Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

664–665

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Cook, Paul M.

Titel/Untertitel:

A Sign and a Wonder. The Redactional Formation of Isaiah 18–20.

Verlag:

Leiden/Boston: Brill 2011. XV, 212 S. 24,0 x 15,9 cm = Supplements to Vetus Testamentum, 147. Lw. EUR 94,00. ISBN 978-90-04-20591-8.

Rezensent:

Jan Kreuch

Das Buch stellt die überarbeitete Fassung der von Hugh Williamson betreuten und 2009 von der Oxforder Fakultät für Orientalistik angenommenen Dissertation Paul M. Cooks dar. Es handelt sich um eine redaktionsgeschichtliche Studie zur Fremdvölkerspruchsammlung Jes 13–23, insbesondere zu Jes 18–20. Diese Kapitel gehören zu den in der Forschung weniger intensiv diskutierten Bereichen des Jes-Buches; eine monographische Auseinandersetzung mit ihnen ist daher sehr zu begrüßen.
In Kapitel 1 (1–23) bietet der Vf. eine Einführung und einen Überblick über die jüngere deutsch-, englisch- und französischsprachige Forschung zur Redaktionsgeschichte von Jes 13–23. Er stellt hier dar, dass vor allem zwei Modelle zur Entstehung von Jes 13–23 vorherrschen, die beide von einer ursprünglich selbständigen Sammlung von Sprüchen, die in ihrem Titel das Wort maśśā (»Ausspruch«) enthalten, ausgehen. Der Unterschied zwischen den Mo­dellen be­steht in der Frage, ob zuerst diese Maśśā-Sprüche oder das in Jes 13–23 enthaltene Nichtmaśśā-Material in das Jesajabuch inkorporiert wurden. Es gelingt dem Vf. jedoch, die Heterogenität der Maś­śā-Sprüche aufzuweisen und so ein Fragezeichen hinter die These einer ursprünglich selbständigen Maśśā-Sammlung zu setzen.
Der Vf. schlägt daher in Kapitel 2 (25–47) vor, sich von dieser These zu verabschieden, und bietet in diesem sehr kurzen Kapitel einen eigenen Entwurf zur Redaktionsgeschichte von Jes 13–23. Am Anfang hätte demnach der jesajanische Text Jes 14,28–32 gestanden, der einzige Text in Jes 13–23, dem schon ursprünglich ein Maśśā-Titel zu eigen gewesen wäre. Auf einer relativ frühen Stufe der Genese des Jes-Buches wären diesem Text Jes 15 f.; 17 und 19 beigefügt worden, die dabei in Anlehnung an Jes 14,28–32 ihre Maśśā-Überschriften erhalten hätten. Zusammen wären diese vier Texte dann in das Jes-Buch integriert worden. In einem vermutlich mehrstufigen Prozess wären anschließend die übrigen Maśśā-Texte integriert worden, wobei auch sie ihre Maśśā-Überschriften erhalten hätten. Das Nichtmaśśā-Material in Jes 13–23 wäre zu un­terschiedlichen Zeiten eingebracht worden, ohne dass der Vf. dies näher ausführt.
Problematisch an diesem Entwurf erscheint – neben dem Um­stand, dass keine ausführliche Auseinandersetzung mit den Texten stattfindet –, dass das einzige Argument zur chronologischen Schichtung der Maśśā-Texte in der Beobachtung besteht, dass einige von ihnen in ihrem ersten Vers das angesprochene Volk be­nennen, andere dies hingegen erst später tun. Erstere Sprüche sollen im ersten, letztere in den folgenden Redaktionsgängen dem Jes-Buch inkorporiert worden sein. Es erscheint jedoch fraglich, ob dieses Argument allein zur chronologischen Schichtung des komplexen Materials in Jes 13–23 hinreichend ist.
In den Kapiteln 3–5 (49–145) untersucht der Vf. nacheinander die Redaktionsgeschichte von Jes 18–20. Hier liegt der Schwerpunkt der Arbeit und hier findet auch eine eingehende Auseinandersetzung mit den Texten statt. Dem Vf. gelingt es dabei auf überzeugende Weise, die Texte historisch zu kontextualisieren und zu begründeten literarkritischen Scheidungen zu kommen. Misslich ist allerdings, dass er keine eigene Übersetzung der zu besprechenden Texte voranstellt.
Die erarbeiteten Ergebnisse werden in Kapitel 6 (147–158) zu einem Gesamtbild der Redaktionsgeschichte von Jes 18–20 zu­sam­mengefügt: Zunächst wäre das jesajanische Kusch-Orakel (Jes 18,1–2.4–6) aus seinem ursprünglichen Kontext der hoj-Rufe in Jes 28–31 entnommen und dem ebenfalls authentischen Ägypten-Orakel (Jes 19,1–4), das für den Vf., wie erwähnt, den Kern von Jes 18–20 darstellt, vorgelagert worden. Zugleich wäre der dtr Text Jes 20,1–4 angeschlossen und um V. 5 sowie das Ägypten-Orakel um Jes 19,11–14 erweitert worden. Auf diese Weise entstand dem Vf. zufolge ein abgerundeter Textbereich: ein Orakel gegen Kusch (Jes 18), eines gegen Ägypten (Jes 19) und eine Zeichenhandlung, die sich gegen beide Völker richtet (Jes 20). Diese Redaktion soll zur Zeit Zedekiahs (598/7–587/6 v. Chr.) stattgefunden und intendiert haben, unter Rückgriff auf die Autorität Jesajas gegen die Ägyptenpolitik dieses Königs zu opponieren.
Eine zweite Redaktion von Jes 18–20 sei in den Jahren 573–568 v. Chr. unter dem Einfluss von Ez 26–32 vollzogen worden und habe Jes 19,5–10.15 und 20,6 eingetragen. Ihre Intention sei es gewesen, das Ausbleiben eines Gerichtes an Ägypten zu thematisieren und zu betonen, dass JHWH an einem Angriff auf Ägypten festhalte. Das übrige Material (Jes 18,3.7; 19,16–25) gehe auf mehrere exilisch-nachexilische Hände zurück.
Man wird in einigen Fällen auch zu anderen literar- und redaktionskritischen Schlüssen als der Vf. kommen können. Die Arbeit bietet aber in einer Forschungssituation, die weit von einem Konsens hinsichtlich der Redaktionsgeschichte des Jes-Buches und der Datierung seiner Texte entfernt ist, einen redaktionsgeschichtlichen Entwurf zu Jes 18–20, der dem Propheten einen umfänglichen Textbestand belässt, ohne eine maximalisierende Position zu vertreten, und der insbesondere durch seine plausiblen Annahmen zu den Intentionen der Redaktoren überzeugen kann.
Eine Zusammenfassung und Register schließen das Buch ab.