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Ausgabe:

Juli/August/2012

Spalte:

878–879

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Conner, Benjamin T.

Titel/Untertitel:

Practicing Witness. A Missional Vision of Christian Practices.

Verlag:

Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2011. V, 129 S. 22,8 x 15,2 cm. Kart. US$ 16,00. ISBN 978-0-8028-6611-0.

Rezensent:

Heinrich Balz

In einem konzentrierten schlanken Erstlingsbuch, das mit seiner Dissertation im Zusammenhang steht (105 f.), erhebt Benjamin T. Connor den programmatischen Anspruch, Praktische Theolo-gie und Missionslehre in einer neuen, emergenten »missionalen Theologie« zusammenzuführen. Er tut dies in Gestalt eines Forschungsberichts und einer deutend weiterführenden Chronik neuer Entwicklungen in der presbyterianisch reformierten Kirche und in der Praktischen Thelogie in den USA in den letzten 20 Jahren. Aus missionswissenschaftlicher Leserperspektive wird man urteilen, dass bei C. die Praktische Theologie am längeren Hebelarm sitzt, sie bekommt von der Missionsseite her eine neue Fundierung, aber die befragte Missionstheologie wird begradigt, nicht ihrer eigenen freien Bewegung überlassen.
Den Eingang bildet C.s Krisenerfahrung in seiner Arbeit mit physisch und mental behinderten Jugendlichen: Wichtiger als der hauptberufliche Spezialist ist das Leben der Gruppe, die Partizipation aller. Zu einer entsprechenden Umorientierung Praktischer Theologie wendet er sich in Kapitel 2 an die missionale Kirche und missionale Theologie. Das Adjektiv »missional«, neuerdings auch in den deutschen Gebrauch eingegangen, will wesenhafter als »missionary« sein, 25 f. Von G. R. Hunsberger und D. L. Guder ausgehend blickt C. zurück auf die Missionslehre von G. Warneck über Tambaram 1938 und Willingen 1952 bis zu D. J. Bosch 1991: Sie war auf der richtigen Spur, aber noch zu zaghaft in der Identifizierung des missionarischen Wesens von Kirche überhaupt. Hier führt K. Barths Lehre von der Erwählung und der Berufung des Menschen den entscheidenden Schritt weiter. Kapitel 3 befragt entsprechend, in einer Zeit des Rückgangs der großen Kirchen in den USA, verschiedene Ansätze der Praktischen Theologie, besonders den, welcher sich in breiter Front mit den »Christian practices« beschäftigt; practice ist hier wohl deutsch als Äußerung und darstellendes Handeln zu verstehen. Solches Handeln muss heute, anders als zu Calvins noch umfassend christlicher Zeit, als Zeugnis nach außen, das heißt missional begründet werden. Kapitel 4 führt dies an der Ekklesiologie von C. R. Dykstra aus: Nicht Wort und Sakrament, nicht die klassischen vier notae, sondern die Orientierung ad extra macht heute die Dynamik und das Wesen von Kirche aus. Alles christliche Handeln und Verhalten einschließlich der Erziehung ist in der Missio Dei begründete Mission der Kirche. Kapitel 5 führt die Linien zusammen. Zeugnis und Gottesdienst, Außen und Innen sind wesenhaft verbunden in der Missio Dei; Kirche ist in allen unterschiedlichen Kontexten und Kulturen mit L. Newbigin »Zeichen, Instrument und Vorgeschmack« des Reiches Gottes, an dem alle partizipieren, nicht nur die Spezialisten, sondern alle Glaubenden, auch die in ihrem Tun und Verhalten Behinderten.
C.s schwungvoll geschriebenes programmatisches Buch gibt manche Gedanken auf, widersprechende nicht weniger als zustimmende. Sein Ausgangspunkt ist das weitergehende Heils- und Erlösungshandeln Gottes durch die Kirche in der Welt; von den Ämtern Christi interessiert, wie in der niederländischen Apostolatstheologie vergangener Jahrzehnte, vorwiegend das prophe­tische. Aus der Trias »Zeichen, Instrument, Vorgeschmack« dominiert das mittlere Stück, das letztere geht fast unter. In der gottesdienstlichen Feier, für die C. mit Calvin durchaus Sinn hat, fehlt das schon vollendete, vollbrachte Heil im Tod Jesu Christi, die Bedeutung des Altarsakraments, fast gänzlich. Was C. will – die Berufung der ganzen Gemeinde zu Zeugnis in Tat und Wort –, ist richtig, aber die Begründung im »missionarischen Wesen« Gottes ist es nicht. Gott sendet, aber wird selber von niemandem gesandt. Auch die Analogie des Gesandtseins der Gläubigen, worauf die Missio Dei sich beruft, hat ihre Grenze, wie im Neuen Testament, so auch in der Trinitätslehre bis hin zu Karl Barth: Wichtiger noch und notwendiger als alle Sendung der Glaubenden bleibt der Glaube an die Sendung des Sohnes und des Geistes.