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Ausgabe:

März/1996

Spalte:

253–255

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Moenikes, Ansgar

Titel/Untertitel:

Die grundsätzliche Ablehnung des Königtums in der Hebräischen Bibel. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte des Alten Israel.

Verlag:

Weinheim: Beltz Athenäum 1995. 256 S. gr. 8o = Bonner Biblische Beiträge 99. DM 88,­. ISBN 3-89547-073-2.

Rezensent:

Ludwig Schmidt

In seiner für den Druck leicht überarbeiteten religionswissenschaftlichen Dissertation, die 1994 von der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn angenommen wurde, vertritt der Vf. die These, daß das Königtum erstmals von Hosea und dann in der Exilszeit mit theologischen Argumenten grundsätzlich verworfen wurde. Es sei aber bereits in davidisch-salomonischer Zeit wegen der sozialen Veränderungen, die durch es entstanden, abgelehnt worden. Die radikale Königtumskritik habe somit eine Entwicklung durchlaufen.

Nach einer Einleitung "Probleme, Aufgabe, Methode" (13-20) und einer Liste redaktionsgeschichtlicher Abkürzungen (20 f.) analysiert der Vf. im I. Teil 1Sam 8; 10,17-27; 12 und Ri 8,22-9,57 literarkritisch, formkritisch und traditionsgeschichtlich (23-173). In 1Sam 8; 10,17ff.; 12 (23-103) sei literarisch im wesentlichen zwischen einer Grundschicht und zwei Bearbeitungen zu unterscheiden (vgl. die Zusammenfassung 39). Zur Grundschicht gehöre: 8,1-7aa.9 (ohne "und nun"); "da sagte Samuel" aus V. 10; V. 11*-17.22b; 10,17.18aa.19b*-27; 12,1. 2a.bb-6a (ohne den Gesalbten in V. 3.5). 7-11.16-17a.18-19a. 20a.24. In sie wurde ein Traditionskomplex aus davidisch-salomonischer Zeit aufgenommen (8,1-6a*.11-17; 12,2a.bb-5*), in dem das Königtum aus sozialpolitischen Gründen abgelehnt wurde. Er enthalte drei selbständige Traditionen (8,1-3*; und aus davidisch-salomonischer Zeit 8,11-17; 12,3-5*) (90 ff.). Außerdem lag der Grundschicht eine Tradition über die Kö-nigseinsetzung Sauls im Heerlager (10,21bbff*) und eine Überlieferung über den Großmut Sauls gegen seine Gegner (10,26b.b.27; 11,12 f.) vor, die nur noch fragmentarisch erhalten seien (79ff). Eine erste Bearbeitung habe die Grundschicht durch 8,7ab.b; "und nun" in V. 9; V. 18-22a; 10,19a; 12,2ba. 12-15.17b.19b. 20b.23.25 erweitert. Erst in ihr habe das Volk mit seinem Königswunsch das Königtum Jahwes verworfen. Die zweite Bearbeitung fügte 1Sam 8,8.10*.11*("da sagte er"); 10,18ab.b; 12,6b ein.

Auch in Ri 8,22-9,57 (105-150) seien diese drei Schichten nachweisbar (vgl. die Zusammenfassung 143ff). Ri 8,28-33aa. 34.35; 9,1-15a.16.19b.21-57a gehöre zur Grundschicht. In sie seien die ursprünglich selbständige Jotamfabel (9,8-15a) aus davidisch-salomonischer Zeit, in der das Königtum als ökonomisch kontraproduktiv verurteilt werde, und verschiedene Traditionen über Abimelech aufgenommen worden. Von der ersten Bearbeitung stamme die theologisch begründete Ablehnung des Königtums in 8,22f und 9,15b.17-19a.20.57b, von der zweiten 8,24-26a.27.33ab.b.

Im folgenden ordnet der Vf. diese drei literarischen Schichten historisch ein, wobei er ein deuteronomistisches Ge-schichtswerk bestreitet (151-173). Die Grundschicht stamme aus einem Efraimitischen Geschichtswerk "EfrG" in Jos 24-1Sam 12*, das wohl in der Mitte des 8. Jh.s im Nordreich entstanden sei. Da es radikal antikönigliche Traditionen aufnehme, sei es zwar königskritisch, in ihm werde jedoch das Königtum nicht grundsätzlich abgelehnt (157). Dagegen schließe für die erste Bearbeitung das Königtum Jahwes ein menschliches Königtum aus. Sie wird als RAP bezeichnet, da diese Redaktion den Alleinvertretungsanspruch Jahwes, den bereits EfrG vertreten habe, politisch begründe (167). Sie sei in der Exilszeit vor 550 entstanden, da sie keinerlei Hoffnung auf eine Wende habe. Sie kenne also noch nicht den Eroberungszug des Kyros. Die Ursache für die Exilssituation "besteht für RAP im Königswunsch des Volkes, den sie als Verwerfung JHWHs als König verurteilt" (171). Auch die zweite Bearbeitungsschicht enthalte keine Hoffnung und sei deshalb ebenfalls "noch etwa in die Mitte der Exilszeit anzusetzen". Der Vf. nennt sie RAK, da diese Redaktion "den kultischen Alleinvertretungsanspruch, den Alleinverehrungsanspruch JHWHs" durchsetzen wolle (173).

