 4. Internationalen Kongress für Lutherforschung vom 22. bis 27. August 1971 in St. Louis mit. Er wurde in dem kurz zuvor gegründeten Theologischen Arbeitskreis für reformationsgeschichtliche Forschung (TARF) diskutiert und auf seiner 3. Tagung vom 28. bis 30. September 1972 in Eisleben als Anregung, eine Einladung des Internationalen Lutherforschungskongresses für das Jahr 1983 an eine der Lutherstätten der DDR auszusprechen, der Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen in der DDR (KKL) übermittelt. Am 4. Oktober 1972 informierte Bischof Werner Krusche (Magdeburg) als Schirmherr des TARF den Vorsitzenden der KKL, Bischof Albrecht Schönherr, mit dem Vorschlag, ein kirchliches Vorbereitungskomitee zu bilden und Fühlung mit den staatlichen Stellen aufzunehmen. 30 Wann in dieser Sache der informelle Kontakt vom Kirchenbund zur Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen aufgenommen worden ist, ist noch zu recherchieren. Die Arbeitsgruppe des Kirchenbundes zur Vorbereitung des Lutherjubiläums nahm nach dem Bauernkriegsgedenken bereits am 15. Dezember 1975 zügig ihre Arbeit auf.31

Es ist bekannt, dass Müntzer als Thema bei den Veranstaltungen zum Lutherjubiläum nahezu ausfiel. Mit dem Hinweis auf eine notwendige Konzentration auf den Jubilar ist das nur unzureichend zu erklären. Die angedeuteten Spannungen zwischen Ge­schichtspolitik und Forschung, deren Ressourcen noch dazu be­grenzt waren, sind bei der Konstellation Luther/Müntzer ebenfalls wirksam gewesen. In den mit Billigung der staatlichen und kirchlichen Leitungsgremien seit 28. März 1981 stattfindenden internen Expertengesprächen von fünf marxistischen Historikern und fünf Theologen über Grundfragen der Reformation und der Theologie Luthers im Blick auf das Jubiläum war die Müntzerthematik von Anfang an präsent, es wurde jedoch der Hinweis des Leiters der marxistischen Gesprächspartner Horst Bartel akzeptiert, »die Einfügung Luthers in das Geschichtsbild der DDR sei eine prinzipielle Aufgabe«. 32 Bei der Auswertung der Lutherehrung von 1983 in der Expertenrunde wurde von beiden Seiten, den Historikern und den Theologen, für eine Fortsetzung der Gespräche und eine Beschäftigung mit den Konsequenzen im Blick auf Müntzer plädiert.33 Nahezu gleichzeitig gab Bartel gemeinsam mit seinem späteren Nachfolger Walter Schmidt auch offiziell dieses Ziel vor: »Der be­vorstehende 500. Geburtstag Thomas Müntzers 1989 wird Anlass geben, auf diesem Felde weiterzuarbeiten […]. Auch Müntzer war in erster Linie Theologe, seine politischen Äußerungen und Aktivitäten haben eine tiefe theologische Verwurzelung.«34

Die marxistischen Historiker waren sich durchaus bewusst, welche Schwie­rigkeiten zu bewältigen waren, wenn der Öffentlichkeit 1989 ein Müntzerbild präsentiert werden sollte, das mit den historischen Quellen einigermaßen in Einklang zu bringen war. Mehr oder weniger aus Eigeninteresse haben zwei von ihnen die Arbeit an einer Müntzerbiographie aufgenommen. Steinmetz plante seit Längerem eine große wissenschaftliche Biographie, wurde aber zunehmend durch eine voranschreitende Erblindung in seinen Forschungen behindert. Vogler begnügte sich mit einem »biographischen Abriss«, der den Forschungsstandpunkt zusam­menfassen und »den Versuch der Annäherung an eine faszinierende historische Persönlichkeit bieten« wollte. 35 Obgleich offizielle Thesen zu Müntzer analog denen zum Lutherjubiläum allgemein erwartet wurden, konnte Laube in den Expertengesprächen am 16. November 1984 und am 3. Mai 1985 nur mitteilen, dass zur Müntzer-Ehrung noch kein offizieller Beschluss vorliege. Im Ge­spräch am 20. Juni 1986 informierte er, dass Müntzer-Thesen in einer kleinen Arbeitsgruppe von Experten der Akademie und der Universitäten vorbereitet würden. Ein diskussionswürdiger Entwurf würde im Expertengespräch diskutiert werden. Das geschah jedoch erst bei der Zusammenkunft am 24. April 1987, verbunden mit dem Hinweis, die Thesen würden im Sommer zur Beschlussfassung eingereicht, könnten aber erst nach der Konstituierung des staatlichen Komitees unter dem Vorsitz Honeckers nach Abschluss der Feierlichkeiten zum 750-jährigen Bestehen Berlins veröffentlicht werden. 36

Den an den Expertenrunden beteiligten Theologen blieb nicht verborgen, dass die Schwierigkeiten in der Vorbereitung der Müntzer-Ehrung auf der staatlichen Seite mehrschichtig waren. Aber auch in persönlichen Gesprächen klangen gelegentlich nur einige Andeutungen an. Aufmerksame Beobachter konnten außerdem in dem am 7. November 1986 veröffentlichen »Maßnahmeplan zur Vorbereitung und Durchführung der Thomas-Müntzer-Ehrung der DDR 1989 aus Anlass seines 500. Geburtstages« des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, in dem die Thesen bereits an­gekündigt wurden, gewisse Unstimmigkeiten entdecken. 37 Erst im Forschungsrückblick Laubes von 2001 wird der langwierige, schwierige und für die beteiligten Wissenschaftler auch frustrierende Prozess etwas genauer skizziert sowie »der ideologische Druck seitens politischer Gremien« beim Namen genannt. Die Gutachten der zentralen Parteigremien und Stellungnahmen der Vorstände der Blockparteien haben die Thesen-Gruppe zu »nicht immer friktionsfreien Überarbeitungen« gezwungen, aber »im Hinblick auf das neu erarbeitete wissenschaftliche Müntzerbild [wurden] keine Kompromisse« eingegangen. Als die Thesen am 24. April 1987 auch mit den Theologen in der Expertengruppe beraten wurden, sah sich Laube dennoch zu dem Hinweis genötigt: Alles ist »verzichtbar, aber nicht Präambel und Schluss. Seit dem Lu­therjubiläum [gibt es] breite Verunsicherung. Der ›Verräter‹ Luther ist hochgejubelt worden, deshalb muss jetzt beim Müntzerjubiläum ein Gegengewicht geschaffen werden. Es besteht eine große Erwartungshaltung, deshalb müssen die Leute etwas in die Hand bekommen.«38 Einige Aussagen zur Theologie Müntzers konnten dennoch präzisiert werden, als schließlich im Mai 1987 eine Endfassung der Abteilung Wissenschaften beim ZK der SED übergeben wurde. Die Bestätigung durch den zuständigen ZK-Sekretär Hager am 19. August 1987 und damit die endgültige Freigabe geschah problemlos mit dem »als wichtig deklarierten Hin­weis, dass Thomas Müntzer seines Erachtens vor allem ein Volkstribun gewesen sei, der in religiöser Fassung zum Ausdruck brachte, was die Bauern wollten«. Laube kommentierte 2001 sarkastisch: »und [Hager] hatte also nichts verstanden«.39

Die Veröffentlichung der Thesen geschah dann doch noch vor der Konstitu­ierung des Müntzer-Komitees im Januar 1988.40 Die Spannungen zwischen dem von den Historikern propagierten quellenorientierten Müntzerverständnis und dem in Politik und Gesellschaft nach wie vor verinnerlichten traditionellen an Engels orientierten marxistischen Müntzerbild war nach wie vor gegenwärtig.

