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Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

723–725

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Davidson, Ivor J., and Murray A. Rae [Eds.]

Titel/Untertitel:

God of Salvation. Soteriology in Theological Perspective.

Verlag:

Farnham/Burlington: Ashgate 2011. IX, 198 S. 23,0 x 15,4 cm. Kart. £ 19,99. ISBN 978-1-4094-2167-2.

Rezensent:

Matthias Gockel

Der Band versammelt zehn Aufsätze systematischer Theologen aus England, Schottland, Australien, Neuseeland und den USA. Leitend ist das Interesse am systematischen Bezug des Heils (salvation) auf die Gotteslehre. Christliche Soteriologie sollte sich weniger an einzelnen Themen wie Vergebung, Rechtfertigung, Befreiung oder Freundschaft mit Gott und mehr am trinitarischen Gottesbegriff orientieren. Auf diese Weise komme der Beziehungsreichtum theo­logischer Loci, von der Schöpfungslehre bis zur Eschatologie, zum Leuchten.
In Zuspitzung von Überlegungen Chr. Schwöbels bezeichnet John Webster die Trinitätslehre als »Identitätsbeschreibung« des Heilssubjekts und Bollwerk gegen den »soteriologischen Nominalismus« (21). Er versteht die immanente Trinität als Offenlegung der vorgängigen Bedingungen des Heilsgeschehens im Leben Gottes in se. Diese »theologische Metaphysik« (22) zielt nicht auf eine geschichtslose Überwelt, sondern erläutert den Grund und die Notwendigkeit des Heils. Daraus folge, dass die Beziehungen der trinitarischen Personen nicht auf Ursprungsverhältnisse zu reduzieren, sondern teleologisch aufzufassen sind: Zeugung und Sendung des Sohnes sind ebenso untrennbar wie Hauchung und Ausgießung des Geistes. Ferner sei das Verhältnis zwischen Vater und Sohn konsequent auf die Geschichte Jesu zu beziehen.
Stephen Holmes würdigt die in neuerer Zeit häufig kritisierten Ideen der Einfachheit und Aseität Gottes, weil sie das Missverständnis einer Veränderung oder Besänftigung Gottes durch menschliche Sühneleistungen (z. B. Jesu Leiden und Tod am Kreuz) abwehrten: »salvation is not a way of changing God, but a way of re-ordering the creation« (45).
Andrew Burgess skizziert das Verhältnis von Gericht und Gnade. Er betont die Einheit des göttlichen Handelns, dessen Wirkung auf Menschen im Endgericht jedoch gegensätzlich sein könne (Leben oder Tod).
Kathryn Tanner erörtert die Erschaffung des Menschen in soteriologischer Perspektive. Im Anschluss an Theologen des patristischen Ostens versteht sie den Begriff der incomprehensibility Gottes nicht noetisch (Unbegreiflichkeit), sondern ontisch (Unerfassbarkeit) und als verbindendes Element zwischen Mensch und Gott: Gott ist unerfassbar dank seiner unendlichen Fülle, der Mensch ist unerfassbar wegen der Fähigkeit zur variablen Selbstgestaltung, ohne eine vorgängige ›naturgemäße‹ Bestimmung. An die Stelle des Sündenfalls tritt der Gedanke der Unreife (immaturity), die mit Gottes Hilfe überwunden werde – in der Einheit mit Christus, dem einzigartigen Bild des unsichtbaren Gottes (vgl. Hebr 1,3; Kol 1,15), durch den die Glaubenden Anteil erhalten an der Unbegreiflichkeit Gottes und eine neue Identität gewinnen.
Nicola Hoggard Creegan problematisiert die gewöhnliche Auffassung der Soteriologie als Erörterung eines Geschehens, das nur Menschen, also einen kleinen Teil der Schöpfung, betrifft. Sie plädiert für eine evolutionstheoretisch dynamisierte biblische Theologie, die den Gedanken, dass Gott »der Schöpfer, Erhalter und Liebhaber allen Lebens« (77) ist, ernst nimmt und auch im Hinblick auf das Heil nicht-menschlicher Geschöpfe zur Geltung bringt.
