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Ausgabe:

März/1996

Spalte:

255 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Peels, H. G. L.

Titel/Untertitel:

The Vengeance of God. The Meaning of the Root NQM and the Function of the NQM-Texts in the Context of Divine Revelation in the Old Testament.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1995. XIV, 326 S. gr. 8o = Oudtestamentische Studien, 31. Lw. Nlg. 135,­. ISBN 90-04-10164-0.

Rezensent:

Jutta Körner

Ein Desideratum in der Theologie des AT will der Vf. mit der Publizierung seiner Dissertation streichen. Das Thema "Rache, Vergeltung" wurde bisher weder philologisch noch literarisch noch theologisch befriedigend beachtet. Überblickt man die Theologien zum AT des 20. Jh.s ­ von E. König bis H. D. Preuß ­, so sucht man z.T. vergeblich nach dem Thema, z.T. findet sich eine kurze, fragmentarische Abhandlung "and lacking a deeper theological reflection" (274). In der deutschen, auch englischen und französischen Sprache wird das Wort "Rache" mit einem "eindeutig negativen Urteil" (1) gebraucht. "Rache [wird] aus eigenem Urteil und Entschluß (als) Vergeltung geübt" (2). Den semantischen Wert der hebräischen Wurzel NQM und die ambivalenten Textstellen sowie Sinn und Bedeutung des Theologumenons im Kontext der alttestamentlichen Offenbarung vorzulegen, sind Ziel und Methode dieses Buches. Der. Vf. hat die selbstgestellte Aufgabe gemeistert.

"Contents" (V-VIII), "Preface" (IX) und "Abbreviations" (XI-XIV) stehen am Anfang, am Schluß der Untersuchung stehen "Select Bibliography" (313-324) und "Index of Texts" (325 f.). Der Hauptteil umfaßt sechs Kapitel (1-297), der durch drei Appendices ergänzt ist; Appendix A: "God’s Vengeance and the Demonic (P. Volz)" (298-302), Appendix B: "God’s Vengeance and the Concept of Retribution (K. Koch)" (302-305), Appendix C: "The Vengeance of God in the Inter-Testamental Literature and in the New Testament" (306-312).

"Chapter 1: Introduction" (1-14) benennt das Problem der "Rache" bzw. der "Rache Gottes" im AT. "Chapter 2: Lexicogrphical and statistical overview" (15-27) und "Chapter 3: The root NQM in the Umwelt of the Old Testament" (28-42) sind Grundlage für die folgenden exegetischen Untersuchungen. Mit Akribie ist "Chapter 4: Exegetical research: NQM in the Old Testament" (43-264) erarbeitet. Der erste Teil behandelt die Textstellen, in denen der Mensch Subjekt des Satzes ist (43-102). Die drei Abschnitte sind jeweils mit einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse abgeschlossen. Hinzugefügt ist "Excursus I: Blood vengeance in the Old Testament" (79-86). Blutrache wurde im vorstaatlichen Israel sicher geübt, jedoch gibt es kein Beispiel der Praxis. Im zweiten Teil sind die Texte verhandelt, in denen Gott als Subjekt steht (102-264). In etwa 85% aller Texte ist Gott Subjekt, das bedeutet, Rache ist Vorrecht Gottes oder seiner Instrumente, die Gott gebraucht ­ wie Herrscher oder Richter. Die vier Abschnitte untersuchen die Prophetie gegen Israel, die Prophetie gegen die Völker, die Psalmen und Konfessionen Jeremias sowie die Geschichtsliteratur. Eingeschoben ist "Excursus II: Imprecatory prayers and prayers for vengeance in the Old Testament" (234-246). Auffallend ist die Konzentration der Wurzel NQM in den Prophetenbüchern. Die "Rache Gottes" ist konstitutives Element zur Disziplinierung für die Wiederherstellung des Bundesverhältnisses zwischen Gott und Mensch wie auch in der Eschatologie mit der Metapher vom "Tag Jahwes", dem Tag des Gerichts und der Gnade. "The theologumenon of God’s vengeance is an early element of the Old Testament revelation of God (Dt 32) and has deep roots in the confession concerning YHWH (Nah1)" (208).