3. Das Bemühen um ein


historisch vertretbares Müntzerverständnis


Von theologischer Seite ist schon im Vorfeld des Jubiläums von 1975 betont worden, dass Müntzer in erster Linie als Theologe zu verstehen ist und dass das von Engels vertretene Müntzerbild großen­teils nicht den historischen Quellen entspricht. In zunehmendem Maße war das auch den marxistischen Reformationshistorikern bewusst. Steinmetz hat schon 1973 auf den Konflikt zwischen den Forderungen populärwissenschaftlicher Verlage und der Notwendigkeit historischer Forschung, zu beweisen, was man behauptet, hingewiesen.41 In seinen Publikationen waren zunächst die üb­lichen geschichtspropagandistischen Formeln durchaus noch präsent, doch unter der Arbeit an der Biographie setzte er sich mit wachsender Intensität mit den Quellen und den biblischen sowie kirchengeschichtlichen Strömungen als deren Kontext auseinander. Als Spezialuntersuchungen zur Mystik (1982), zur biblischen Apokalyptik (1984) und zum Bücherbesitz wurden sie in die 1988 veröffentlichte Biographie übernommen. 42 Für die marxistische Forschung wurde durch sie Neuland erschlossen und die Möglichkeiten für den Anschluss an die nichtmarxistische Forschung wurden erweitert. Weitere Untersuchungen mit neuen Ergebnissen zu Stationen von Müntzers Wirken, zu Nürnberg durch Günter Vogler und zu Zwickau durch Siegfried Hoyer, kamen hinzu.43

Im 16. Expertengespräch am 4. Dezember 1987 sind die mar­xis­-tischen Teilnehmer mit der aktuellen theologisch-kirchlichen Sicht Müntzers vertraut gemacht worden, wie sie in der »Orientierungshilfe« der Arbeitsgruppe »Thomas-Müntzer-Gedenken 1989« des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR drei Monate später veröffentlicht worden ist. Laube informierte die Abteilung Wissenschaften im ZK der SED sachgemäß darüber.44 Der in der Orientierungshilfe erwähnten Frage nach einer neuen theologischen Sozialethik hat sich das Kolloquium angenommen, das die Leipziger Universität am 15. und 16. November 1988 für die Sektionen Theologie in der DDR veranstaltete. Nicht die Gegenwartsbedeutung Müntzers stand jedoch vorwiegend im Mittelpunkt, sondern das Verständnis der sozialethischen Impulse in den historischen Quellen.45 Der Vertreter des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen Berndt Winkler informierte seine Dienststelle ausgesprochen sachlich über das Kolloquium. Er hob hervor, dass nur die Müntzer-Aussagen Beachtung fanden, die wissenschaftlich abgesichert sind. Dagegen verzichtete der CDU-Funktionär und Vizepräsident des Kulturbundes Günter Wirth in seinem Bericht an den stellvertretenden Minister Gerhard Engel nicht auf eine Wertung der Vorträge.46

Bevor die Müntzerthesen im Januar 1988 der Öffentlichkeit zugänglich waren, wurden sie unter marxistischen Historikern bei einer Sitzung der Klasse Literatur-, Sprach-, Geschichts- und Kunstwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR am 17. Dezember 1987 zur Diskussion gestellt. Die Teilnehmer kannten den Text. Adolf Laube, der Leiter der interdisziplinären Thesen-Arbeitsgruppe, verstand sein einleitendes Referat über »Probleme des Müntzerbildes« als Erläuterung zu den Thesen. Er knüpfte an die Feststellung bei den Studienseminaren des Bundes der Evangelischen Kirche in der DDR von 1975 an, es lasse sich »zur Zeit noch nicht bis in alle Einzelheiten seines Lebens und Denkens darlegen«, wer Müntzer in Wahrheit gewesen sei. Laube verband damit die Frage: »Sind wir heute […] wesentlich darüber hinausgelangt?« 47 Mit der Frage war bereits angedeutet, dass im Lichte der Ergebnisse des Lutherjubiläums nicht einfach bruchlos das Müntzerverständnis von 1975 aufgebaut werden konnte. Wichtige Erkenntnisse neuer Forschungen waren zu berücksichtigen, zunächst die über Müntzers frühe Biographie und sein soziales Umfeld. Das betrifft vor allem die Tätigkeit in Braunschweig, Frose und Zwickau, den Aufenthalt in Wittenberg und die Herkunft aus dem gleichen geographischen Raum sowie sozialen Milieu wie Luther. Sodann war vor allem Müntzer als Theologe neu zur Kenntnis zu nehmen, d. h. »dass es ihm immer um den Glauben« ging. Die Thesen versuchten, seine »Theologie als einen Entwicklungsprozess zu zeigen, der in enger Wechselbeziehung mit den Klassenauseinandersetzungen der frühbürgerlichen Revolution stand, und die gesellschaftliche Relevanz und aktive Rolle dieser Theologie deutlich zu machen«. 48 In einem erstaunlichen Ausmaß wurde nun der Quellenbefund akzeptiert, z. B. mit der Angabe: »Müntzers Volksbegriff blieb bis zum Schluss offen für Auserwählte unterschiedlicher sozialer Herkunft.«49 Bei aller Nähe zur theologischen Forschung hielt Laube daran fest, dass Müntzer, auch wenn er »immer als Theologe und Prediger dachte und handelte«, dennoch »mit der Lehre von der Schwertgewalt des Volkes eine Theologie der Revolution« geschaffen habe.50 Auf der gleichen Linie liegt seine Betonung, dass die Auffassung von Müntzer als Bauernführer und Verfechter der Gütergemeinschaft ebenso zu korrigieren ist wie die Vorstellung von einer Weltgeltung Müntzers. Für das Verhältnis von Luther und Müntzer wurde nun zwar zugestanden, dass ihr Gegensatz im Gottesverständnis begründet sei, aber beide hätten als Repräsentanten ein und derselben Revolution zu gelten, »der eine als Re­-präsentant der bürgerlich gemäßigten Kräfte, die unter den herr schenden feudalen Verhältnissen embryonal die damals noch progressive Zukunft einer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft verkörperten, der andere als Vertreter der Sehnsüchte der Aus­gebeuteten und Unterdrückten, die auf eine ausbeutungsfreie Gesellschaft brüderlicher Gleichheit und Gerechtigkeit hinzielten«.51 In fünf Diskussionsbeiträgen wurden Laubes Ausführungen ergänzt oder differenziert. Nur Steinmetz, inzwischen Emeritus und damit von Rück­sichtnahmen befreit, stellte die grundsätzliche Frage, was eigentlich Thesen seien. Sie seien doch »keine Vorwegnahme von Forschungen mit dogmatischem Festlegungs­charakter, sondern doch wohl Diskussionsgrundlage für eine be­stimmte Problematik.«52

Ein erkennbares Echo hatte die provozierende Frage von Steinmetz nicht. Deutlicher als vorher traten nun die beiden Linien der marxistischen Müntzerrezeption auseinander. Die Forschung mühte sich um ein quellenbezogenes historisches Müntzerverständnis, in den gesellschaftlichen Veranstaltungen aber dominierte weiter das Müntzerbild der Geschichtspropaganda, allenfalls in teilweise etwas differenzierteren Formulierungen.53 Bei der konstituierenden Sitzung des Thomas-Müntzer-Komitees der DDR am 11. März 1988 kam dieser Tatbestand genauso unübersehbar zum Ausdruck wie bei der Berichtstagung am 19. Januar 1989, auf der Brendler als Vorsitzender des Zentralen Arbeitskreises »Thomas Müntzer« des Kulturbundes der DDR wie die anderen Berichterstatter in die Rolle des Propagandisten schlüpfte.54 Das theologische Müntzerverständnis in der Information des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR wurde in der Veröffentlichung unter eine integrierende Überschrift gestellt und damit entschärft.55 Offenbar hatte die Anwesenheit der Kirchenvertreter Priorität ge­genüber den Auffassungsunterschieden.56

Die an der Müntzerforschung beteiligten marxistischen Historiker waren weiterhin auch in breiteren Kreisen der Öffentlichkeit bemüht, ein historisch vertretbares Müntzerbild anstelle des traditionellen zu vermitteln, z. B. bei der Konferenz des Präsidiums der URANIA am 2. November 1988.57 Für die Zentrale wissenschaft­liche Konferenz der Akademie der Wissenschaften und des Minis­teriums für Hoch- und Fachschulwesen an der Martin-Luther-Universität Halle vom 29. August bis 1. September 1989 unter dem Thema »Thomas Müntzer – Geschichte und Wirkung« sollte diese Linie bestimmend sein, zumal Vertreter der internationalen Forschung nach dem Vorbild des Lutherjubiläums in großer Zahl beteiligt werden sollten. Die ursprünglich vorgesehenen hohen Teilnehmerkosten wurden nach kritischen Äußerungen beim 18. Expertengespräch am 29. Mai 1989 reduziert.58 In der Gestaltung der Konferenz wurde ein Schritt in Neuland riskiert. In die jeweils dreifache Leitung der sechs Arbeitskreise waren auch Kirchenhistoriker sowie Historiker aus der Bundesrepublik einbe­zogen worden.59 Fehlten im Programm die Arabesken der tradi­tionellen Jubiläumsäußerungen keineswegs, so waren die beiden Plenarreferate marxistischer Historiker betont darauf ausgerichtet, nach dem Stand der quellenorientierten Müntzerforschung die Konsequenzen für ein revidiertes marxistisches Verständnis des Theologen Müntzer darzulegen.

