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Ausgabe:

Juli/August/2012

Spalte:

799–800

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Patrich, Joseph

Titel/Untertitel:

Studies in the Archaeology and History ofCaesarea Maritima. Caput Judaeae, Metropolis Palaestinae.

Verlag:

Leiden/Boston: Brill 2011. XI, 340 S. m. Abb. u. Tab. u. 172 Abb. im Anhang. 24,0 x 16,0 cm = Ancient Judaism and Early Christianity, 77. Geb. EUR 161,00. ISBN 978-90-04-17511-2.

Rezensent:

Catherine Hezser

In diesem Band sind 12 Aufsätze Joseph Patrichs zu Cäsarea Maritima vereinigt, wobei zehn auch anderswo veröffentlicht sind (1996–2011). Wegen der großen historischen Bedeutung Cäsareas ist die Sammlung dieser Beiträge in einem Band begrüßenswert. Der Band komplettiert die bereits existierende archäologische und historische Literatur zu Cäsarea Maritima, insbesondere die Ausgrabungsberichte Ehud Netzers, Joseph Patrichs, Kenneth G. Ho­lums und Robert Lindley Vanns sowie den Konferenzband Caesarea Maritima. A Retrospective After Two Millennia (ed. Avner Raban und Kenneth G. Holum, Leiden: Brill 1996), der interdisziplinäre Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten des Lebens in dieser kosmopolitischen Provinzhauptstadt bietet.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes behandeln die Zeit von der Gründung der Stadt unter Herodes dem Großen bis zur byzanti­nischen Zeit des 5. und 6. Jh.s. Archäologische Zeugnisse werden in ihrem jeweiligen historischen und religionsgeschichtlichen Kontext untersucht. Die Kapitel bieten einen guten Überblick über den gegenwärtigen Stand der archäologischen Forschung und der Stadtgeschichte Cäsareas. Besonders nützlich ist der Appendix mit 172 Abbildungen (Pläne, Fotografien, Zeichnungen), welche auch Nicht-Archäologen einen Einblick in die neuen Ausgrabungsfunde ermöglichen.
Eine Reihe von Kapiteln des Buches sind Cäsarea in herodianischer Zeit gewidmet. P. zufolge war die vorherodianische, Stratons-Turm genannte Siedlung erst in ptolemäischer Zeit gegründet worden. Besonders interessant ist der auf dem sog. Louvre Cäsarea Cup abgebildete Gründungsmythos, der auf eine hellenistische Gründung schließen lässt. Es bestehen eine Reihe von Diskrepanzen zwischen Josephus’ Bericht zur Architektur und Infrastruktur der Stadt unter Herodes und den archäologischen Funden. Auch einige rabbinische Texte (M. Ohal. 18:10 und T. Ahil. 18:13) erwähnen Cäsarea. Es ist allerdings zweifelhaft, ob und inwieweit die rabbinischen Texte wirklich als verlässliche historische Quellen dienen können. So gab es M. Ohal. 18:9 zufolge östlich von Cäsarea einen (jüdischen) Friedhof. Archäologische Zeugnisse dafür exis­tieren allerdings nicht. P. nimmt an, dass sich jüdische Grabstät-ten östlich der Stadtmauer befunden haben mögen (ibid. 47: »It is reas­on­able to assume that the words of the Mishnah ›East of Qisrin‹ refer to the city wall«). Er verbindet den Mischnatext mit T. Ahil. 18:13, wo »östlich von Cäsarea« mit »gegenüber des Tetrapylons« erklärt wird. Allerdings wird ein Friedhof in diesem Toseftatext nicht erwähnt. Insofern basiert P.s Schlussfolgerung, »that Cae­-sarea’s tetrapylon was adjacent to the cemetery« (52), »the tetrapylon replaced the eastern gate«, auf einer Harmonisierung mit dem Mischnatext. Die Existenz und Lokalisierung des erwähnten Friedhofs bleiben aber aufgrund der Quellenlage ungewiss. P. nimmt an, dass die Stadt Cäsarea selbst bereits in herodianischer Zeit als »rein« bzw. als Teil des Landes Israel angesehen wurde, auch wenn das Ge-biet außerhalb der Stadtgrenzen als »unrein« und »nicht-jüdisch« galt.
