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Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

667–669

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Jungbluth, Rüdiger

Titel/Untertitel:

Im Himmel und auf Erden: Dimensionen von Königsherrschaft im Alten Testament.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2011. 335 S. m. Abb. 24,0 x 16,0 cm = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 196. Kart. EUR 39,90. ISBN 978-3-17-021925-0.

Rezensent:

Beat Weber

Bei der vorzustellenden Monographie handelt es sich um eine un­ter Rainer Kessler erstellte und vom Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Marburg 2010 angenommene Dissertation, die für die Publikation überarbeitet wurde. Das Vorhaben von Rüdiger Jungbluth, Pfarrer in Kassel, zeugt von Wagemut: Die Herrschaft des irdischen Königs oder aber diejenige JHWHs je für sich aufzuarbeiten, ist bereits ein ansehnliches Unterfangen, umso mehr gilt dies von der Verbindung beider. Vergleich und Verhältnisbestimmung machen nun aber gerade den Reiz der Studie aus. Die Thematik wird methodisch mittels Begriffs- und Motivuntersuchungen erarbeitet. J. strukturiert dabei sein Vorgehen anhand von vier Hauptteilen (A–D). Der Ertrag der Kapitel, Hauptteile und der Monographie insgesamt wird jeweils mit Zusammenfassungen sichergestellt. Beigegeben sind ein Literatur- und ein Bibelstellenverzeichnis.
Zunächst wendet sich die Studie dem irdischen Königtum in Israel und Juda zu (A). Dieses wird unter fünf Themenfeldern er­fasst. Den Anfang machen Einsetzung, Beginn und Legitimation der Königsherrschaft und die damit verbundenen Phänomene (Wahl, Geistempfang, Salbung, Krönung und Thronbesteigung). Das nächste Kapitel ist den Insignien (Zepter, Stab, Krone, Thron, Reittier) gewidmet. Es folgen Hinweise zur rituellen Kommunikation (Sprachstil, Gestik). Dazu gehören im Wortbereich Anrede, Huldigungs-, Schwur- und Botenformeln sowie im Verhaltensbereich Proskynese, Segnung und Kuss. Im langen Schlusskapitel unternimmt J. eine nicht unproblematische, jedenfalls diskussionswürdige Verhältnisbestimmung zwischen »weltlichen« und »sakralen Dimensionen von Königsherrschaft«. Dem ersten Bereich wird das Wirken als »Hirte« (Führung und Fürsorge) zugeordnet. Er ist zudem Garant für die Fruchtbarkeit sowie die Gerechtigkeit im Land und wirkt als Kriegs- und Bauherr. Mit der Sakralität der Königsherrschaft dagegen werden Lade und Tempel (Bau und Kultbetrieb mit dem König als »Liturg«) verbunden. J. spricht diesbezüglich vom Schaffen von »Räumen für die Begegnung mit JHWH«.
In einem kürzer gehaltenen Zwischenteil (B) geht es um die Bestimmung von Verhältnis und Beziehung zwischen irdischem und göttlichem König im Alten Israel. Zu den behandelten Themen gehören: der König als Erwählter, Gottessohn, Gesalbter und Knecht JHWHs. Allen diesbezüglichen Aussagen ist gemeinsam, dass sie »ein äußerst enges Verhältnis von König und JHWH« (156) umschreiben. Hinzuzufügen wäre, dass in Israel mit der Prophetie dem Königtum zugleich eine korrektive und kritische Instanz beigesellt ist.
Im dritten, theologischen Hauptteil (C) ist das göttliche bzw. himmlische Königtum im Blick, genauer: »Die Vorstellung JHWHs als König im Verhältnis zum irdischen Königtum in Israel und Juda«. J. beginnt mit Fragen rund um »Einsetzung« und »Beginn« von JHWHs Königsherrschaft. Dazu wird die Formulierung jhwh mlk analysiert, das Verb als stativisch, die Aussage als zeitloser Zustand gefasst und mit »JHWH ist König« übersetzt. Die Entstehung dieses Theologumenons wird erarbeitet anhand der Psalmen 93 und 47, denen (als einzigen Texten in der Studie) eine etwas eingehendere Erörterung zuteil wird. Übersetzt J. die Wendung in Ps 93,1 mit »JHWH ist König!