Laube knüpfte in seinem Beitrag über »Thomas Müntzer und die frühbürgerliche Revolution« bei der durch die Luther-Ehrung 1983 forcierten Frage nach dem »relativen Eigenwert der Theologie als existentielles Problem« der Menschen des 16. Jh.s an. Er betonte, es sei damals um eine Theologie gegangen, »die den gesellschaftlichen Interessen am nächsten kam«, gerade auch bei Müntzer, dessen »Frage nach dem rechten Glauben das zentrale existentielle Problem« gewesen sei.60 Nach Müntzers Verständnis sei dies ein »Glaube an die Notwendigkeit der Wiederherstellung der göttlichen Ordnung und der Abschaffung jeder Art menschlicher Herrschaft im und über den Menschen« gewesen. Als Träger der Um­wälzung habe er das Gottesvolk verstanden, d. h. nur die Auserwählten, die sich durch Bewährung ihres Glaubens im Leiden dem Willen Gottes ergeben, einschließlich der christlichen Obrigkeiten.61 Diese Auffassung habe Müntzer auch in der Gewaltfrage beibehalten bis zum Bauernkrieg, der für ihn »zur Vollstreckung von Dan. 7, 27« geworden sei. Nicht um soziale Nahziele sei es ihm gegangen, auch nicht um Gütergemeinschaft; »ihm ging es viel mehr um die endgültige Erlösung von allen Drangsalen durch die Beseitigung der menschlichen Herrschaft und die Herbeiführung des Reiches Gottes.« Weil »das Volk noch nicht reif« gewesen sei, »den göttlichen Auftrag zu vollziehen«, habe »er die Niederlage als Gottesurteil« gedeutet. 62 Laube versäumt auch nicht, für die theologische Müntzerforschung die Grenzen seines eindrucksvollen Bemühens um den Theologen Müntzer im »Versuch einer Wertung« zu markieren, wenn er feststellt, dass »heutige Theologie […] zwar Müntzer als legitimen Sproß der Reformation anerkennen« könne. Sie vermöge sich aber »nur dann zu ihm [zu] bekennen, ihn nur dann voll [zu] rezipieren, wenn sie zu den revolutionären Konsequenzen« stehe. 63

Wie Laube griff auch Vogler in seinem Referat über »Thomas Müntzers Sicht der Gesellschaft seiner Zeit« auf Grundlinien seines Beitrages bei der Akademietagung am 17. Dezember 1987 zurück. Den Fortschritt früherer marxistischer Ansätze, insbesondere durch Moise Smirin, überging er nicht, orientierte sich aber, ähnlich wie Laube, vor allem an Müntzers eigenen verbürgten Aus­-sagen über seine hauptsächlichen Adressaten – die Städte, die fürstlichen Obrigkeiten und die aufständischen Bauern. Ebenfalls un­terstrich er, dass Müntzer das Thema der zeitlichen Güter nicht aus zeitlichem Interesse, sondern »im Zusammenhang mit seinem Glaubensverständnis« bewegt habe. Die um eine soziale Neuordnung bemühten Bauern und Städtebürger auf der einen und Müntzer auf der anderen Seite hätten zwar »zu gemeinsamem Kampf zusammengefunden«, seien aber »von verschiedenen Voraussetzungen« ausgegangen, »so dass der Brückenschlag sich als instabil« erwiesen habe.64 In seinem abschließenden bilanzierenden Versuch, den »Platz der Gesellschaft in Müntzers Reformation« zu bestimmen, finden sich erstaunliche Spitzensätze, so z. B.: Aus Müntzers »Sicht interessierte weniger die Gesellschaft, sondern vielmehr die Geschichte der Kirche und ihr Verfall«. Weiter: »Die Aufforderung zur Veränderung der Welt ergab sich aus Müntzers Glaubensverständnis.« Außerdem: Seine Erfahrungen führten ihn zur »kritischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Zu­ständen – aus theologischen und seelsorgerlichen Gründen«. Erst mit seinem letzten Satz greift Vogler das Hauptstichwort des marxistischen Müntzerverständnisses und damit mehr indirekt auch die Frage der Relevanz auf: »Müntzer hat mit seiner Lehre und mit seinem konsequenten Einstehen für sie durch Wort und Tat Zeichen gesetzt für revolutionäres Denken und Handeln in einer Welt und Gesellschaft, die der Erneuerung durch eine Revolution be­durfte.« 65 Folgerichtig beruft sich Vogler, außer auf Müntzer­texte, vor allem auf Darstellungen nichtmarxistischer Historiker (Hans-Jürgen Goertz, Thomas Nipperdey, Eike Wolgast).

Der Wandel im Müntzerverständnis marxistischer Historiker prägte auch die Konzeption der zentralen Ausstellung des Mu­seums für Deutsche Geschichte, wie bereits die Veränderung des ur­sprünglichen Titels »Wider die Tyrannen« in »Ich, Thomas Münt­zer, eyn knecht gottes« anzeigt.66 Obgleich Spuren des traditionellen marxistischen Müntzerbildes zur Genüge im Aufsatzteil zu finden sind, hat sich aufs Ganze gesehen die Absicht durchgesetzt, den tatsächlichen Intentionen Müntzers den Vorrang einzuräumen und seine Äußerungen möglichst in originalen Exponaten vorzustellen. Es gelang sogar, 15 Autographen aus dem ehemaligen Dresdner Bestand des Müntzernachlasses, der 1949 von der sächsischen Landesregierung Stalin zum 70. Geburtstag geschenkt worden war, aus der Moskauer Leninbibliothek auszuleihen und zum ersten Mal in der DDR zu präsentieren. 67 Die Eröffnung fand zwar zum vorgesehenen Zeitpunkt statt, konnte aber im Prozess der inzwischen in Gang gekommenen Veränderungen nicht mehr die erwartete Aufmerksamkeit finden.68

4. Ausklang der Ehrungen und offene Fragen


Auf die Inanspruchnahme von Müntzers Zitat aus Dan 7,27 noch im Jahre 1989 ist bereits hingewiesen worden. Die Vorbereitung und Durchführung der Müntzer-Ehrung schien lange Zeit kaum von den gesellschaftlichen Spannungen in der DDR tangiert zu werden. Nur ab und zu verlangten die tagespolitischen Ereignisse ihren Tribut, vor allem als sich Honecker in seinem Schlusswort bei der 2. Tagung des Thomas-Müntzer-Komitees genötigt sah, mit einer geharnischten Replik die Kritik an der Sicherheitspolitik der DDR auf der Abschlusstagung des Wiener KSZE-Folgetreffens zu­rückzuweisen. Seine Äußerungen zum Umwechslungskurs und zur Berliner Mauer blieben auch in weiten Kreisen in der DDR nicht ohne Echo. 69 Aber die Müntzer-Ehrung wurde wohl häufig als Bestandteil der offiziellen DDR-Politik angesehen, so dass beispielsweise in den Veröffentlichungen zu den Leipziger Friedensgebeten Müntzers Name nicht zu finden ist. Nur einmal ist die Aussage von der Übergabe der Gewalt an das Volk auf einem Plakat bei einer Montagsdemonstration belegt. Kritische Äußerungen zur offiziellen Rezeption der Reformatoren durch den DDR-Staat waren schon im Vorfeld der Jubiläen eher zum neuen Luther- als zum Müntzerverständnis zu finden. 70

