Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2012

Spalte:

975–977

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Slenczka, Reinhard

Titel/Untertitel:

Ziel und Ende. Einweisung in die christliche Endzeiterwartung: »Der Herr ist nahe«.

Verlag:

Neuendettelsau: Freimund-Verlag 2008. 517 S. m. Abb. 23,5 x 15,8 cm. Geb. EUR 39,80. ISBN 978-3-86540-054-3.

Rezensent:

Hans Schwarz

Wie der Titel erklärt, bietet der Erlanger Systematiker Reinhard Slenczka eine umfassende Lehre und Einweisung für das christ­-liche Leben im Glauben an den wiederkommenden Christus, aber keine theologisch wissenschaftliche Abhandlung über die Letzten Dinge. Dem dienen auch die ausführlichen, oft über eine Seite langen Zitate aus der Schrift und der Sekundärliteratur. So beginnt die Einführung mit einem Gebet und das Buch schließt mit der Doxologie.
Am Anfang fällt S. drei Grundsatzentscheidungen. 1. »Die Hei­-ligen Schriften Alten und Neuen Testaments sind das Wort des Dreieinigen Gottes, durch das er sich uns zu erkennen gibt, in dem er zu uns spricht, an uns handelt und zeigt, wie er in dieser Welt wirkt.« (18) 2. Es besteht ein »heilsnotwendiger Zusammenhang von Taufe und Endzeiterwartung« (25; vgl. Mk 16,16). 3. »Rechte Theologie geht von der Offenbarung Gottes in seinem Wort aus.« (28) Danach entfaltet S. in neun Kapiteln sein Thema: 1. Worauf es ankommt (43–66: eine Betrachtung zu 1Kor 15,1–34), 2. Grundlagen, Begriffe und Literatur zur Eschatologie (67–116: eine aus biblischer Sicht wertende Präsentation der deutschsprachigen Buchveröffentlichungen zur Eschatologie), 3. Leib, Seele und Tod (117–216): Vom Sein Gottes her wird ein »Ganztod« verneint, »da sonst auch der Tod mächtiger wäre als Gott« (194). 4. Jenseits des Todes (217– 268: eine Auseinandersetzung mit der Esoterik einschließlich der Reinkarnationsvorstellungen und der Anthroposophie Steiners). Auffallend an diesen Strömungen ist, »dass von Sünde und Schuld, dann aber auch von Umkehr und Vergebung kaum noch die Rede ist. Der Tod erscheint als natürliches oder auch störendes Geschehen« (265).
Das 5. Kapitel »Christliche Bereitung zum Sterben« (269–316) beginnt mit einer biblischen Betrachtung zu 1Kor 15,35–49. Im Ge­gensatz zu modernen Versuchen einer Durchdringung der To­desgrenze gilt es, »Anfechtungen zu bestehen und Versuchungen auf dem Weg durch die Zeit zur Ewigkeit standzuhalten, die sich ge-rade in der Begegnung mit dem Tod aufdrängen« (270). Nach der biblischen Betrachtung wird eine Auswahl von Texten geboten, die die Vorbereitung und Begleitung auf dem letzten Weg eines Menschen erleichtern sollen, wie etwa die sieben Worte Jesu am Kreuz, das Herzensgebet, die Sterbegebete Luthers oder auch Anweisungen von Wilhelm Löhe, Veit Dietrich, oder aus dem Rituale Romanum, jeweils mit entsprechender erläuternder und weiterführender In­terpretation. Dabei ist es nach den oben erwähnten Grundsatzentscheidungen wichtig, dass »die Tauferinnerung in der Sterbebegleitung eine zentrale Bedeutung« hat, denn »manchem wird vielleicht erst auf dem Sterbebett aufleuchten, was er durch die Taufe ist und empfangen hat« (305 f.). Selbst das Grabgeleit und die Grabpflege werden bedacht. Hier werden auch der Zwischenzustand zwischen dem individuellen Tod und dem Endgericht und der Ab­lass kontroverstheologisch erörtert (307–311). Selbst der Rat Luthers wird in diesem Kontext eingebracht: »Willst du für deines Vaters Seele, für deiner Mutter Seele bitten, so magst du es tun daheim in deiner Kammer und das ein- oder zweimal, und lass es danach gut sein.« (314)
