Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/1996

Spalte:

244 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ekkschmitt, Werner

Titel/Untertitel:

Ugarit –­ Qumran –­ Nag Hammadi. Die großen Schriftfunde zur Bibel.

Verlag:

Mainz: Zabern 1993. 324 S. m. 13 Abb., 26 Taf. 13 Farbtaf. gr. 8o = Kulturgeschichte der antiken Welt. Sonderband. Lw. DM 49,80. ISBN 3-8053-1424-8

Rezensent:

Wolfgang Stegemann

Der Autor hat klassische Philologie, Philosophie und Religionsgeschichte studiert. Aus seiner Feder stammen weitere Sachbücher (etwa über Die Sieben Weltwunder). Auch das vorliegende Werk versteht sich als ein Sachbuch, das sich nicht an Fachgelehrte, sondern an einen weiten Leserkreis von Interessierten richtet. Das Buch ist dementsprechend allgemeinverständlich geschrieben, bietet also eine kurze Zusammenfassung der Entdeckungsgeschichte der jeweiligen Textfunde, Textauszüge (und Ausführungen über die Bedeutung der Texte für die Religionsgeschichte Israels bzw. das frühe Christentum. Viele (Farb-)Tafeln und nicht zuletzt ein Glossar für philologische und theologische Fachausdrücke (308-313) unterstreichen den popularisierenden Charakter des Werkes. Dies ist zweifellos ein notwendiges und legitimes Genre, das die wichtige Aufgabe der breiten Vermittlung der häufig esoterischen fachwissenschaftlichen Diskussionen erfüllt und gerade auf dem hier behandelten komplexen Gebiet antiker Textfunde besonders begrüßenswert ist. Der Autor bemüht sich erfreulicherweise um sachliche Informationen und ist nicht in der Versuchung, durch reißerische Aufmachung und gewagte Hypothesen den Absatz seines Buches zu steigern. Schon die Breite der behandelten Funde ­ Atra-Hasis-Epos, El-Amarna Briefe, Mythen aus Ugarit, die Schriftrollen vom Toten Meer die "Nag Hammadi Papyri" und einige Bibelhandschriften (Sinaiticus z.B.) läßt allerdings vermuten, daß hier kein Experte eigene Forschungsarbeiten ausbreitet. Der Autor lebt aus zweiter Hand, was der verständlichen Darstellungsweise durchaus zugute kommt, aber auch gewisse Gefahren birgt. Beabsichtigt ist, "einen relativ vollständigen Überblick zu geben über die wichtigsten Schriftfunde zur Bibel" (6).

Es geht freilich nur im letzten Teil (Der Text des Neuen Testaments unterwegs zu uns) um Bibelhandschriften, die übrigen Abschnitte beschäftigen sich mit spektakulären Textfunden, die für die Religionsgeschichte der hebräischen Bibel bzw. des Urchristentums und schließlich speziell der christlichen Gnosis von hoher Bedeutung sind. Ich kann hier natürlich nicht auf die Präsentation der einzelnen Textfunde eingehen, sondern beschränke mich auf ein paar Eindrücke. In der Kommentierung verschiedener Texte aus Qumran bemüht sich der Autor begründet um nüchterne Auswertungen der möglichen Relationen zu Jesus bzw. dem Urchristentum. Gleichwohl vermittelt er immer wieder den Eindruck, daß er die Qumrangemeinschaft und deren Texte nicht aus den besonderen Anliegen dieser devianten jüdischen Gruppe deutet, sondern sie wertend durch Gegenüberstellungen zur Botschaft Jesu bzw. dem Profil der Jesusbewegung beurteilt. Zum Beispiel wird der Dualismus der Sektenregel als "Haß" auf den Begriff gebracht (und unhistorisch mit der birkat ha-minim verbunden), diesem "Schrecken" dann das Feindesliebegebot Jesu gegenübergestellt (104).

Ist die Verbindung von lQS mit der birkat ha-minim schon problematisch genug, so fragt man sich, warum fällt dem Autor zur Sektenregel nicht der Dualismus der Johannesapokalypse als Vergleich ein? Und selbst l QS V,24-VI,3, ein Text, der auch nach Meinung des Vf.s an Mt 5,21 ff. erinnert, darf seinen positiven Eigenwert nicht behalten, sondern es wird eher zwanghaft ("Qumran verhandelt es doch gleich vor Zeugen") ein wertender Unterschied beschworen (92). Dieser qualifizierende Vergleich ist keineswegs die Ausnahme, sondern bestimmt insgesamt die Kommentierung der Qumrantexte ("ihr Heilsweg war das Gesetz... Solche Gesetzesfrömmigkeit hat Jesus als äußerlich... abgeschafft": 105), dann auch die Darstellung der Sadduzäer und Pharisäer ("Auch die kleinsteŠ Verrichtung war unter Regeln gesetzt. Es verblieb... überhaupt kein Raum für das Gewissen... für ein persönliches Gottesverhältnis": 141). Mit einem Wort: Insgesamt ist der Vf. noch vom überholten Paradigma einer abwertenden Sicht des Judentums zur Zeit Jesu geprägt.

Im letzten Kapitel geht es um bedeutende Schriftfunde der ntl. Überlieferungsgeschichte. Besonders anschaulich erzählt der Autor von Tischendorf und dem Katharinenkloster ­ offenbar angeregt durch Tischendorf selbst und Th. Schnellers Buch über Tischendorf (1927) ­, den er unter die "großen Deutschen" gerechnet wissen will (274). An einigen Beispielen erläutert er auch die Bedeutung textkritischer Arbeit (293 ff.), seien es Lesefehler, Ergänzungen, merkwürdige Lesarten oder gar theologisch brisante Themen (Jesus als "Gott" bzw. das Comma Johanneum). Wer sich noch nie mit der Textgeschichte des NT beschäftigt hat, bekommt wenigstens einen ersten Einblick. Das meiste ist freilich nur noch von historischer Bedeutung. Insgesamt ein durchaus lesbares, aufwendig gedrucktes Buch, das die trockene Arbeit der Edition antiker Texte bzw. der kritischen Textüberlieferung mit Geschichten über ihre Entdeckung und Aktualisierungen ihrer Bedeutung zu würzen versteht.