Auch die an den Jubiläumsveranstaltungen beteiligten Historiker und Politiker schienen lange von der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung unberührt zu bleiben. Nur im privaten Gespräch, vor allem im Rahmen von Veranstaltungen außerhalb der DDR, wurde gelegentlich Ratlosigkeit angesichts der Entwick­lung geäußert.71 Diese ist wohl auch neben der internalisierten Parteidisziplin als Ursache zu vermuten, dass die gesellschaftlichen Vorgänge bei der Hallenser wissenschaftlichen Konferenz nahezu ausgeklammert blieben, obgleich gerade Ende August die »Flucht« von ausreisewilligen DDR-Bürgern nach Ungarn erheblich zu­nahm. Zuvor schon war dem Thomas-Müntzer-Kongress des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR vom 8. bis 10. Juni 1989 in Mühlhausen eine gewisse stellvertretende Funktion in dieser Hinsicht zugefallen. Bereits mit seinem Thema »Unsere Gegenwart und Gottes Zukunft. Münzers Herausforderung als Anfrage an Kirche und Gesellschaft« war die Beschränkung auf eine historische Fragestellung nicht möglich. Der einzige marxistische Referent, der Akademiehistoriker Brendler, beeindruckte durch seine Formulierungskunst und Wandlungsfähigkeit in seinem Vortrag über »Müntzer im Urteil der Geschichte – seine umstrittene Stellung in der Gesellschaft«. In lockerer Weise stellte er im Rückgriff auf den späten Engels die Veränderungen im Müntzerbild, aber auch »die Gegenwart mit den Turbulenzen« als gleichsam gesetzmäßige Entwicklung dar, die es zu bewältigen gelte. Er stimmte Landesbischof Leich zu, der zitiert habe: »res publica semper est reformanda«, fügte aber für die DDR hinzu: »id est non destruanda«. In der Gegenwart dränge »sich immer dringlicher die Erkenntnis« auf, »dass Reformation eine der fruchtbarsten und günstigsten Varianten von Revolution« sei. Sowohl Luthers als auch Müntzers Erbe sei für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Das bedeute: »Notwendige Veränderungen ohne Pochen und Brechen so einzuleiten, dass dem Volke die Macht gesichert ist und bleibt«, d. h. »Politik zu treiben in den Farben der DDR«. 72 In seinem Schlusswort warb der Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen Leich dafür, die Zeichen kritischer Mitverantwortung, auch »wenn sie sich von staatlich-gesellschaftlich vorgegebenen Überzeugungen unterscheiden«, nicht ins Abseits zu stellen. Positiv gewendet, sagte er: »So fordert die Veränderung im Bewusstsein der Menschen die Veränderung innerhalb des Staatswesens und der Gesellschaft heraus.« Der mündige Bürger müsse erkennbarer Maßstab sein. 73 In den Kreisen der Leipziger Bürgerbewegung wurden die maßvollen Formulierungen als Unterstützung ihrer Forderungen verstanden.74

Bei der 38. Konsultation der von der EKD und vom Bund der Evangelischen Kirchen benannten Gruppe zu Fragen der »besonderen Gemeinschaft« vom 9. bis 12. April 1989 auf Borkum wurde den Delegierten des Kirchenbundes u. a. berichtet: »Das Thomas-Münt­zer-Gedenken hat nicht das erwartete Echo gefunden. Die mit der Deutung Müntzers verbundenen Schwierigkeiten sind inzwischen auch auf staatlicher Seite anerkannt worden.«75 Diese vereinfachende Situationsbeschreibung ist vor allem aus dem Vergleich mit dem Lutherjubiläum von 1983 zu verstehen. Auf den kirchlichen Bereich wird sie einigermaßen zutreffen, wenn sich hier auch Skepsis oder Kritik nur selten äußerte.76 In der außerkirchlichen Öffentlichkeit war die Situation ambivalenter. Auf das Desinteresse der oppositionellen Kreise ist schon hingewiesen worden. Die lokale Ebene, vor allem die Kommunen, die im einstigen Wirkungsbereich Müntzers lagen, hielt zum großen Teil an ihren geplanten Veranstaltungen fest. Die Einweihung des Müntzerdenkmals in Stolberg z. B. fand nach Konflikten mit dem Bildhauer Klaus Messerschmidt wegen der künstlerischen Konzeption wie vorgesehen am 10. September 1989 nach dem üblichen politischen Schema statt. 77 Ähnlich verhielten sich gesellschaftliche Organisationen. Sie knüpften mit Vorliebe an Stichworte für einen metaphorischen Umgang mit Müntzer an, die Honecker in seiner Rede bei der Konstituierung des Thomas-Müntzer-Komitees verwendet hatte. Er hatte davon gesprochen, dass Müntzers Berufung auf Gott »der damals vorherrschenden religiösen Denkweise« entsprochen habe. Die »Formen und Begriffe« hätten sich gewandelt, »in denen sich, wie man es nennen könnte, ›das Müntzerische in der Ge­schichte‹ ausdrückt«, es gehöre aber »zum Wesen unseres Ge­schichtsverständnisses […], dass wir die Stimme der revolutionären Vorfahren auch hören und achten, wenn sie sich anderer Worte und Werke bedienen, als wir das heute tun«.78

Dietmar Keller hatte an der Einweihung des Müntzerdenkmals noch als Sekretär des Thomas-Müntzer-Komitees und als Stellvertreter des Kulturministers mitgewirkt.79 Nach dem Rücktritt der DDR-Regierung war er am 18. November 1989 zum neuen Minister für Kultur gewählt worden. Im Rahmen seines Vorhabens, kultur- und kirchenpolitische Fehlentscheidungen der ehemaligen Re­-gierung zu revidieren oder zumindest auszugleichen, lud er vor der Eröffnung der Müntzerausstellung im Museum für Deutsche Geschichte die Vertreter der Arbeitsgruppe »Thomas-Müntzer-Gedenken 1989« des Kirchenbundes, die als Gäste an den beiden Komitee-Tagungen teilgenommen hatten, am 8. Dezember 1989 zu einem Mittagessen und Gespräch ein. Zugleich wollte er sich für die Mitarbeit bedanken. Das Treffen verstand er auch als Station zu seinem Bemühen, die Arbeit des Thomas-Müntzer-Komitees der DDR an dem vorgesehenen Termin, dem 20. Dezember, ordnungsgemäß in der Deutschen Staatsoper zu beenden. Im Gegensatz zum Abschluss des Lutherjubiläums 1983 genügte diesmal der Apollosaal, um die geschmolzene Zahl der Mitglieder des Komitees, vor al­lem Kommunalpolitiker der Müntzer-Städte, Historiker und Kulturschaffende, aufzunehmen. Ihnen hatte der Minister ebenfalls bei einem vorangehenden Mittagessen für ihre Arbeit gedankt. Der Festakt stand in keinem Verhältnis zur Veranstaltung bei der Konstituierung des Komitees. Kammermusikalisch war der Rahmen gehalten. Auf die repräsentativen Plätze wurden die Kirchenvertreter gebeten. Die Festrede hielt der neue Minister selbst. Den später gedruckten Auszug stellte er unter die Überschrift »Im Geiste von Müntzer und Luther«. Entsprechend dieser Devise betonte er, dass beide notwendig blieben. Müntzer sei »uns gegenwärtig in der nie versiegenden Hoffnung auf eine gerechtere Welt, […] in der prophetischen Einsicht, dass die Gewalt dem Volke gehöre«. Luther sei »uns gegenwärtig in der Forderung, dass die notwendigen Forderungen im Streit der Geister, aber ohne Gewalt zu erfolgen haben«. Es gehe »heute genau darum, die Botschaft Müntzers und Luthers zu vereinen, um in einer neuen Qualität von revolutionärer Bewegung Sozialismus und Demokratie zu verbinden«. Bei aller Offenheit gegenüber dem Neuen teilte Keller die illusionären Erwartungen der reformwilligen Kräfte des bisherigen Systems. Müntzer und Luther wurden allerdings wieder auf ihre revolutionsrelevante Wirkung reduziert. Kellers Wirken war je­doch in den 121 Tagen seiner Amtszeit ohnehin eine enge Grenze gesetzt. 80 Nicht einmal seine Bereitschaft, den Dresdner Müntzernachlass aus Moskau wieder an seinen ursprünglichen Aufbewahrungsort zurückzuholen, war von Erfolg gekrönt.81

Mit dem Gedenkjahr ging auch eine Phase der Müntzerrezeption zu Ende. Zu den üblichen Gründen einer Nachjubiläumszeit kommen in diesen Fall die politischen Veränderungen. Vorrangig durch sie ist Müntzer wieder unter die geschichtlichen Persönlichkeiten des 16. Jh.s eingereiht worden. Die Müntzerforschung ist zwar nicht völlig abgebrochen, sie hat aber nach 1989 nur in be­grenztem Maße neue Erkenntnisse zu seinem Leben und Wirken gebracht.82 Neue Quellen sind ebenfalls nicht entdeckt worden, aber nach langen Vorarbeiten liegen nun zwei Bände einer dreibändigen neuen kritischen Müntzerausgabe vor.83 In der Forschung zur Frühen Neuzeit hat jedoch die Hochbewertung Müntzers in der DDR insofern ihre Spuren hinterlassen, als unter dem Einfluss des sozialwissenschaftlichen Ansatzes die Frühzeit der Reformation als pluriforme Bewegung erkannt wird. Müntzer findet in der Regel hierbei Berücksichtigung.84 Von einer selbstverständlichen Beachtung der alternativen Vorstellung einer umfassenden Reformation bei Müntzer im Gegensatz zu Luther kann jedoch nicht die Rede sein, wie Günter Vogler in seinem jüngsten Plädoyer für eine andere Sicht Müntzers feststellt.85