In Kapitel 6 widmet sich S. der Unterscheidung von Zeit und Ewigkeit (317–374), wobei er die geozentrische Zeitbestimmung der theozentrischen gegenüberstellt. Unser Verständnis der Geschichte setzt einen linearen Zeitverlauf voraus, der jedenfalls nicht dem Natürlichen entspricht, »sondern er kommt aus der Offenbarung Gottes in seinem Wort. Die Heilsgeschichte verläuft von der Schöpfung bis zum Ende der Welt mit der Wiederkunft Christi linear. So wird von der Ewigkeit Gottes her erleuchtet und bestimmt, was die Zeit ist« (321). Da Christus durch seine Auferstehung nicht zeitbedingt ist, sondern über der Zeit steht, »werden von ihm her und auf ihn hin unsere Jahre gezählt« (322). Da wir in der Zeit leben und von der Zeit bewegt werden, ordnen wir unseren Tagesablauf nach der Zeit. Nach einigen sprachgeschichtlichen Erläuterungen zur Zeit, referiert S. philosophische Überlegungen, etwa die von Platon, der Zeit als Abbild der Ewigkeit versteht, Aristoteles, der die Zeit als Wahrnehmung des Augenblicks ansieht, Kant, für den Raum und Zeit Formen der sinnlichen Anschauung sind, und schließlich Augustin, der die Zeit als von Gott kommend und zu Gott hin­-führend interpretiert. Damit ist S. wieder bei dem theozentrischen Zeitverständnis, das er allerdings christologisch deutet, wenn er schreibt, »dass der nach Christi Geburt ausgerichtete und auf seine Wiederkunft am Ende der Zeit hinauslaufende Kalender ein Be­kenntnis zu der kosmischen Weite der Herrschaft Jesu Christi ist« (351). Entscheidend ist, dass Gott mit seinem Wort über der Zeit steht, ein Faktum das selbst in der Dialektischen Theologie vergessen wurde (vgl. 370 f.).
Das 7. Kapitel »Das Ende der Zeit und die Wiederkunft Christi« (375–438) beginnt S. wieder mit einer biblischen Orientierung, wobei er 2. Tim 3,1–4,8 als Schriftgrundlage auswählt (denn »alle Schrift, von Gottes Geist eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zu­rechtweisung«). Nach Betrachtungen zur synoptischen Apokalypse und zu 1Kor 15,50–58 widmet er sich Themen wie Parusieverzögerung, Chiliasmus und Utopismus und dem Antichristen. In den gegenwärtigen Tendenzen der Theologie erkennt S., dass Christus durch das Christliche ersetzt wird und »das unveränder­liche Gesetz Gottes (Mt 5,17–20) mit seiner anklagenden und zu­rechtweisenden Funktion verschwiegen oder entstellt [wird], und entsprechend verkommt auch das Evangelium zu einem bloßen Mittel, um Wohlbefinden – ›wellness‹ – zu vermitteln« (430).
Kapitel 8 »Das Gericht Gottes am Jüngsten Tag« (439–484) und Kapitel 9 »Gott alles in allem« (485–515) beschließen diese Einweisung. Hier werden ausführlich das Endgericht sowie die Allversöhnung thematisiert. Wichtig ist dabei, »dass Gott nicht nur am Ende der Zeit richtet und rettet, sondern dass er auch in der Zeit und in unserem Leben richtet und die Übertretung seiner Gebote straft« (456). Gottes Wirken durchzieht die ganze Weltgeschichte, auch wenn dies nur aus dem Wort Gottes und nicht durch geschicht­liche Analyse erkannt werden kann. – »Das entscheidende Ereignis der Endzeit ist die Wiederkunft Christi.« (511) Allerdings helfen hier auch keine Bilder und die biblischen »Gleichnisse halten die Diffe renz zwischen Glauben und Schauen fest« (511). So resümiert S.: »Einweisung in die christliche Endzeiterwartung besteht also darin, dass wir in dieser Gemeinschaft mit Christus und unter den Christen in aller Welt und Zeit die Wiederkunft unseres Herrn er­warten und uns freudig gerade auch in allen widerwärtigen Erfahrungen darauf vorbereiten.« (516)
Durch die vielen und ausführlichen Zitate ist diese Veröffent­lichung eine Fundgrube für die seelsorgerliche Praxis und in seinen Ausführungen trotz der oft sehr kompromisslosen Haltung ein bedenkenswertes Buch zur kirchlichen und theologischen Lage. Obwohl S. zuzustimmen ist, wenn er schreibt: »Das Wort Gottes ist der Maßstab für die Unterscheidung von wahrer und falscher Lehre sowie von wahrem und falschem Glauben, von wahrer und falscher Kirche« (20), muss auch der Apostel Paulus darin ernstgenommen werden, dass wir in dieser Welt nur eine stückweise Erkenntnis haben (vgl. 1Kor 13,12).