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Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

705–707

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Detmers, Achim, u. Ulla Jablonowski [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

500 Jahre Georg III. Fürst und Christ in Anhalt. Beiträge des Wissenschaftlichen Kolloquiums anlässlich des 500. Geburtstages von Fürst Georg III. von Anhalt. Hrsg. unter Mitwirkung d. Stadtarchivs Dessau-Roßlau, d. Anhaltischen Landesbücherei Dessau u. d. Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau.

Verlag:

Köthen: Verein für Anhaltische Landeskunde e. V. 2008. 205 S. m. Abb. gr.8° = Mitteilungen des Vereins Anhaltische Landeskunde, Sonderbd. 17. Kart. EUR 10,00. ISSN 1430-3647.

Rezensent:

Ernst Koch

Dieser äußerlich schmal und bescheiden dargebotene Band sollte in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit seinem Gegenstand künftig nicht unterschätzt und übersehen werden. Er enthält die Beiträge eines wissenschaftlichen Kolloquiums am 21. September 2007 in Dessau. Eine Einführung des anhaltischen Kirchenpräsidenten Helge Klassohn und das Grußwort des Dessauer Oberbürgermeisters Klemens Koschig eröffnen den Band. Die Festrede des Präsidenten der Evangelischen Kirche in Deutschland Hermann Barth zieht in Anknüpfung an das Werk Georgs III. Linien bis zu aktuellen Themen im gegenwärtigen deutschen Protestantismus.
Volker Leppin geht der Frühzeit Georgs und seinem Weg zur Reformation nach, wie sie die frühesten Biographien und die Selbstdarstellung als bis heute wichtige Quellen für diese Lebensphase überliefert haben. Problematisch war der Umgang mit einem »Spätbekehrten«, dessen Wende zur Reformation einleuchtend zu erklären war. Bei aller Notwendigkeit zu kritischen Rückfragen an die Darstellungen bleibt es dabei, »dass die Wege zur Reformation und in der Reformation zu vielfältig sind, um sie in einfachen Schemata zu typisieren« (31). Für Georg bedeutet das, dass der 1525 erfolgte Bruch der Wittenberger Reformatoren mit Erasmus an ihm spurlos vorübergegangen ist und er selbst seinen Weg »nicht als Bruch, sondern als Erfüllung« spätmittelalterlicher Reformtheologie verstanden hat (33).
Ulla Jablonowski widmet Georg als dem Landesherren eine nahe an den Quellen geführte Untersuchung und stellt die enormen Aufgaben dar, die in den spannungsvollen Jahrzehnten zwischen 1530 und 1550 auf den Regenten zukamen. Ihm ging es um die unbedingte Wahrung des Friedens im Sinne der Fürsorge für die Untertanen. Allerdings wurde ihm dieses Vorhaben er­schwert, weil er sich als Koadjutor in geistlichen Dingen zeitweise außer Landes (in Merseburg) aufhalten musste und später Angriffen seitens der radi­-kalen Kritiker der sächsisch-albertinischen Politik im Gefolge des Interims ausgesetzt war. Die grundsätzlich positive Stellung des Fürsten zu dieser Politik mit allen erschwerenden Folgen schildert Heiko Jadatz in einer eindringlichen Untersuchung, während Heinz Scheible Melanchthons intensives Verhältnis zu Georg analysiert. Dieses Verhältnis lässt sich bereits am dichten Briefwechsel zwischen diesen beiden Männern ablesen. Dabei kommen viele Themen, darunter auch Georgs Mitarbeit an der Neuordnung des Gottesdienstes ausführlich zur Sprache.
Eberhard Busch beschäftigt sich mit Georgs Abendmahlsverständnis und weist auf die breite theologische Einbettung in die Wittenberger Theologie hin, die dieses Thema bei Georg gefunden hat. Busch stellt die Frage, wie das (als von ihm alternativ gedachte) Verhältnis zwischen dem Sakrament als Gabe einerseits und als Erinnerung andererseits bzw. zwischen Predigt und Sakrament bei Georg zu deuten ist. Seine Anfrage dürfte aus dem Gesamtkontext der Wittenberger Theologie eindeutig zu beantworten sein.
Martine Kreißler und Michael Rohleder steuern knappe, aber instruktive Beiträge über die sog. ›Fürst-Georgs-Bibliothek‹ in Dessau bei, schildern deren von schmerzlichen Verlusten begleitete Geschichte und gehen früheren An­sätzen zu ihrer Erschließung nach. Bis heute befindet sich ein erheblicher Teil ihres alten Bestandes in der Russischen Staatsbibliothek in Moskau. – Burg und Schloss Warmsdorf als zeitweiliger Residenz Georgs ist ein baugeschichtlich orientierter Beitrag von Harald Kleinschmidt gewidmet.
Der Theologie des Fürsten und seiner Amts- und Ordinationstheologie gilt eine Untersuchung des Benediktiners Augustinus Sander. Er versteht seine Ergebnisse auch im Blick auf die Geltung für gegenwärtige Entwürfe und Erörterungen der Lehre vom geistlichen Amt. Dabei arbeitet er einen Akzent heraus, den er im Hinblick auf das Profil Georgs als »konfessorisch-katholisch« beschreibt, d. h. als Bestreben Georgs, einen totalen Bruch mit der kirchlichen Überlieferung zu vermeiden und an der Kontinuität zwischen der Wittenberger Reformation und den Grundentscheidungen der frühen Kirche festzuhalten. So kommen auch die Bischofsweihe Georgs selbst und seine spätere Ordinationspraxis zur Sprache.
Am Schluss des Bandes findet sich ein Beitrag, in dem Peter Findeisen zeitgenössischen Porträts von Georg und ihrer Geschichte und dabei auch verschollenen Darstellungen nachgeht.
Allein die beeindruckende Weite der Fragestellungen, dann aber auch die kenntnisreiche und detaillierte Würdigung des großen Fürsten von Anhalt lassen den Band zu einem wichtigen Beitrag zur Reformationsgeschichte des 16. Jh.s werden. Er enthält weit mehr als eine Zusammenfassung bisher greifbarer Forschungen, weil er auf solide Weise neue Zugänge und vertiefende Studien zu der für die Geschichte Mitteldeutschlands im 16. Jh. bedeutenden Gestalt des Fürsten von Anhalt bietet. Den Veranstaltern und den Teilnehmern des Kolloquiums, welches der Band dokumentiert, ge­bührt großer Dank.