Evangelische Kirche und Theologie sind schon zum Müntzergedenken von 1975 in der DDR nicht bei ihrer traditionellen Ab­wehrhaltung geblieben. Sie hat sich insofern der Herausforderung ge­stellt, als nicht nur über den neuen Forschungsstand zu Müntzer informiert, sondern auch auf die mit seinem Wirken verbun­denen offenen Fragen hingewiesen wurde.86 Das konnte mit der »Orientierungshilfe zum Gedenken des 500. Geburtstages von Thomas Müntzer im Jahre 1989« durch die erwähnte Arbeitsgruppe des Kirchenbundes aufgenommen und in einigen Fragen etwas genauer ausgeführt werden.87 Daran hat Bischof Christoph Demke mit seinem Hauptreferat zum Thema des kirchlichen Müntzerkongresses in Mühlhausen am 11. Juni 1989 »Unsere Gegenwart und Gottes Zukunft« angeknüpft. Er hat sich vor allem auf »Müntzers Umgang mit dem Worte Gottes als Anfrage und Anfechtung unseres eigenen Urteils und unserer eigenen Gewissheit« konzentriert. Obgleich beeindruckt von Müntzers Eifer um Gott, muss er dennoch eingestehen, er komme »als Theologe nicht um die Feststellung herum, dass Müntzer in seiner Zeit eine irreführende Prophetie vertrat«, wenn er sich im Rückblick auch »in vielen seiner Fragestellungen als Prophet« herausstelle, z. B. in seiner »Polemik gegen die theologische Gelehrtenzunft, die Vergötzung des Bibelbuches« und seinem »Spott über die Anlehnungsbedürftigkeit der Theologen an die Fürsten und Landesherren«. Quellen für diese Vorausahnungen sieht er in Müntzers Umgang mit der Schrift, in seiner Auffassung von Gottesfurcht und Gottesgericht, in der durch Gottesfurcht statt Menschenfurcht geprägten Glaubenshaltung, die sich auch gegenüber einer als funktional legitimiert verstandenen Obrigkeit bewährt. Angesichts der Situation von 1989 habe die Kirche allen Anlass und »theologisch guten Grund […], Müntzer und Luther kritisch aufeinander zu beziehen, ohne die notwendigen theologischen Entscheidungen zu verwischen, wenn sie ihrem Auftrag in den globalen Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden« wolle. 88

Die Herausforderungen für Theologie und Kirche sind auch nach mehr als 20 Jahren vorhanden, mag sich auch ihre Gestalt gründlich verändert haben. Wenn im Blick auf das kommende Jubiläum von 2017 die Zeit der Anfänge der Reformation kritisch mit zu sichten ist, sollte bedacht werden, dass die Aufbruchzeit nur wenige Jahre dauerte. Gerhard Ebeling hat schon vor mehr als einem halben Jahrhundert darauf hingewiesen, dass die reformatorische Bewegung »mit dem notwendigen Übergang von reformatorischer Lehre zu reformatorischem Handeln und zu fortdauerndem Verantworten von Entscheidungen […] mit der beginnenden Differenzierung« zusammentraf. Die hierbei theologisch zu bedenkenden konkreten Aufgaben und Anfechtungen hätten »Luthers Theologie weiterhin als Vorgang so instruktiv« gemacht. 89 In diesem Prozess hat die Auseinandersetzung mit Müntzer, vor allem in den Jahren vor dem Bauernkrieg, eine wichtige Rolle gespielt. Sie hat zu einer Reihe von folgenreichen theologischen Akzentverlagerungen geführt, die das spätere Bild des Allstedter Reformators deutlich mit geprägt haben. Die Frage nach den Gründen und der Berechtigung von Müntzers Einreden und seinen alternativen theologischen Ansätzen sowie seiner Gemeindepraxis sind durch die Beteiligung am Bauernkrieg überlagert und immer wieder zum Verstummen gebracht worden. Zuweilen ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass Müntzers Denken ganzheitlich und im Vergleich mit Luthers Denken ohne dessen Dialektik sei. Müntzers Theologie sei »ohne Polarität, sein Denken eindimensional linear, vorbehaltlos und von rigoroser Konsequenz, charakterisiert durch Streben nach Eindeutigkeit, nach sauberer Trennung, nach Scheidung, nicht Unterscheidung«. 90 Das traditionelle Koordinatensys­tem der Theologie wird von Müntzer zwar vorausgesetzt, oft aber nur in situationsbezogener Weise und zugespitzt verwendet. Schon 1989 ist festgestellt worden, dass sich »Müntzers Gedanken für Theologie und Kirche immer noch als sperrig« erweisen und eine Darstellung nach den üblichen Kriterien mehr ein Versuch bleiben muss.91 Daran hat sich nichts grundlegend geändert. Es ist immer noch unsicher, was an Müntzers Profil seiner persönlichen Prägung zuzuschreiben ist, in welcher Weise seine apokalyptische Naherwartung daran beteiligt ist und ob nicht auch seine Beschäftigung mit vornicänischen Theologen starke Spuren hinterlassen hat. Da er an einer Schnittstelle der reformatorischen Bewegung wirkte und Einfluss gewann, sollte er bei einem Rückgriff auf die Anfänge und theologischen Impulse der Reformation nicht übergangen werden. Es ist nicht ratsam, dieses sperrige theologische Erbgut nur den Politologen und Geschichtstheoretikern als Exempel zu überlassen.92

Summary


The 500th (presumed) anniversary of the birthday of Thomas Muentzer, in 1989, as observed in the GDR, was appropriated by political scientists and historians and added to GDR founding mythology. The resultant »functional formulation« created un­-avoidable oversimplifications. The picture appears more compli­-cated from the point of view of the Protestant church and its his­-torical traditions. The two goals of Marxist historical interpretation, research and propaganda, remain woven together even in this celebration in honor of Muentzer. By means of confrontation with non-Marxist research and more intensive study of sources, the quality of Marxist search has been improved. The effect of the Luther jubilee in 1983 strengthened this trend. The traditional Marxist Muentzer interpretation, which was based above all on an interpretation by Friedrich Engels, was revised. The political changes of 1989 put an end to the process of Muentzer interpre­tations. For theology and church, there remain open questions due to Muentzer’s critique of Luther and Muentzer’s own actions during the stormy years of the Reformation.

Fussnoten:

