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Ausgabe:

September/2012

Spalte:

10104–1016

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Raedel, Christoph

Titel/Untertitel:

Als Beschenkte miteinander unterwegs. Methodistisch-katholische Beziehungen auf Weltebene.

Verlag:

Göttingen: Edition Ruprecht 2011. 251 S. 22,0 x 14,8 cm = Reutlinger Theologische Studien, 7. Kart. EUR 23,90. ISBN 978-3-7675-7141-9.

Rezensent:

Uwe Swarat

Dieser Sammelband lenkt dankenswerterweise die Aufmerksamkeit der ökumenisch interessierten Öffentlichkeit auf einen bilateralen Dialog, der außerhalb der direkt Beteiligten bisher vergleichsweise wenig beachtet wurde und doch zu den längsten, am kontinuierlichsten arbeitenden und ertragreichsten weltweiten Dialogen gehört: der Dialog zwischen dem Weltrat Methodistischer Kirchen und der römisch-katholischen Kirche. Er begann kurz nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, dauert mittlerweile über 40 Jahre und hat bisher acht Berichte hervorgebracht. Wenn man sich fragt, was evangelische Freikirchen zum weltweiten ökumenischen Gespräch beizutragen haben, wird man in erster Linie auf diesen Dialog verweisen müssen.
Das Werk bietet eine deutsche Übersetzung des jüngsten Be­richts der Dialogkommission, der den Titel trägt »Die Gnade, die euch in Christus gegeben ist« und in Seoul 2006 auf Englisch veröffentlicht wurde. Begleitet wird die Übersetzung von sechs Aufsätzen, die auf die bisherige Geschichte des methodis­tisch/römisch-katholischen Dialogs auf Weltebene zurückblicken und von denen zwei römisch-katholische Verfasser haben. Auch die »Geleitworte« von Walter Klaiber und Wolfgang Thönissen sind auf beide Kon­-fessionen verteilt. Abgeschlossen wird der Band erfreulicherweise mit einem Personen- und einem Sachregister. – Auf die Inhalte des recht umfangreichen Dialogberichts von Seoul 2006 (er allein macht ein Drittel des Buchumfangs aus) kann im Rahmen dieser Rezension nicht eingegangen werden. Übersetzt ist er im Großen und Ganzen ordentlich, gelegentlich allerdings auch holprig.
Der Herausgeber des Sammelbandes, der methodistische Theologe Christoph Raedel (Dozent für Evangelische Theologie am CVJM-Kolleg in Kassel) macht in seiner Einleitung auf den Unterschied aufmerksam, »dass der Methodismus für die Gestaltwerdung christlicher Einheit stärker auf das Zusammenstimmen der Herzen setzt, während in der römisch-katholischen Tradition die Übereinstimmung in der Lehre […] Voraussetzung für die volle Kirchengemeinschaft ist« (8). Darum müssten »dogmatische Festlegungen und theologische Reibungspunkte« in eine »Ökumene des Lebens bzw. des Herzens eingebettet« sein. In der Tat: Der Ökumenismus der Wahrheit, der Ökumenismus der Liebe und der Ökumenismus des Lebens können und sollten sich gegenseitig be­fruchten. – In einem der Aufsätze formuliert Raedel »Eindrücke – Analysen – Erwartungen« in Bezug auf den 40-jährigen Dialogprozess. Sie fallen eher nüchtern-zurückhaltend aus. Man müsse »sich eingestehen, dass bestimmte Divergenzen über einen Zeitraum von vierzig Jahren nicht zu überwinden waren und gegenwärtig auch nicht als überwindbar erscheinen« (50). Vor allem beim Leitungsverständnis sieht er eine »Grunddifferenz« zwischen Me­thodisten und Katholiken (38); bei den Methodisten wird nämlich die episkopé (Aufsicht und Leitung) der Kirche gemeinsam von Ordinierten und Laien ausgeübt.
Johannes Oeldemann (Direktor am römisch-katholischen Jo­hann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn) zieht ein positiveres Fazit, behandelt allerdings nicht die Amts- und Leitungsthematik, sondern untersucht den 40-jährigen Gesprächsprozess daraufhin, was zu den Quellen des Glaubens und zum Sakramentsverständnis gesagt wurde und welche praktischen Vorschläge man gemacht hat. Er nimmt eine Spiralbewegung wahr, bei der die Gespräche die genannten Themen immer wieder umkreisen und dabei schrittweise zur Annäherung finden. Diese Spiralbewegung versteht er als eine Bewegung, die von außen zur Mitte führt und d. h. zu Jesus Christus als der »Mitte aller Glaubenslehren« (81 f.).
Geoffrey Wainwright (Professor für Systematische Theologie an der Duke-University in Durham, USA und methodistischer Ko-Vorsitzender der internationalen Dialogkommission) sieht die »Dynamik« dieses Dialogs davon bestimmt, dass der »Austausch von Gaben«, den er mit einem Ökumenismus des Lebens identifiziert, den »Austausch von Gedanken«, den Ökumenismus der Wahrheit, stimuliert hat. Der methodistische Pfarrer Thomas Ge­rold gibt »Überlegungen und Anregungen zum gelebten ökumenischen Miteinander« vor Ort weiter.
Zwei Aufsätze sind dem Beitritt des Weltrates Methodistischer Kirchen zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« zwischen Lutheranern und Katholiken gewidmet, der ebenfalls in Seoul 2006 vollzogen wurde und ein ökumenisches Ereignis ersten Ranges darstellt. Die Vorgeschichte dieser trilateralen Erklärung, ihre Inhalte und ökumenischen Implikationen werden von Manfred Marquardt (emeritierter Professor für Systematische Theologie am methodistischen Theologischen Seminar Reutlingen) und von Burkhard Neumann (Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut) jeweils aus ihrer konfessionellen Perspektive entfaltet. Es wäre er­freulich, wenn der Lutherische Weltbund und die römisch-katholische Kirche jetzt auch den Baptistischen Weltbund zum Beitritt zur Rechtfertigungserklärung einladen würden.