Murray Rae widmet sich den Anfragen jüdischer Theologen an das Be­kenntnis zu Jesus als dem Messias. Er betont, dass Gottes Heilshandeln in der Kreuzigung und Auferweckung Jesu die Offenbarung des wahren Ziels aller Dinge (der Sieg über den Tod und die Versöhnung der Welt mit Gott) impli­-ziere, so dass die Geschichte nicht länger unbestimmt und zweideutig bleibt, sondern als Ausdruck der Treue Gottes zu seiner Schöpfung erkannt werden kann.
Oliver Crisp postuliert, dass Jesu Christi genugtuendes Handeln (atonement) als Tilgung menschlicher Schuld einen »intrinsisch objektiven mora­-lischen Wert« (105) besitze. Der Gedanke des Strafleidens Christi wird irrigerweise Anselm von Canterbury zugeschrieben. Eine deklarative Gerechtigkeit des Menschen gegenüber Gott, als Alternative zur Vergeltungsgerechtigkeit, wird abgelehnt, denn sie verletze die Regel der Proportionalität (die Strafe muss dem Verbrechen entsprechen). Zudem sei die Versöhnung eine notwendige Konsequenz der Schöpfung: Gott muss sowohl gerecht als auch (zumindest gegenüber einigen Menschen) barmherzig handeln, um seine Identität als Schöpfer und Feind der Sünde zu bewähren. Thetisch formuliert: the »God of salvation is a God of a certain character, who acts in accordance with this character, and cannot act any other way« (120).
Christiaan Mostert thematisiert den individuellen und kollektiven Rahmen des göttlichen Heilshandelns (Erwählung, Rechtfertigung und Ekklesiologie). Mit K. Barth versteht er Prädestination als definitive Selbstbestimmung Gottes zugunsten des Menschen und bejaht die Möglichkeit eines eschatolo­gischen Universalismus. Es gebe dafür zwar keine Garantie, »but the logic of the gospel also precludes a fixed closure« (136).
Geoff Thompson erörtert K. Barths und K. Rahners Überlegungen zum Wirken des Wortes Gottes bzw. des göttlichen Gnadenhandelns extra muros ecclesiae. Während Barths Idee der weltlichen ›Gleichnisse des Himmelreichs‹ in den Kontext der Selbstverkündigung Jesu Christi eingebettet wird, beruht Rahners Idee des ›anonymen Christentums‹ auf einer transzendentalen Anthropologie, die als Reaktion auf den modernen Atheismus zu lesen ist. In beiden Entwürfen bleibt die Frage der Universalität des Heils stets auf die Bestimmung der Identität Gottes bezogen. Allerdings gebe es bei Barth eine größere Offenheit und Sensibilität für das Weltgeschehen.
Der letzte Aufsatz des Bandes, von Ivor Davidson, ist ein eschatologisches Lob der »herrlichen Aussicht« (157) auf die ewige Gemeinschaft mit dem drei­-einen Gott, die den »Miterben des Sohnes« (170) verheißen ist und die mit neutestamentlichen Worten wie Adoption, Wiedergeburt und Kindschaft annäherungsweise umschrieben werden kann.
Die Aufsätze sind sinnvoll angeordnet. Zuweilen wäre eine vertiefende problemgeschichtliche Perspektive hilfreich gewesen, z. B. bei der Rede vom Wirken Gottes »in« (der) oder »durch« (die) Ge­schichte. Insgesamt überwiegt das Modell einer theologischen Ontologie, mit der biblische Vorstellungen gedeutet und kreativ systematisiert werden. Wer in diese Richtung weiterdenken möchte, darf von dem Band vielfältige Anregungen zu einem zentralen Themenbereich christlicher Theologie erwarten.