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Ausgabe:

März/1996

Spalte:

246 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ruppert, Lothar u. Hans-Josef Klauck

Titel/Untertitel:

Die Interpretation der Bibel in der Kirche. Das Dokument der Päpstlichen Bibelkommission vom 23.4.1993 mit einer kommentierenden Einführung und einer Würdigung.

Verlag:

Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1995. 174 S. 8o = Stuttgarter Bibelstudien, 161. Kart. DM 43,80. ISBN 3-460-04611-2.

Rezensent:

Hubert Kirchner

Es war schon ein eigentümliches Zusammentreffen. Am 11. Oktober 1992 unterzeichnete Papst Johannes Paul II. die Apostolische Konstitution "Fidei depositum" zur Veröffentlichung des neuen "Katechismus der Katholischen Kirche". An der Spitze der für dessen Erarbeitung verantwortlichen Kommission stand der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger. Wenige Monate später überreichte derselbe in seiner Eigenschaft als Präfekt der Päpstlichen Bibelkommission dem Papst auch das Dokument über die Interpretation der Bibel in der Kirche. Und der Papst dankte der Kommission für die ausgezeichnete Arbeit. Zwei hochrangige Dokumente, offenbar aus derselben Quelle und mit weiten thematischen Berührungsflächen, und doch ­ welch ein Unterschied, ja: Gegensatz! Das eine der Versuch, gleichsam exegesefrei die biblische Botschaft in die kirchliche Lehre umzusetzen, das andere eine weitreichende Bestandsaufnahme gegenwärtiger Wege und Möglichkeiten zur theologischen Erschließung der Heiligen Schrift, ohne die die Verkündigung dieser Botschaft heute kaum noch verantwortbar scheint, um "die Wege auf(zu)zeigen, die zu einer dem menschlichen und zugleich göttlichen Charakter der Bibel möglichst getreuen Auslegung führen" (95); das eine ein Dokument, das die Bibel nach Kräften und unangefochten von historischen oder hermeneutischen Rückfragen als Arsenal beweiskräftiger Zitate benutzt, das andere ein Plädoyer gerade gegen diese Versuchung und damit eine ernste Warnung vor der Gefahr, auf den Stand einer vorkritischen Auslegung zurückzufallen.

Um so wichtiger scheint, daß dieses Dokument entsprechend wahrgenommen und ernstgenommen wird, in der eigenen Kirche, in der Theologie und nicht zuletzt im ökumenischen Bemühen um die allen Christen gemeinsame Botschaft der Heilige Schrift. Die vorliegende Broschüre scheint ein gutes Hilfsmittel dafür zu sein. Sie bietet (91-168) dieses Dokument der Päpstlichen Bibelkommission in der revidierten deutschen Übersetzung, die zuerst in der Reihe "Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls" (Nr. 115) erschien. Vorausgestellt wird eine "Kommentierende Einführung in das Dokument" von Lothar Ruppert, selbst Mitglied der Päpstlichen Bibelkommission, (9-61) und eine "Darstellung und Würdigung" von Hans-Josef Klauck (62-90). Den Abschluß bildet eine "zusätzliche ausgewählte Bibliographie" zu den verschiedenen in den einführenden und kommentierenden Beiträgen wie im Dokument selber angesprochenen Problembereichen (169-174).

Die beiden das Dokument der Bibelkommission begleitenden Arbeiten ­ dieses selber bedarf einer ausführlicheren Analyse, die im Rahmen dieser Anzeige nicht geleistet werden kann ­ dürfen durchaus parallel gesehen werden, sowohl inhaltlich wie intentional. Sie klären die theologiegeschichtlichen Zusammenhänge mit früheren päpstliche Dokumenten ­ 1893, also vor hundert Jahren, war die erste päpstliche Bibelenzyklika "Providentissimus Deus" erschienen, vor 50 Jahren hatte Pius XII. mit seinem Lehrschreiben "Divinu afflante Spiritu" wichtige Räume gegenüber den bisherigen einengenden Maßstäben geöffnet ­, untersteichen den eigenen Stellenwert des Dokuments gerade gegenüber jenen Verlautbarungen und erschließen dann im raschen Durchgang durch den Text dessen inhaltliche Aussagen und Intentionen, wobei durchaus auch kritische Gesichtspunkte zur Sprache kommen, z.B. hinsichtlich der Würdigung der Arbeit der Exegeten (47 f.) oder zum Verhältnis von Exegese und Dogmatik (50 f.).

R. kommt schließlich zu dem Schluß: "Das Dokument stellt einen Meilenstein auf dem über lange Zeit nicht konfliktfreien Weg des kirchlichen Lehramts mit der katholischen Exegese dar. Hinter diesen Meilenstein kann es kein Zurück mehr geben, wenn das Lehramt nicht unglaubwürdig werden will." Und er fügt hinzu: "Ist es nach alledem verwegen, zu hoffen, daß künftige lehramtliche Verlautbarungen, etwa der Glaubenskongregation, auch dieses Dokument beachten und berücksichtigen werden?" (60 f.) Klauck hingegen resümiert, nachdem er den Mitgliedern der Päpstlichen Bibelkommission Respekt gezollt und Dank gesagt hat: "Eines dürfte allerdings feststehen: Die Art und Weise, wie der neue Katechismus der Katholischen Kirche Exegese betreibt, direkt und indirekt, läßt sich mit den Leitlinien des neuen Dokuments der Päpstlichen Bibelkommission, das fast zeitgleich mit der deutschen Übersetzung des Katechismus im Jahre 1993 promulgiert wurde, keinesfalls vereinbaren (und auch mit anderen zeitgleichen oder neueren Äußerungen nicht)." (89)