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Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

729–730

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bünker, Arnd, u. Christoph Gellner[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Kirche als Mission. Anstiftungen zu christlich entschiedener Zeitgenossenschaft.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich (Edition NZN) 2011. 185 S. 22,5 x 15,0 cm = Beiträge zur Pastoralsoziologie, 14. Kart. EUR 25,80. ISBN 978-3-290-20071-8.

Rezensent:

Johannes Zimmermann

Die Beiträge in diesem Band gehen auf eine Tagung an der Universität Luzern im Februar 2010 zurück. Im Blick ist vor allem die Situation der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz. Der deutsche evangelische Leser ist daher gespannt, wie die Diskussion zum Thema »missionarisch Kirche sein« im Nachbarland und in der Schwesterkirche geführt wird.
Die ersten beiden und der letzte Beitrag sind programmatischer Natur, verfasst von den Herausgebern Arnd Bünker, Christoph Gellner und dem emeritierten Mainzer Pastoraltheologen Stefan Knobloch. Mission wird dabei als »christlich entschiedene Zeitgenos­-senschaft« verstanden, angestrebt wird eine »dialogisch-missiona­rische Pastoral«. Die theologische Grundlage besteht auf der einen Seite im »Vertrauen auf die universale Präsenz Gottes in der Welt«, auf der anderen Seite in der »Orientierung am Reich Gottes […], wie es am Handeln Jesu zum Ausdruck kam« (28, Knobloch). – »Eine Kirche in ›christlich entschiedener Zeitgenossenschaft‹ betreibt daher alles andere als eine irgendwie propagandistische Ausbreitungstätigkeit. Sie folgt der Gegenwart Gottes in der Welt und lädt ein, mit ihr zusammen auf die Suche zu gehen« (182) – so fasst Bünker sein Missionsverständnis im abschließenden Satz des Bandes zusammen.
In zehn weiteren Beiträgen finden sich Praxisbeispiele und Praxisanregungen unterschiedlicher Autoren.
C. Kaeser-Casutt stellt am Beispiel von St. Gallen das Konzept einer »lebensraumorientierten Seelsorge« vor, bei der es um Themen wie Regionalisierung und Zusammenarbeit von Gemeinden geht (42 ff.). B. Bühlmann fragt nach der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Kirche. Sein Anliegen ist eine »kommunikative Diakonie« in der Absicht, »Aufmerksamkeit für jene Menschen und Themen zu schaffen, die aus dem medialen Öffentlichkeitssystem herausfallen« (60). Ein starkes Gewicht liegt mit drei Artikeln auf Bildungsthemen. Dazu zählt auch die Frage nach einer unaufdringlichen Präsenz des Christlichen in der Bildungsarbeit (149 f., C. Mennen). Mehrfach geht es darum, wie Impulse aus der weltweiten Christenheit hierzulande aufgegriffen werden können, seien es die Minoritäts-Erfahrung, Zeugnis-Erfahrung und Geistkraft-Erfahrung in Asien (69 ff., J. Meili) oder die »Pastorale d’engendrement« (»Leben zeugende Pastoral«) aus dem Nachbarland Frankreich (167 ff.; F.-X. Amherdt/A. Bünker). Herausfordernd ist das Plädoyer für ein »Ökumenisches Lernen mit pfingstkirchlichen Migrationsgemeinden« (134 ff., A. Bünker): Wie kann aus einer »Anerkennungsverweigerung zwischen den Christentümern auf vielen Ebenen« (141) eine kooperative Partnerschaft werden?
Bei diesen Artikeln kommt immer wieder die Frage auf, ob das Etikett »Mission« wirklich passt. Trotz der immer wieder geforderten »Option für die Armen« wird der Diakonie (bzw. Caritas) kein eigener Beitrag gewidmet. Erstaunlich beim Thema »Kirche und Mission« ist zudem vor allem das Fehlen eines Beitrags zur (Orts-) Gemeinde.
Nach der Lektüre des Bandes bleibt ein zwiespältiger Eindruck: Der Band versammelt eine Reihe interessanter Anregungen für die Praxis und eine Programmatik, die in sympathischer Weise Zeitgenossenschaft anstrebt und »dialogisch in den vielfältigen Gegenwartskulturen präsent bleiben« (Umschlag) will. In der ökumenischen Missionsdebatte hingegen fühlt sich der Leser um Jahrzehnte zurückversetzt. Die neuere Diskussion im ÖRK, insbesondere die Unterscheidung und Zuordnung von »Mission« in ihren unterschiedlichen Dimensionen auf der einen und »Evangelisation« (»absichtsvolle Bezeugung des Evangeliums«) auf der anderen Seite kommt allenfalls am Rande vor bzw. ist gerade eine Fußnote wert (113, Anm. 8). Daran ändert auch der mehrfach verwendete (rö­-misch-katholische) Begriff der »Evangelisierung« nichts, der mit dem hier dominanten Missionsverständnis gleichgesetzt wird. Das begrenzt den Ertrag für die weitere Diskussion im Wesentlichen auf die Praxisimpulse.