1) Otto Merx: Thomas Münzer und Heinrich Pfeiffer 1523–1525. Ein Beitrag zur Geschichte des Bauernkriegs in Thüringen, T. 1. Göttingen 1889.
2) Heinrich Boehmer: Studien zu Thomas Müntzer. Leipzig 1922, 12.
3) Raina Zimmering: Mythen in der Politik der DDR. Opladen 2000, 14 u. ö.; Münkler, Herfried: Die Deutschen und ihre Mythen. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 2010. 607 S. m. 17 Abb. 21,3 x 15,0 cm = sachbuch 62394. Kart. EUR 14,99. ISBN 978-3-499-62394-3; 441–444.
4) Helmut Meier und Walter Schmidt: Erbe und Tradition in der DDR. Die Diskussion der Historiker. Berlin 1988, 12.42 f.
5) Z. B. Münkler: Die Deutschen, 548 f. (s. Anm. 3). – Luthers Zwei-Reiche-Lehre habe »vorzüglich« in das politische Selbstverständnis der DDR gepasst; das neue Lutherbild der DDR sei erstmals hervorgetreten in dem von Junghans hrsg. Werk »Martin Luther: Leben und Werk«.
6) Alexander Fleischauer: »Die Enkel fechten’s besser aus.« Thomas Müntzer und die Frühbürgerliche Revolution – Geschichtspolitik und Erinnerungskultur in der DDR. Münster 2010, 370.
7) Ebd., 213–215.
8) Max Steinmetz: Forschungen zur Geschichte der deutschen frühbürgerlichen Revolution. In: Historische Forschungen in der DDR 1970–1980. Analysen und Berichte. Zum XV. Internationalen Historikerkongreß in Bukarest 1980. Berlin 1980, 79–91, bes. 90 f. (91: »Was alle Autoren verbindet, ist das Verständnis der Aktualität Müntzers als Aktualismus«). Steinmetz bezieht auch die theologische Müntzerforschung ein.
9) Max Steinmetz: Der geschichtliche Platz des deutschen Bauernkrieges. In: Gerhard Brendler/Adolf Laube (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg 1524/25. Geschichte – Traditionen – Lehren. Berlin 1977, 15–33, bes. 25.
10) Komitee beim Ministerrat der DDR zur Vorbereitung des 450. Jahrestages des deutschen Bauernkrieges (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg – zum 450. Jahrestag – (Material zur Vorbereitung). Berlin 1973, 8.
11) Dan 7,18.27 übersetzte Müntzer »ynbrunstiges volck« oder »gemeines volck«, vgl. Thomas-Müntzer-Ausgabe, Bd. 2. Bearb. u. komment. v. Siegfried Bräuer u. Manfred Kobuch. Leipzig 2010, 205.302.447.479.
12) Gerhard Brendler: Thomas Müntzer – »Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk!«. Einheit 30 (Nr. 1/1975), 30–34, bes. 30 f. Vgl. auch ebd., 34: Nur eine Minderheit stand hinter Müntzer, »deren Einsichten und religiös-utopisch verbrämte Ideen weit über die Möglichkeiten ihrer Zeit in eine ferne Zukunft wiesen«.
13) Günter Vogler: Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk. Der deutsche Bauernkrieg 1525. Berlin 1975. 2. Aufl. 1983, 36 f.
14) Kurt Hager: Das Vermächtnis von 1525 wurde erfüllt. Berlin 1975, 5 f. Hager zitiert das Müntzerwort nach Voglers Buch. Zuarbeiten für seine Rede kamen von einer Arbeitsgruppe der Akademie der Wissenschaften, vgl. Adolf Laube: Akademische Forschung und Kooperationsbeziehungen am Beispiel der Reformationsgeschichte. In: Joachim Heise/Christa Stache unter Mitarbeit v. Johannes Gruhn (Hrsg.): Dialog über Luther und Müntzer. Berlin 2011, 358–384, bes. 362.
15) Mühlhausen. Gedenkstätte deutscher Bauernkrieg. Mühlhausen 1977, Innentitel. 2. Aufl. 1982, 4.
16) Vera-Gisela Ewald: »Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk!« Der Beitrag der Museen zum 450. Jahrestag des deutschen Bauernkrieges. Neue Museumskunde 19 (1976), 170–187.
17) Unterrichtshilfen Geschichte Klasse 6. 4. Aufl. Berlin 1987, 249.
18) Vgl. z. B. Helmut Schnitter: Der Bauernkrieg in Thüringen. Militärgeschichtliche Skizzen. Berlin 1984, 1.
19) Vgl. z. B. noch Martin Honecker: Einführung in die Theologische Ethik. Berlin/New York 1990, 10: Ernst Bloch habe das Erbe des Sozialrevolutionärs Thomas Müntzer aufgenommen, der »das Naturrecht als das für den Menschen erst zu erringende Recht auf Leben, Freiheit und Selbstentfaltung« deute.
20) Vgl. z. B. das 1975 mehrfach gehaltene Referat: Siegfried Bräuer: Thomas Müntzers Weg in den Bauernkrieg. In: Christoph Demke (Hrsg.): Thomas Müntzer. Anfragen an Theologie und Kirche. Berlin 1977, 65–85.
21) Erich Honecker: Die Gewalt dem Volke – Müntzers Ziel wurde in unserem Staat verwirklicht. In: Neues Deutschland vom 12./13. März 1988, 3; 2. Tagung des Thomas-Müntzer-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik am 19. Januar 1989. Berlin 1989, 10 (Kolditz); 19 (Günter Maleuda); 23 (Rolf Barthel); 30 (Rudi Kühne).
22) Neues Deutschland vom 15. September 1989, 6: In unserer Republik ist Müntzers Zukunftsvision in Erfüllung gegangen. Vgl. die verharmlosenden Bemerkungen hierzu im Abschnitt »Sprachlosigkeit« seiner Autobiographie: Kurt Hager: Erinnerungen. Leipzig 1996, 417.
23) Thomas T. Müller/Andreas Schwarze: Kirchenumnutzung in der DDR. Die Übergabe der Mühlhäuser Marienkirche an die Zentrale Gedenkstätte Deutscher Bauernkrieg im Jahr 1975. In: Hartmut Kühne/Hans-Jürgen Goertz/ Thomas T. Müller/Günter Vogler (Hrsg.): Thomas Müntzer – Zeitgenossen – Nachwelt. Mühlhausen 2010, 261–290, bes. 278 f.; Christa Richter: Die Thomas-Müntzer-Gedenkstätte Marienkirche in Mühlhausen. Mühlhausen-Thomas-Müntzer-Stadt 1987, 60.
24) Vgl. Siegfried Bräuer: Informelle Kontakte zwischen marxistischen und nichtmarxistischen Reformationshistorikern. In: Jan Scheunemann (Hrsg.): Reformation und Bauernkrieg. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik im geteilten Deutschland. Leipzig 2010, 115–130, bes. 119.
25) Laube: Akademische Forschung, 366 (wie Anm. 14).
26) Durch Diskussionen und Interventionen außerhalb der Öffentlichkeit erstreckte sich die Arbeit an den »Thesen über Martin Luther« mit fünf Fassungen über zwei Jahre, vgl. ebd., 368.
27) Erich Honecker: Unsere Zeit verlangt Parteinahme für Fortschritt, Vernunft und Menschlichkeit. In: Martin Luther und unsere Zeit. Konstituierung des Martin-Luther-Komitees der DDR am 13. Juni 1980 in Berlin. Berlin 1980, 9–18, bes. 11 u. 14.
28) Martin-Luther-Ehrung 1983. Bewahrung und Pflege des progressiven Erbes in der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1982, 5 f.63.
29) Horst Dohle: Die Lutherehrung und die Kirchenpolitik in der DDR. In: Horst Dähn/Joachim Heise: Luther und die DDR. Der Reformator und das DDR-Fernsehen 1983. Berlin 1996, 53–98; Martin Roy: Luther in der DDR. Zum Wandel des Lutherbildes in der DDR-Geschichtsschreibung. Bochum 2000, 177–181; Laube: Akademische Forschung, 367 f. (wie Anm. 14).
30) Vgl. Siegfried Bräuer: Der TARF – von seiner »spontanen Entstehung« bis zum Anfang der siebziger Jahre. Referat am 17. September 2010 bei der Tagung des TARF in Wittenberg (Druck in »Herbergen der Christenheit« 2012).
31) Vgl. Bräuer: Informelle Kontakte, 125 f. (wie Anm. 24).
32) Heise/Stache (Hrsg.): Dialog, 38 (wie Anm. 14). Anstoß zur Einrichtung der Expertengespräche hatte Bartel mit seinem Referat bei der Konstituierung des Martin-Luther-Komitees der DDR gegeben. Vor allem seine Bemerkung über die Aufgabe, »sowohl das Eigenleben und die Selbständigkeit der Theologie als auch deren Einbindung in die Traditionen und die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Zeit zu verdeutlichen«, hat elektrisierend auf die Theologen gewirkt, vgl. Horst Bartel: Die Rolle Martin Luthers in der deutschen Geschichte. In: Martin Luther und unsere Zeit, 31–37, bes. 37 (wie Anm. 27).
33) Heise/Stache (Hrsg.): Dialog, 125 f. (wie Anm. 14).
