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Ausgabe:

September/2012

Spalte:

946–947

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Strohm, Christoph

Titel/Untertitel:

Die Kirchen im Dritten Reich.

Verlag:

München: Beck 2011. 128 S. m. 2 Ktn. 18,0 x 11,8 cm = Wissen in der Beck’schen Reihe, 2720. Kart. EUR 8,95. ISBN 978-3-406-61224-4.

Rezensent:

A. B.

Wahrscheinlich stellen die zwölf Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland die am intensivsten erforschte Phase der neuzeitlichen Kirchengeschichte, ja – abgesehen von der Entstehungszeit der neutestamentlichen Schriften – vielleicht sogar der gesamten Geschichte des Christentums dar. Heute dürfte ein Zeitraum von zwölf Jahren schwerlich genügen, um auch nur alle Quellen und Forschungsbeiträge zu studieren, die inzwischen für jene kurze, aber nachhaltig einschneidende Periode verfügbar sind.
Angesichts dieser Informationsüberflutung wird der Bedarf an einführender, bündiger, basaler Orientierung zu einem dringlichen Desiderat. Ihm hat der in Heidelberg lehrende Kirchenhis­toriker Christoph Strohm nun in mustergültiger Weise zu entsprechen vermocht. Seine kompakte Gesamtschau auf »Die Kirchen im Dritten Reich« vermittelt den aktuellen Kenntnis- und Forschungs­stand in profunder, ausgewogener, jederzeit belastbarer Präzision. Zu Recht setzt er mit dem durch das Ende des wilhelminischen Kaiserreichs markierten, fundamentalen Umbruch, der zumal »für die Kirchen einen tiefen Einschnitt« (10) bedeutete, und dessen weitreichenden kirchen- und religionspolitischen Folgen ein. In prägnanter Sprachgestalt wird sodann die verwirrende Ausgangslage des Jahres 1933 (»Hoffnung und Ernüchterung«) und die im Folgejahr sich vollziehende Formierung der Fronten (»Gleichschaltung und Widerstand«) geschildert. Im weiteren chronologischen Fortgang bilden die letzten Friedensjahre (»Ausgrenzung und Repression«) und die durch »Krieg und Verfolgung« gekennzeichnete Schreckenszeit jeweils organisch strukturierte Kapitel. Abschließend werden zwei übergreifende Problemkreise, nämlich »Judenverfolgung und Shoa« sowie »Kirche und Widerstand« in konzentrischer Fokussierung erörtert. Der »Epilog« weitet den Blick auf die Frage, in welcher Weise sich die Kirchen nach 1945 der bleibenden Schuldfrage gestellt haben. Zwei kartographische Ab-bildungen, eine sorgsam erstellte Quellen- und Literaturauswahl und ein Personenregister leisten zusätzliche wertvolle Hilfe.
Das Büchlein sei allen, die sich dem noch immer höchst virulenten Thema annähern oder die bereits in zu großer, verwirrender Nähe stehen und darum strukturelle Übersicht finden wollen, aufs Wärmste empfohlen. Zu seinen besonderen Vorzügen zählt nicht zuletzt, dass der Vf. diejenige Spezialfrage, die er in gewichtigen eigenen Forschungen untersucht hat – nämlich den im Dritten Reich von kirchlicher Seite und namentlich von Dietrich Bonhoeffer ge­-leisteten politischen Widerstand –, nicht etwa in den beherrschenden Mittelpunkt rückt, sondern zu den zahlreichen anderen Aspekten des Gesamtthemas in ein wohlproportioniertes Verhältnis setzt.