"Chapter 5: The meaning of the root NQM" (256-268) gibt die Unterscheidung von negativem und positivem Sinn in fünf Bedeutungen an, wobei NQM in Verbindung mit bestimmten Wörtern im Kontext steht: "Juridical v.", "retributive v.", "liberating v.", "emotional v.", "rancorous v.".

"Chapter 6: The place and function of the vengeance of God in the divine revelation of the Old Testament" (269-297). In der Kain-Abel-Erzählung folgt der "Rache Gottes" der göttliche Schutz in einer gefallenen Welt. Eine einzigartige Bedeutung kommt dem Mose-Lied in Dt 32 als "Kompendium prophetischer Theologie" zu (269). Die Zukunft Israels und seiner Geschichte ist im Kontext der "Rache Gottes" verortet. Eine Schlüsselposition nimmt das Thema im Jesajabuch ein. Jes 1 hat weisenden, programmatischen Charakter. Jes 34 und 35 sind Bindeglied zwischen Prophetie und Gericht. "God’s coming in judgment and in deliverance stands in the rubric of vengeance" (270). Höhepunkt der Prophetie Deuterojesajas ist Jes 47, den Weg der Rückkehr nach Zion beschreibend. Eine herausragende Stellung hat die "Rache Gottes" auch bei Tritojesaja. Es ist die Predigt von Zions neuer Zukunft in Jes 59-63. Bestimmend ist das Thema auch bei Jeremia im dreifachen Refrain in Jer 5 und 9 wie auch in den Konfessionen Jer. 11.15.20. Akzentuiert ist die Majestät Gottes, der sein Volk und die Völker zur Verantwortung zieht. In der Botschaft Ezechiels markiert das Thema simultan Ende und Wende der Leiden Gottes an Israel. Das Nahumbuch ist als "Theologie der Rache" mit dem dreifachen Bekenntnis zum "God-the-Avenger", Nah 1,2 ff. charakterisiert (271). In den Psalmen setzt das Volk oder der Einzelne seine Hoffnung auf den "rächenden Gott", Ps 99 u.a. "With Moses, the prophets and psalms, the vengeance of God upon the nations forms an un-mistakable element in the hope that directed toward the eschaton" (271).

Menschliche Rache geschieht im zivilen Bereich und in der Justizverwaltung wie in der Kriegsführung. Die "Rache Gottes" kann nur von seinen Taten als König, Richter, Krieger verstanden und von den Aspekten seines Seins ausgedrückt werden. Die Königsherrschaft gehört zum Fundament der göttlichen Offenbarung im AT. Das Königtum Gottes ist universal und partikular zugleich, immerwährend und ewig, aktiv-dynamisch und nicht statisch. "Die Verwirklichung der allumfassenden Gottesherrschaft ist das Proton und das Eschaton Israels" (278; vgl. M. Buber). Gott ist König, der in Souveränität herrscht, Gott ist Richter, der Recht und Gerechtigkeit liebt, Gott ist Krieger, ein erschreckender, furchterregender Herr ­ in militärischer Terminologie beschrieben, aber nicht als Kriegsgott wie Ischtar. Die Aspekte des Seins Gottes sind Heiligkeit, Eifer, Gerechtigkeit ­ nicht iustitia distributiva, sondern iustitia salutifera ­, Liebe, die nicht kontradiktorisch zur Rache steht, sondern Rettung und Schutz ist. "Wrath and vengeance are variables, while love is a constant in God’s relationship with mankind" (294). Die "Rache Gottes" ist kein zeitgebundenes Theologumenon; es wurzelt im Bekenntnis Israels zu seinem Gott.

Zusammenfassend beschreibt der Vf. "the vengeance of God": "The punishing retribution of God who in kingly sovereignty ­ faithfull to his covenant ­ judging and fighting arises to defend the honour of his name, insures the maintenance of his justice and works for the liberations of his people" (277).