34) Horst Bartel/Walter Schmidt: Das historisch-materialistische Lutherbild in Geschichte und Gegenwart. In: Max Steinmetz (Hrsg.): Die frühbürgerliche Revolution in Deutschland. Berlin 1985, 321–335, bes. 335 (Erstdruck in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 32 [1984], 4, 290–301).
35) Günter Vogler: Thomas Müntzer. Berlin 1989, 8 f. Als ein Novum verdient die Bereitschaft des Dietz Verlages Beachtung, auf Wunsch des Autors ein Gutachten eines Theologen zum Manuskript einzuholen. Mein mehrseitiges Gutachten, das auch Verbesserungsvorschläge enthielt, habe ich im Dezember 1988 dem Verlag übergeben.
36) Heise/Stache (Hrsg.): Dialog, 154.159.188.203 (wie Anm. 14).
37) Sonderdruck des Ministeriums.
38) Heise/Stache (Hrsg.): Dialog, 207 (wie Anm. 14).
39) Laube: Akademische Forschung, 375–377 (wie Anm. 14).
40) Thesen über Thomas Müntzer. Zum 500. Geburtstag. In: Einheit 43 (1/1988), 36–58.
41) Max Steinmetz: Reformation und Bauernkrieg – Höhepunkte der Ge­schichte des deutschen Volkes. In: Sächsische Heimatblätter 19 (1973), 97–102, bes. 101 (»Unsere Lehrbücher und Darstellungen sind im Grunde Thesen-werke«).
42) Max Steinmetz: Thomas Müntzers Weg nach Allstedt. Berlin 1988, 238 f.
43) Günter Vogler: Nürnberg 1424/25. Berlin 1982; Siegfried Hoyer: Die Zwickauer Storchianer – Vorläufer der Täufer? In: Jahrbuch für Regionalgeschichte 13 (1986), 60–78.
44) Heise/Stache (Hrsg): Dialog, 215 u. 216–223 (wie Anm. 14); die zeichen der zeit 42 (3/1988), 79–81: Orientierungshilfe zum Gedenken des 500. Geburtstages von Thomas Müntzer im Jahre 1989. Eine Reaktion der ZK-Arbeitsgruppe darauf ist nicht bekannt.
45) Vgl. Siegfried Bräuer: Die Theologie Thomas Müntzers als Grundlage seiner sozialethischen Impulse. Standpunkt 17 (Nr. 3/1989), 62–67; Helmar Junghans: Sozialethisches Denken und Handeln bei Martin Luther. Ebd., 67–71; Neudruck in: Ders.: Spätmittelalter, Luthers Reformation, Kirche in Sachsen. Ausgew. Aufsätze, hrsg. v. Michael Beyer u. Günther Wartenberg. Leipzig 2001, 127–137; Günter Vogler: Sozialethische Vorstellungen und Lebensweisen von Täufergruppen – Thomas Müntzer und die Täufer im Vergleich. Ebd., 75–79; Neudruck in: Ders.: Thomas Müntzer und die Gesellschaft seiner Zeit. Mühlhausen 2003, 156–164.
46) Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO DY 30), IV/B 2/ 14/ 141 (AG Kirchenfragen), 54–57, bes. 56: Undatierte Information des wiss. Mitarbeiters Berndt Winkler (OibE); Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirche 1969–1990. Berlin/Frankfurt 1995, 552.
47) Adolf Laube: Probleme des Müntzerbildes. In: Probleme des Müntzerbildes. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR. Gesellschaftswissenschaften. Jg. 1988 – Nr. 6 G/ 1988, 5–27, bes. 6.
48) Ebd., 10.
49) Ebd., 13.
50) Ebd., 14 f.
51) Ebd., 20 f.
52) Max Steinmetz: Bemerkungen zur Müntzerforschung. In: Probleme des Müntzerbildes, 42–45, bes. 42 (wie Anm. 47).
53) Zur Müntzer-Ehrung durch die Blockparteien (vor allem Demokratische Bauernpartei Deutschlands) und im kulturellen Bereich vgl. Fleischauer: »Die Enkel …«, 306–320.332–338 (wie Anm. 6). Über die zahllosen Würdigungen und Veranstaltungen auf lokaler Ebene informierten in der Regel nur Pressenotizen, sogar über das skurrile Ausschreiben für den am 15., 16. und 17. Dezember 1989 in Mühlhausen stattfindenden Schönheitswettbewerb zur Wahl der ›Miss Thomas Müntzer‹ durch die LPG »Thomas Müntzer« in Mühlhausen, vgl. Das Volk. Organ der Bezirksleitung der SED vom 26.08.1989, 4. Auf Druck offizieller Stellen korrigierte die LPG ihren »Schreibfehler« in »Miss Thuringia«, ebd., 01.09.1989.
54) Gerhard Brendler: Studium der Geschichte aus dem Drang nach Erkenntnis. In: 2. Tagung des Thomas-Müntzer-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik am 19. Januar 1989, 34–38.
55) Siegfried Bräuer: Zahlreiche Veranstaltungen im Kalender der Kirche. In: Ebd., 45–48. Wie die Leitung des Komitees den Gaststatus anstelle der angebotenen Mitgliedschaft des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR akzeptiert hat, so erklärte sie sich auch einverstanden, nur eine Information statt eines erwarteten Berichts zu geben, deren Wortlaut außerdem nicht, wie verlangt, vor der Sitzung eingereicht wurde. In der kirchlichen Dokumentation wurde die Information für das Müntzer-Komitee der DDR unter die Überschrift »Thomas Münzer – ein sperriges Erbgut der Kirche« gestellt, vgl. Zwischen Anpassung und Verweigerung. Dokumente aus der Arbeit des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. I. A. des Rates der EKD hrsg. von Christoph Demke, Manfred Falkenau u. Helmut Zeddies. Leipzig 1994, 116–118.
56) Unter diesem Aspekt ist wohl auch die fehlende Resonanz auf Laubes Information über das 17. Expertengespräch an die Abt. Wissenschaften des ZK der SED vom 14.12.1988 zu sehen, in der es heißt, dass Bräuer eine eigene Thesenreihe vorgelegt habe, »die vor allem unsere Wertung von Müntzers Theologie als einer Theologie der Revolution grundsätzlich infrage stellte«. Vgl. Heise/Stache (Hrsg.): Dialog, 225 (wie Anm. 14).
57) Adolf Laube: Probleme des Müntzerbildes. URANIA-Mitteilungen 8/1988, 3–12; Gerhard Brendler: Zur Ideologie Müntzers. URANIA-Mitteilungen 1/1989, 3–7. Vgl. auch Gerhard Brendler/Adolf Laube: Ein neues Müntzerbild? URANIA 3/1989, 12–17.
58) Vgl. Heise/Stache (Hrsg.): Dialog, 226 (wie Anm. 14).
59) Arbeitskreis 1 (Soziale Grundlage und soziales Umfeld): Volker Press/ Tübingen; Arbeitskreis 2 (Leben und Wirken): Siegfried Bräuer/Berlin, Eike Wolgast/Heidelberg; Arbeitskreis 3 (Theologie und Ideologie): Helmar Junghans/ Leipzig, Reinhard Schwarz/München.
60) Adolf Laube: Thomas Müntzer und die frühbürgerliche Revolution. ZfG 38 (1990), 2, 128–141, bes. 128 f. (bearbeitete Fassung).
61) Ebd., 130 f.
62) Ebd., 135.138–140.
63) Ebd., 141.
64) Günter Vogler: Thomas Müntzers Sicht der Gesellschaft seiner Zeit. ZfG 38 (3/1990), 218–234, bes. 231 f. (erweiterte Fassung). Neudruck in: Ders.: Thomas Müntzer und die Gesellschaft seiner Zeit. Mühlhausen 2003, 9–27.
65) Ebd., 233 f.
66) Vgl. Maßnahmeplan des Ministerums (wie Anm. 37); Ich, Thomas Müntzer, eyn knecht gottes. Historisch-biographische Ausstellung des Museums für Deutsche Geschichte Berlin, 8. Dezember 1989 bis 28. Februar 1990.
67) Ich, Thomas Müntzer, 50.54 f.65–69.72.95.98–100.102. Vgl. dazu Manfred Kobuch: Der beschwerliche Weg von Thomas Müntzers Briefwechsel aus Dresden nach Moskau. In: Archive und Gedächtnis. FS für Botho Brachmann, hrsg. v. Friedrich Beck, Eckart Henning, Joachim Felix Leonhard, Susanne Paulokat, Olaf B. Rader. Potsdam 2005, 615–620.
68) Vgl. Werner Müller: Stationen aus dem Leben eines revolutionären Gottesknechtes. Bemerkenswerte Müntzerausstellung im Museum für Deutsche Geschichte. Neues Deutschland vom 11. Dezember 1989, 10.
69) 2. Tagung des Thomas Müntzer-Komitees, 51 f. (wie Anm. 54): Der Um­wechslungskurs 1 Mark der BRD gegen 7 Mark der DDR; Notwendigkeit der Mauer noch in 50 und 100 Jahren, wenn die Gründe nicht beseitigt werden.