«, so liest er in Ps 47,9 »König wurde JHWH (Elohim) …«. Wie beide Momente, Zustandsschilderung einerseits (Ps 93) und Herrschaftsantritt (Ps 47) andererseits, miteinander zu vermitteln sind, ist dem Rezensenten nicht klar geworden, ebensowenig die Haltung J.s zu einem »Thronbesteigungsfest«: Da wird gesagt, dass aufgrund der Zeitlosigkeit von Gottes Kö­nigsherrschaft sich die Frage nach einem Anfang gar nicht stelle und damit ein Thronbesteigungsfest obsolet sei, andererseits »spricht viel für den Gedanken einer ›Thronbesteigung‹ Gottes im Sinne einer metaphorischen Verhältnisbestimmung oder kul­-tischen Vergegenwärtigung eines zeitlosen Herrschers« (175). Es folgen Ausführungen zu Insignien von Macht und Herrschaft JHWHs als König. Hierbei ergeben sich die deutlichsten Parallelen zu den entsprechenden Ausführungen zum irdischen Königtum im Hauptteil A. Anschließend geht es um die »rituelle Kommu­nikation gegenüber JHWH als König« (Formeln der Anrede und Huldigung, Proskynese, wechselseitiges »Segnen«, Gabendarbringung, himmlischer Hofstaat). Als »bildliche Motive« werden dann JHWHs Hirtesein, JHWH als Garant der Fruchtbarkeit (Mensch, Land), als Richter, Krieger und Bauherr behandelt. Ein Exkurs zur alttestamentlichen Königskritik wird angefügt und die Monographie mit einer Zusammenfassung (D) beschlossen.
Für den Rezensenten ergibt sich eine zwiespältige Beurteilung. Der Verdienst J.s liegt darin, dass er viel Stoff zusammenträgt, eine weite Thematik erschließt und man über wesentliche Begriffe und Motive irdisch-menschlichen und himmlisch-göttlichen Kö­nigtums im alten Israel einen Überblick bekommt. In dem Sinn mag man das von J. formulierte Ziel einer »Oberflächenskizze des Königtums quer durch das gesamte AT« als erreicht qualifizieren. Die Grenzen dieser Studie manifestieren sich gerade an der Vergleichs­anlage, insbesondere hinsichtlich des theologischen Teils (C). Mag man den irdischen König mit einem begrifflichen und motivlichen Raster noch hinreichend fassen können, so ist diese Zugangsweise im gewählten Analogieverfahren für JHWH als Gottkönig ungenügend. Gott ist in umfassenderem Sinn, über die explizite Begrifflichkeit und Motivik hinaus König bzw. herrscht als König; zudem können die Aspekte und Handlungsweisen Gottes nicht trennscharf differenziert werden. Von daher greifen Motivuntersuchungen bereits methodisch zu kurz, und es müssten größere Text- und Traditionszusammenhänge in den Blick ge­nommen werden. J. behandelt z. B. parallel zum irdischen König auch JHWH als Garant der Fruchtbarkeit und konstatiert dabei, dass er keine Textbelege findet, wo diese Vorstellung direkt mit dem Motiv von Gottes Königsherrschaft verbunden ist. Damit ist die Thematik zu eng geführt und es bleiben relevante Texte (wie Ps 67, in gewisser Weise auch 104; 144) unerwähnt. Eine sorgfältige Erfassung und Zuordnung der beiden Königsherrschaften erfordert andere methodische Zugänge und breitere Texterkundungen (z. B. das Zueinander der Königs- und Gottkönigspsalmen innerhalb der Redaktion und Gestalt des Psalters). Über Differenzen im Einzelnen hinaus ist schließlich festzuhalten, dass eine wissenschaftlich vertiefte Erörterung (Doktoraldissertation!) eines derart breiten Themenbogens auf etwas mehr als 300 Seiten nicht zu leisten ist. Dass die Ausführungen zum König als Gesalbtem (Messias) gerade einmal eine gute Seite einnehmen, macht dies exemplarisch deutlich.
Fazit: Das Buch nimmt man als Einführung zu Begrifflichkeit und Motivik zum Königtum gern zur Hand, es ist aber keine hinreichende Darbietung der Königsherrschaft (Gottes) im Alten Testament.