Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

713–715

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Mettepenningen, Jürgen

Titel/Untertitel:

Nouvelle Théologie – New Theol­ogy. Inheritor of Modernism, Precursor of Vatican II.

Verlag:

London/ New York: T & T Clark International (Continuum) 2010. XV, 218 S. 23,1 x 15,5 cm. Kart. £ 19,99. ISBN 978-0-567-03410-6.

Rezensent:

Klaus Fitschen

Als eine Brücke zwischen Modernismuskrise und II. Vatikanischem Konzil charakterisiert Jürgen Mettepenningen die Nouvelle Théologie (XIII). Namen wie Henri de Lubac und Jean Daniélou, Yves Congar und René Draguet gehören dazu, und es geht um die Zeit der 1930er, 40er und 50er Jahre. Neu war an dieser Theologie, dass sie in ihrem Rückgriff auf die antiken Quellen des Christentums eigentlich alt ist, jedenfalls älter als die lehramtlich eingeprägte Neuscholastik. Ihre Qualifizierung als neu war demnach also ur­ sprüng­lich eine lehramtliche Disqualifizierung (4.35), die erst durch das II. Vatikanische Konzil korrigiert wurde (6). Dass es sich nicht um eine klar abgrenzbare Schule handelt, dass es Protagonisten gab, die später nicht mit diesem Begriff in Verbindung ge­bracht werden wollten oder gar die Existenz dieser Strömung verneinten, wird vom Vf. als methodisches Problem diskutiert (7–9), was allerdings mehr über nachkonziliare Selbstverleugnungen verrät als über die Möglichkeit, es hier mit einem bloßen Phantom zu tun zu haben.
Um das Phänomen »Nouvelle Théologie« zu erfassen, arbeitet der Vf. vier Charakteristika heraus: 1. die Entstehung im französischen Sprachraum (der aus römischer Sicht schon das Ursprungsgebiet des Modernismus war), 2. ein historisch-kritischer Ansatz, 3. eine »positive Theologie«, die die Bibel und die Kirchenväter (darunter auch den historischen Thomas) gegen eine spekulative (neuscholastische) Theologie bevorzugte, 4. eine generelle Kritik an der Neuscholastik (9–11).
Das zentrale Thema des Buches ist die Entstehungsgeschichte der Nouvelle Théologie, die von Dominikanern und dann auch von Jesuiten getragen war und sich von Frankreich aus nach Belgien, in die Niederlande und darüber hinaus ausbreitete. Auf der Suche nach den historischen Hintergründen greift der Vf. in das 19. Jh. aus und lässt die Entwicklung von da aus auf die Modernismus­krise zulaufen, die als Konflikt zwischen einem katholischen Intellektualismus und lehramtlicher Einschärfung der Neuscholastik gesehen wird (20 f.). Allerdings war der Modernismus etwas, was die Nouvelle Théologie gerade nicht war, nämlich ein Konstrukt römischer Häresiologie. Abgesehen davon macht der Bezug auf den Modernismus deutlich, worum es dem Vf. geht: die »Modernisten« mit ihrem historisch fundierten Antidogmatismus und ihrer Kritik an der Neuscholastik als Impulsgeber der Nouvelle Théologie vorzustellen. Zur unmittelbaren Vorgeschichte der Nouvelle Théologie rechnet der Vf. eine innere Pluralisierung der Neuscholastik (zu der auch ein neues Thomas-Verständnis im Kontext mittelalterlicher Theologie gehört) und eine lehramtliche Öffnung für eine neue Ekklesiologie sowie ein moderneres Bibelverständnis – die Enzykliken »Mystici corporis Christi« und »Divino afflante Spiritu« sind wesentliche Anhaltspunkte dafür (27 f.).
Als Startpunkt der Nouvelle Théologie wird ein Aufsatz von Yves Congar mit scharfer Kritik an der Neuscholastik aus dem Jahr 1935 angesehen (31 f.), und tatsächlich lassen sich nun weitere kritische Äußerungen dieser Art – ausgerechnet von Dominikanern – ausmachen, die alsbald zur Denunzierung der »neuen« Theologie führten. Als 1942 Jesuiten wie Jean Daniélou den Stab übernahmen, kam ein erhöhtes Interesse an der patristischen Literatur hinzu. Das alles ließ sich durch die lehramtliche Verurteilung (vor allem durch »Humani generis« im Jahre 1950) nicht mehr eindämmen, sondern breitete sich eher noch über Frankreich und Belgien hinaus aus, so dass schließlich auch das II. Vatikanische Konzil durch Vertreter der Nouvelle Théologie beeinflusst wurde (36).
Nach diesen Erwägungen in einem I. Teil des Buches (»Concept, Content, Context, Contours«) kommt der Vf. in einem II., den Schwerpunkt bildenden Teil zur Sache (»Phases/Faces of the Nouvelle Théologie prior to Vatican II«). Der Zugang erfolgt biographisch in den drei vom Vf. konzipierten Phasen der Entwicklung. So werden in einem ersten Kapitel die Beiträge von Dominikanern (Yves Congar, Marie-Dominique Chenu, Henri-Marie Féret, Louis Charlier, René Draguet), in einem zweiten die von Jesuiten (Henri Bouillard, Jean Daniélou, Henri de Lubac) und in einem dritten die von Vertretern einer dritten Phase (Edward Schillebeeckx und Piet Schoonenberg) vorgestellt.
Die Untersuchung der Thematik ist auf die Auseinandersetzung mit der Neuscholastik fokussiert. Die kritische Funktion der patristischen Forschung wird aber zugleich angesprochen. So wird René Draguets Bedeutung als Patristiker kurz gewürdigt (70), vor allem aber Jean Daniélous Engagement auf diesem Feld (88.91), und auch die Gründung des »Corpus Christianorum« wird dem Strom der Nouvelle Théologie zugeordnet (113). So beschließt der Vf. seine »Closing Considerations« im III. Teil des Buches mit dem Befund: »all the new theologians mentioned in the present volume were interested in Augustine« (145).