Im "II. Teil: Hoseas Stellung zum Königtum" (175-208) analysiert der Vf. nach einem kurzen Forschungsüberblick (175-177) zunächst die Texte, die sich auf das Königtum beziehen (177-199). 2,1-3 und 3,5 seien sekundär. In seiner Auswertung (201-208) betont der Vf., daß Hosea das Königtum grundsätzlich abgelehnt habe. Seine Kritik sei sowohl realpolitisch als auch theologisch, da er das Handeln der Könige kritisiere, aber auch das Königtum als Fremdgötterkult verurteile (206).

Im "III. Teil: Auswertung und Systematisierung der Ergebnisse" (209-221) behandelt der Vf. zusammenfassend die Theologisierung der grundsätzlichen Ablehnung des Königtums als Beispiel für die Theologisierung von Phänomenen der Lebenswirklichkeit. Die frühstaatliche Ablehnung des Königtums habe keiner theologischen Begründung bedurft, da sie wegen der tiefen sozialen und wirtschaftlichen Einschnitte durch das Königtum aus sich plausibel gewesen sei. Eine Eigenplausibilität habe die Ablehnung des Königtums auch in der realpolitischen Kritik Hoseas. Wie seine theologische Be-gründung zeige, gehöre aber bei Hosea die Verwerfung des Königtums zu seinem Kampf um die alleinige Verehrung Jahwes in Israel. Diese Auseinandersetzung sei bei RAP weitgehend entschieden. Hier werde das Königtum ausschließlich theologisch abgelehnt, da es keinen König mehr gab. Das sei auch die Voraussetzung dafür, daß Jahwe jetzt in der königskritischen Tradition erstmals "König" genannt und ein expliziter Gegensatz zwischen Jahwe als dem König Israels und dem menschlichen Königtum hergestellt werden konnte. Am Ende des Buches stehen Literaturverzeichnis (223-250) und ein Stellenregister (251-258).

Dem Vf. ist m.E. darin zuzustimmen, daß die theologische Ablehnung des Königtums nicht aus der frühen Königszeit stammt. Ob die Jotamfabel (Ri 9,8-15a) und das Königsrecht (1Sam 8,11 ff.) tatsächlich als Reaktion auf die sozialen Veränderungen in der frühen Königszeit entstanden sind, muß die weitere Diskussion zeigen. Da in 1Sam 8,11 ff. die Angeredeten lediglich mit Suffixen erwähnt werden, erhebt sich die Frage, ob dieses Königsrecht auf eine selbständige Überlieferung zurückgeht, wie der Vf. mit vielen anderen annimmt. In hohem Maße problematisch sind aber die literarischen Analysen in Teil I. Dafür können hier nur einige Beispiele genannt werden. 1Sam 8,22b kann ursprünglich nicht direkt auf 8,17 gefolgt sein. Mit dem Königsrecht warnt Samuel vor dem Königtum. Dann muß vor 8,22b berichtet werden, wie die Angeredeten auf diese Warnung reagiert haben. Literarisch läßt sich somit 8,19-22a nicht von dem Königsrecht trennen. Das spricht auch dagegen, daß es den von dem Vf. aus 1Sam 8 und 12 rekonstruierten vorliterarischen Traditionskomplex gab. 1Sam 12,12-15 kann nicht jünger sein als 12,7-11, da der Geschichtsrückblick deutlich darauf abzielt, den Königswunsch (V. 12) zu verurteilen. Dann sollte aber das Gewitter in V. 16 ff. dem Volk schon immer seine Schuld bewußt machen. Im übrigen spricht auch die Erwähnung Aarons neben Mose (V. 8) dagegen, daß 1Sam 12 einen vorexilischen Kern enthält. Gegen den Vf. wird auch an der deuteronomistischen Herkunft von Ri 8,28 mit der Ruheformel festzuhalten sein. Damit fallen wichtige Bausteine für das vom Vf. postulierte Efraimitische Geschichtswerk. Seine Bestreitung eines deuteronomistischen Geschichtswerks ist nicht überzeugend. Der Königswunsch wird zwar in 1Sam 8 und 12 kritisiert. Trotzdem läßt Jahwe das Königtum zu. Die Institution als solche ist dann hier nicht die Ursache für die Katastrophe von 587. Die Entstehung von 1Sam 8-12 ist gegenwärtig heftig umstritten (vgl. die Übersicht bei W. Dietrich/Th. Naumann, Die Samuelbücher, 1995, EdF 287, 16 ff.). Die ausführlichen Analysen des Vf.s zu den königskritischen Texten dieses Komplexes sind aber m.E. leider kein weiterführender Beitrag.