70) Eine der seltenen kritischen Auseinandersetzungen mit der marxistischen Müntzerrezeption enthält der von der Literaturwissenschaftlerin Marianne Schmidt 1981 im Verlag Neues Leben hrsg. Band »Das Huhn des Kolumbus. Espresso-Geschichten«. Unter den 19 phantasievollen literarischen Versuchen, sich historischen Personen zu nähern, ist auch der des Greifswalder Physikers Otto Emersleben: »An jenem 31. April« (97–114). Der Autor erzählt, dass Müntzer nach seiner Niederlage nicht hingerichtet wurde, sondern von den Fürsten als Herr über ein kleines Territorium eingesetzt wurde, um seine sozialen Vorstellungen zu praktizieren. Am Ende heißt es: »Man hätte den Müntzer nicht gründlicher an die Kette legen können als durch diese Herrschaft« (113). Die Geschichte wurde zwar nach einigen Schwierigkeiten gedruckt, aber bei der 2. Aufl. aus dem Band entfernt.
71) Z. B. durch Laube bei der Tagung »Thomas Müntzer – Theologe der Revolution?« vom 6. bis 7. Mai 1989 in der Katholischen Akademie Schwerte.
72) Gerhard Brendler: Müntzer im Urteil der Geschichte – seine umstrittene Stellung in der Gesellschaft. die zeichen der zeit 44 (1/1990), 1–6, bes. 1 u. 5 f.
73) ena 42 (Nr. 24, 15. Juni 1989), 16 f.
74) Vgl. Freunde und Feinde. Friedensgebete in Leipzig zwischen 1981 und dem 9. Oktober 1989. Dokumentation. Hrsg. v. Christian Dietrich u. Uwe Schwabe. Leipzig 1994, 533.
75) Walter Hammer/Uwe-Peter Heidingsfeld (Hrsg.): Die Konsultationen. Ein Ausdruck der »besonderen Gemeinschaft« zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Bund der Evangelischen Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik in den Jahren 1980 bis 1990. Frankfurt a. M. 1995, 247.
76) Für die Kirchenpresse vgl. Mecklenburgische Kirchenzeitung 44 (Nr. 10, 5. März 1989): Kommentar des Chefredakteurs Hermann Beste »Ein sperriges Erbgut: Wenn das (aufgenötigte?) Geburtstagsgedenken für Thomas Müntzer in der Kirche vorbei ist, wird von ihm wohl kaum noch die Rede sein. Gewiss zu Recht!«
77) Neues Deutschland 44 (Nr. 214/11. September 1989), 2. Zum Konflikt vgl. Günter Vogler: Die Darstellung Thomas Müntzers in der bildenden Kunst. In: Ders. (Hrsg.): Thomas Müntzer in der Erinnerungskultur. Das Beispiel bildende Kunst. Mühlhausen 2008, 5–63, bes. 41 f.; Klaus F. Messerschmidt: »Eine surrealistische Szene in den Kulissen der Heiligen«. Tagebuchnotizen zum Thomas-Müntzer-Denkmal in Stolberg/Harz, in: A. a. O., 110–152. Zur letzten Einweihung eines Müntzerdenkmals in Borkheide (Zentrale Bildungsstätte der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands) am 21. November 1989 vgl. Fleischauer: »Die Enkel ... «, 309–311 (wie Anm. 6).
78) Honecker: Die Gewalt dem Volke, 3 (wie Anm. 21). Die metaphorische Anleihe stammt vielleicht von einer Vorlage Brendlers, vgl. auch Gerhard Brendler: Studium der Geschichte aus dem Drang nach Erkenntnis. In: 2. Tagung des Thomas-Müntzer-Komitees, 34–38, bes. 37 (wie Anm. 54). Zur Anknüpfung durch CDU-Funktionäre vgl. z. B. Werner Wünschmann: Müntzer – Visionär einer neuen Welt. Neue Zeit 45 (Nr. 207, 2. September 1989), 5; Günter Wirth: »Müntzerische« Biographien. Ebd. (Nr. 213, 9. September 1989), 5.
79) Messerschmidt: »Eine surrealistische Szene …«, 145 (wie Anm. 77).
80) Dietmar Keller: Minister auf Abruf. Möglichkeiten und Grenzen von 121 Tagen im Amt. Berlin 1990, 170–176. Im ungedruckten letzten Drittel der Rede ist Keller in überbewertender Weise auf die Erfahrungen im Gedenkjahr und auf zu erwartende Reformen (z. B. Wiederherstellung der fünf Länder) eingegangen. Zu dem Festakt vgl. Günter Wirth: Zu Aspekten der Müntzer-Rezeption. Mühlhäuser Beiträge 14 (1991), 70–75; Junghans: Spätmittelalter, 291 (wie Anm. 45); Fleischauer: »Die Enkel ... «, 301–303 (wie Anm. 6).
81) Vgl. Kobuch: Der beschwerliche Weg, 620 (wie Anm. 67). Keller konnte mir auf meine Bitte um einen entsprechenden Versuch am 25.01.1990 nur mitteilen, er habe »während einer Konsultation mit dem neuen Minister für Kultur der UdSSR, Nikolai N. Gubenko, Ende Dezember vergangenen Jahres in Mos­kau« über den Wunsch einer Rückführung ins Staatsarchiv Dresden gesprochen und auch einen Austausch angeboten. Gubenko habe versprochen, »über dieses Ersuchen nachzudenken«. Die Angelegenheit sollte über die Hauptabteilung Internationale Beziehungen »weiter verfolgt und einer baldigen Lösung zugeführt« werden. Weitere Nachrichten liegen nicht vor.
82) Zu beachten sind vor allem die Veröffentlichungen der Thomas-Müntzer-Gesellschaft e. V., von denen seit 2000 16 Nummern erschienen sind. Zur bibliographischen Dokumentation der Müntzer-Publikationen vgl. die jährliche Lutherbibliographie im Lutherjahrbuch.
83) Thomas-Müntzer-Ausgabe. Kritische Gesamtausgabe. Bd. 2: Thomas Müntzer. Briefwechsel. bearb. u. komment. v. Siegfried Bräuer u. Manfred Kobuch. Leipzig 2010; Bd. 3: Quellen zu Thomas Müntzer. Bearb. v. Wieland Held u. Siegfried Hoyer. Leipzig 2004.
84) Vgl. z. B. Berndt Hamm: Einheit und Vielfalt der Reformation – oder: Was die Reformation zur Reformation machte. In: Ders./Bernd Moeller/Dorothea Wendebourg: Reformationstheorien. Ein kirchengeschichtlicher Disput über Einheit und Vielfalt der Reformation. Göttingen 1995, 57–127, bes. 126 f.; Hans-Jürgen Goertz: Eine ›bewegte‹ Epoche. Zur Heterogenität reformatorischer Bewegungen. In: Ders.: Radikalität der Reformation. Göttingen 2007, 23–53.
85) Günter Vogler: Thomas Müntzer – Irrweg oder Alternative? Plädoyer für eine andere Sicht. Archiv für Reformationsgeschichte 103 (2012), im Druck.
86) Vgl. z. B. Bräuer: Thomas Müntzers Weg, 80 (wie Anm. 20): »Vorbehaltlos lässt sich Müntzers Wollen und Wirken auch für Christen unserer Tage nicht übernehmen. Wir stehen aber vor der Aufgabe, seine Gedanken aufzuarbeiten, denn er hat, bei aller Begrenztheit seiner Sicht, frühzeitig den Finger erstaunlich hellsichtig auf zentrale Fragen des evangelischen Glaubens gelegt, die schon ungenügend gelöst wurden, als die Reformation sich auszubreiten begann« (exemplarisch werden genannt: Heiliger Geist, christliche Hoffnung, Glaube als Nachfolge, Bibel, Gottesdienst und Gemeinde, Obrigkeit, Glaube und Leben, Weltverantwortung).
87) Orientierungshilfe zum Gedenken des 500. Geburtstages von Thomas Müntzer im Jahre 1989. die zeichen der zeit 42 (Nr. 3/1988), 79–81.
88) Christoph Demke: Unsere Gegenwart und Gottes Zukunft. Müntzers Herausforderung als Anfrage an Kirche und Gesellschaft. die zeichen der zeit 43 (Nr. 11/1989), 269–276, bes. 269 f.275.
89) Gerhard Ebeling: Luther II. Theologie. In: RGG3 Bd. 4 (1960), 495–520, bes. 507.
90) Adolf Martin Ritter: Protestantismus und Freiheit. Streiflichter auf die Geschichte einer spannungsreichen Beziehung. In: Ders.: Vom Glauben der Christen und seiner Bewährung in Denken und Handeln. Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte. Mandelbachtal/Cambridge 2003, 227–237, bes. 229. Zu Luther vgl. bereits Franz Lau: Luthers Lehre von den beiden Reichen. Berlin 1952, 92 f.: »Luthers Rede ist immer dialektisch […] Erst mit der gegensätzlichen Rede zusammen ergibt die Äußerung Luthers den realen Sinn.«
91) Siegfried Bräuer/Helmar Junghans (Hrsg.): Der Theologe Thomas Müntzer. Untersuchungen zu seiner Entwicklung und Lehre. Berlin/Göttingen 1989, 5.
92) Vgl. Anm. 55. Zur politologischen Rezeption vgl. Zimmering und Münkler (wie Anm. 3), zur geschichtstheoretischen Rezeption z. B. als Vergleichsbeispiel für die revisionistische Darstellung der Geschichte Irlands bei Steven Ellis: Revisionismus. In: Joachim Eibach/Günter Lottes (Hrsg.): Kompass der Ge­schichte. Ein Handbuch. Göttingen 2002, 342–354, bes. 347.