In der herodianischen Epoche wurden wichtige Bauwerke, wie z. B. der Hafen (Sebastos), errichtet, und Cäsarea erlebte eine erste wirtschaftliche und politische Blütezeit. Die Problematik der Harmonisierung zwischen archäologischen und literarischen Zeugnissen wird wiederum deutlich, wenn das ausgegrabene Hippodrom mit dem von Josephus erwähnten Amphitheater, das sich angeblich südlich des Hafens befand (Ant. 15:9, 6, 341), identifiziert wird (177), handelt es sich dabei doch um sowohl architektonisch als auch funktional verschiedene Bauwerke. P. vermutet, dass das Stadion in einem späteren Stadium (vor Josephus) verkleinert und in ein Amphitheater umgewandelt worden ist. In seiner Beschreibung der in Cäsarea abgehaltenen Spiele verbindet Josephus jedoch Pferderennen (die im Hippodrom stattfinden) mit musikalischen und athletischen Wettkämpfen, die weniger Raum benötigen, ohne die jeweiligen Lokalitäten dieser Veranstaltungen zu nennen (Ant. 16.5, 1, 137–41). Josephus scheint die Spektakel, die Herodes zu Ehren Cäsars veranstaltet hat, zusammenfassend hervorheben zu wollen. Die Beschreibung ähnelt derjenigen der Spiele in Jerusalem 20 Jahre früher (Ant. 15.8, 1, 268–74, siehe ibid. 180–81), ist also stilisiert. Inwieweit man von diesen Beschreibungen auf architekto­nische Gegebenheiten und Umbauten schließen kann, ist also zweifelhaft.
P. glaubt, dass die Stadt bereits im Jahre 71 von Vespasian zur römischen Kolonie erklärt wurde, nicht erst im Jahre 72, wie Ringel, Cotton und Eck vermuten. Cäsarea wurde auch die Hauptstadt der Provinz Judäa und Sitz des legatus Augusti und des procurator provinciae, die in sog. praetoria residierten. Eines dieser Gebäude war P. zufolge der umgewandelte Herodespalast, in dem auch Paulus zwei Jahre lang (58–60?) gefangen gehalten wurde (Apg 23,35). Der procurator provinciae residierte dagegen in einem in den Jahren 77–78 neu errichteten Gebäude, in welches später der byzantinische Statthalter einzog. Archäologen haben diesen Komplex in der ers­ten insula südlich der Tempelplattform in der Nähe des Hafens identifiziert.
Obwohl die literarischen Quellen keine zu Ehren des Paulus errichtete Kapelle erwähnen, vermutet P. aufgrund der Ausgrabungsfunde (eucharistischer Brotstempel, Fresken mit Kreuzen, Inschriften), dass ein solches Gebäude in früh-byzantinischer Zeit existiert haben könnte. Auch erlauben die in den letzten 30 Jahren durchgeführten Ausgrabungen, die von Eusebius überlieferten Akten der Märtyrer von Cäsarea in ihrem urbanen Kontext besser zu verstehen. Einige der in den Akten erwähnten Gebäude, Tore, Straßen, Mauern und Porticos lassen sich auch archäologisch identifizieren. Die spätrömisch-byzantinische Stadt umfasste auch Be­reiche außerhalb der herodianischen Stadtmauern und wird sehr viel mehr Einwohner gehabt haben. Auch das im Jahre 385 ge­baute Aquädukt lässt auf ein Bevölkerungswachstum vor dem Ende des 4. Jh.s schließen. Schätzungen variieren zwischen 35.000 und 100.000 Einwohnern.
Alle spätantiken Inschriften sind auf Griechisch oder in semi­-tischen Sprachen (z. B. hebräische Inschriften in der Synagoge des jüdischen Viertels) verfasst und lassen auf Griechisch als offizielle Sprache der spätrömisch-byzantinischen Administration im Os­ten schließen. Die jüdischen, samaritanischen und christlichen Bewohner der Stadt werden alle auch Griechisch verstanden und gesprochen haben. Obwohl jüdische Einwohner in byzantinischen literarischen Quellen nicht erwähnt werden, werden Juden einen bedeutenden Bestandteil der lokalen Bevölkerung gebildet haben, auch wenn ihr Anteil und ihre Bedeutung nach dem 3. und 4. Jh., besonders nach dem Gallus-Aufstand (351–2), gesunken sein wird.
Da es sich bei diesem Band größtenteils um die Wiederveröffentlichung von Zeitschriftenartikeln handelt, kommt es gelegentlich zu Wiederholungen. Auch wäre eine chronologische Anordnung der Beiträge wünschenswert gewesen. Der Band ist vor allem für Historiker des antiken Judentums, Kirchenhistoriker und Althistoriker von Interesse, die sich einen Überblick über die neuere archäologische Erforschung Cäsareas verschaffen möchten.