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Ausgabe:

September/2012

Spalte:

956–957

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Halfwassen, Jens, Gabriel, Markus, u. Stephan Zimmermann[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Philosophie und Religion.

Verlag:

Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2011. 329 S. 21,0 x 13,5 cm = Heidelberger Forschungen, 37. Geb. EUR 34,00. ISBN 978-3-8253-5863-1.

Rezensent:

Saskia Wendel

Der Band, der Beiträge zu unterschiedlichen Themengebieten der Religionsphilosophie und philosophischen Theologie versammelt, geht auf eine Tagung im Rahmen der Heidelberger Gadamer-Professur für Geisteswissenschaften im Mai 2008 zurück. Im Fokus stehen Themen antiker Philosophie, der Kantischen Religionsphilosophie, des Deutschen Idealismus mit Schwerpunkt Fichte und Schelling, der Religionssoziologie Luhmanns und der Alteritätsphilosophie von Emmanuel Levinas.
Axel Hutter eröffnet den Band mit einem allgemeinen Beitrag zur Verhältnisbestimmung von Philosophie und Religion und konzentriert sich dabei auf die epistemische Verwandtschaft von Philosophie und Religion, wobei hier Überlegungen zur Philosophie der Religion Hegels breiteren Raum einnehmen. Einen wichtigen Beitrag zur Diskussion des Problemkreises Monismus/Mo­-no­theismus liefert Jan Assmann: Am Beispiel der philosophischen Hymnen der altägyptischen Theologie erläutert er deren theolo­gische Bezüge, und dies vor allem hinsichtlich des Schöpfungsverständnisses, der pantheistischen Motive im Blick auf das Motiv der Weltseele und der Idee der All-Einheit sowie auf die Deutung der Welt als Körper Gottes. Assmann verdeutlicht Parallelen sowohl zur Stoa als auch zum Christentum (Gott als Schöpfer, Erhalter und Vollender der Welt, Analogien zum trinitarischen Gottesbild) wie auch zum Pantheismus Spinozistischer Provenienz.
Theologische Bezüge der Orestie des Aischylos werden von José Pedro Serra vorgestellt und Carlos João Correia setzt sich mit der Bedeutung von Konzeptionen personaler Identität in östlichen Denktraditionen auseinander, insbesondere in den Upanishaden und im Buddhismus, und geht dabei neue Wege. Denn er stellt heraus, dass gerade auch im Buddhismus dem Selbst und der Selbsterfahrung eine zentrale Bedeutung zukommt, entgegen der seiner Ansicht nach zu schnellen Einschätzung, dass das Selbst im Bud­dhismus als Illusion angesehen werde. Im Gegenteil, so Correira, ließen sich Parallelen zu einer transzendentalen Funktion des Selbst etwa bei Kant ziehen: Das Selbst ist kein Objekt der Erfahrung, jedoch Möglichkeitsbedingung aller Erfahrung. Zudem be­ginne für Buddha jede Form von Erkenntnis mit der Selbsterkenntnis, und dies entspreche der cartesischen Einsicht, die die Philosophie des Westens maßgeblich bestimmt hat. Diese Deutung des Buddhismus könnte für diejenigen hilfreich sein, die das Prinzip Subjektivität in seiner universalen Gültigkeit reflektieren und dabei immer wieder mit Einwänden konfrontiert werden, dass sie in unzulässiger Weise eine westliche Denktradition universalisieren und dabei etwa den Buddhismus außen vor lassen. Werner Beierwaltes’ Deutung der neuplatonischen Metaphysik Plotins als »Theologik« schließt die Auseinandersetzung mit der antiken Philosophie ab.
Mit den Überlegungen von Markus Enders zur Theodizee bei Leibniz und Kant beginnt die Diskussion der Transzendentalphilosophie und des Deutschen Idealismus. Enders macht deutlich, inwiefern Kant trotz seiner Kritik an der »doktrinalen Theodizee« Leibnizschen Typs an einer »authentischen Theodizee« als »einzig möglicher Theodizee« festhält, die Kant als Aufgabe der praktischen Vernunft skizziert: Gott ist allmächtig, weise, gütig und ge­recht zugleich, denn anders könnte er nicht als Garant des höchs­ten Gutes und des Endzwecks der Schöpfung (der Einheit von Tugend und Glückseligkeit) fungieren. Die Postulatenlehre impliziert somit eine Theodizee praktischer Vernunft. Der Religionsphilosophie Fichtes sind zwei Beiträge gewidmet: Jürgen Stolzenberg stellt die Rezeption der frühen Religionsphilosophie Fichtes durch Novalis vor und Günter Zöller untersucht die Rolle von Glaube und Verstand in Fichtes später Staatsphilosophie, und dies unter besonderer Berücksichtigung des Fichteschen Offenbarungsbegriffs (Of­fenbarung als Erscheinung, Bild des Absoluten) in den späten Wissenschaftslehren. Den Schwerpunkt dieses Teils der Beiträge bildet jedoch Schelling: Gleich drei Aufsätze thematisieren seine philosophische Theologie. Während Katia Hay den Symbolbegriff Schellings in dessen Denken um das Jahr 1804 reflektiert und dabei auf Differenzen wie Analogien zwischen Philosophie, Religion und Kunst im Blick auf den Begriff des Symbols bei Schelling aufmerksam macht, analysiert Markus Gabriel Schellings Freiheitsschrift hinsichtlich der Motive Sünde/Tod bzw. Leben/Tod. Jens Halfwassen schließlich befasst sich mit Schellings Philosophie der Mythologie mit Schwerpunkt auf Schellings Deutung der ägyptischen Religion. Halfwassen interpretiert hier Schellings späte Religionsphilosophie als Theorie des geschichtlich zu sich selbst kommenden Selbstbewusstseins; die Mythologie habe hierzu Schelling zufolge systematische Funktion.
Es folgen verschiedene Beiträge zu Einzelaspekten bzw. Einzelthemen: Paulo Borges erläutert religionsphilosophische Bezüge im Werk des portugiesischen Schriftstellers Teixera des Pascoaes, Cristina Beckert widmet sich Emmanuel Levinas und dessen Philosophie der Alterität in ihrer religionsphilosophischen Bedeutung und Stephan Zimmermann erläutert Luhmanns funktionales Verständnis von Religion. Den Band schließt ein Grundsatzartikel von Friedrich Hermanni zum Thema »Gottesgedanke und menschliche Freiheit«, in der er sich mit zeitgenössischen Freiheitstheorien auseinandersetzt und diese theologisch einzuordnen sucht.
Der Sammelband bietet zwar insgesamt keine bahnbrechend neuen Einsichten in die religionsphilosophischen Konzeptionen der diskutierten Autoren, ist aber dennoch lesenswert für diejenigen, die sich mit bestimmten Debatten der Religionsphilosophie und philosophischen Theologie beschäftigen (Monismus/Monotheis­mus, Freiheitsproblematik, Theodizeeproblem) und/oder die sich insbesondere mit dem Deutschen Idealismus und dessen religionsphilosophischer Aktualität auseinandersetzen.