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Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

662–664

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Torallas Tovar, Sofía

Titel/Untertitel:

Biblica Coptica Montserratensia (P. Monts. Roca II).

Verlag:

Montserrat: Publicacions de l’Abbadia de Montserrat; Consejo Superior de Investigaciones Científicas 2007. 130 S. u. XXXII Taf. m. Abb. gr.8° = Orientalia Montserratensia, 2. Kart. EUR 24,00. ISBN 978-84-8415-974-2 (Publicacions de l’Abbadia de Montserrat); 978-84-00-08561-2 (Consejo Superior de Investigaciones Científicas).

Rezensent:

Tonio Sebastian Richter

Wohl allen, die mit der Textgeschichte des Neuen Testaments vertraut sind, ist das Matthäus-Fragment P67 als einer der frühesten Textzeugen des Neuen Testaments und des schlechthin ältesten Zeugen des ersten Evangeliums ein Begriff. Nur wenigen dagegen mag bekannt sein, wo sich dieses kaum handtellergroße Monument neutestamentlicher Textgenese und Manuskripttraditon befindet:
Ein mit papyrologischer Gelehrsamkeit und nicht minder mit Spürsinn bei der Akquise ägyptischer Papyri gewappneter katalanischer Ordensgeistlicher, Ramón Roca-Puig (*1906, † 2001; zu Ramón Roca-Puig vgl. Pius-Ramon Tragan, Memòria Del Doctor Ramon Roca-Puig, in: Serre d’Or 503 [2001], 9–12; Ferran Blasi, Ramón Roca-Puig [1906–2001] in memoriam, in: Anuario de Historia de la Iglesia año 2002/vol. XI, Universidad de Navarra Pamplona, 460–461), erwarb es in den 50er Jahren des vorigen Jh.s für die von ihm ins Leben gerufene Fundación San Lucas Evangelista, die spätere Papyrussammlung des Klosters Montserrat, des Alterswohnsitzes von Roca-Puig (zu dieser Sammlung vgl. Pere Villalba, Les colleccions papiròlogiques de Catalunya, in: Sebastià Janeras [Hrsg.], Miscellània papirològica: Ramon Roca-Puig en el seu vuitantè aniversari, Barcelona 1987, 31–36; Damià Roure, La Biblioteca de Montserrat. Un espai de cultura al llarg dels segles, II. Papirs: 67–69). Von Hause aus Gräzist (er ist Verfasser einer katalanischen Grammatik des Griechischen: Ramón Roca-Puig, Gramática y antología griega, Barcelona 1946, und Übersetzer des griechischen Neuen Testaments ins Katalanische), aber auch im Koptischen versiert, lei stete Roca-Puig selbst die editio princeps etlicher der von ihm akquirierten griechischen und auch einiger koptischer P. Barcelona bzw. Montserrat. Dass er diese Editionen Stück um Stück im Selbstverlag publizierte und sich dabei ausschließlich des Katalanischen bediente, war ihrer Verbreitung wie auch der Bekanntheit dieser Papyrussammlung jenseits eines engen Zirkels einschlägig versierter Papyrologen abträglich.
Seine Bibliographie bis 1987 stellte Roca-Puig selbst in der Festschrift zu seinem 80. Geburtstag zusammen: Ramon Roca-Puig, Bibliografia de Ramon Roca-Puig, in: Sebastià Janeras [Hrsg.], Miscellània papirològica: Ramon Roca-Puig en el seu vuitantè aniversari, Barcelona 1987, 25–30; darunter befinden sich die Edition eines der frühesten christlichen liturgischen Textzeugen: R. Roca-Puig, Anàfora de Barcelona, 3. ed. Barcelona 1999 (vgl. dazu unlängst Michael Zheltov, The Anaphora and the Thanksgiving Prayer from the Bar-celona Papyrus: An Underestimated Testimony to the Anaphoral History in the Fourth Century, VigChr 62 [2008], 467–504), und die Erstedition von P .Barc. 1 = P67: R. Roca-Puig, Un papiro griego del evangelio de San Mateo, Barcelona 1956; eine zweite Auflage mit einer Note von C. H. Roberts, dem Editor des aus demselben Kodex stammenden Matthäus-Fragments Magdalen Col­-lege Ox­ford (P.Magd. Gr. 18 = P64, vgl. Colin H. Roberts, An Early Papyrus of The First Gospel, HThR 46 [1953], 233–237), erschien 1962.
Die anzuzeigende Edition der koptischen biblischen Texte der Pa­pyrussammlung des Klosters Montserrat, die durch das Siglum P.Monts. Roca auf den katalanischen Gelehrten und Sammlungsgründer Bezug nimmt, ist in dieser Hinsicht weltläufiger, bedient sie sich doch des Englischen. Editorin ist die bekannte spanische Gräzistin und Koptologin Sofía Torallas Tovar, die zusammen mit Klaas Worp bereits den ersten Band der P.Monts. Roca herausgegeben hat (Sofia Torallas Tovar/Klaas Worp, To the Origins of Greek Stenography. P. Monts. Roca I, Orientalia Montserratensia 1, Barcelona 2006). P. Monts. Roca II ist ein handliches Buch, in dem die koptischen biblischen Texte konzise beschrieben und in zumeist erster Edition publiziert sind. Insgesamt werden 31 Nummern publiziert, wobei die Anzahl edierter Manuskripte geringer ist, da die laufenden Nummern gelegentlich Bruchstücke derselben Handschrift bezeichnen (dem Rezensenten ist nicht klar geworden, warum die Zählung mit Nummer 2 beginnt). So stehen etwa die Nummern P. Monts. Roca II, 3–8 für die Teile eines als Artefakt bemerkenswerten Pergamentstreifens, der durch das Zusammennähen von Kodexblättern mit Text aus 2Samuel entstand, als der biblische Text zugunsten einer magischen Spruchfolge überschrieben wurde. Ebenso wurden drei Pergamentseiten eines Paulinen-Kodex für eine magische Textabschrift wiederverwendet, die als P. Monts. Roca II, 25–27 ediert sind.
Alle koptischen biblischen Texte aus Montserrat gehören dem sahidischen Dialekt an. Es finden sich alttestamentliche Textbruchstücke aus Josua, 2Samuel, Threni und Hoheslied. Aus dem Neuen Testament gibt es Fragmente der Evangelien (außer dem in der papyrologischen Überlieferung notorisch schwach vertretenen Markus), der Apostelgeschichte, des 2. Korintherbriefes, der Briefe an die Epheser und die Philipper, des 1. Thessalonicher- und des 1. Timotheusbriefes, des Jakobusbriefes und der Offenbarung. Alle Manuskripte werden in kurzen Einleitungen physisch, kodiko­logisch und paläographisch beschrieben. Der koptische Text ist zeilengenau wiedergegeben und durch wenige textkritische Be­merkungen annotiert, die sich überwiegend auf den koptischen Bibeltext beziehen. Die Editorin sieht ihre Aufgabe darin, die Ma­nuskripte künftigen kritischen Editionen der koptischen Bibel zuzuarbeiten.
Diese sowohl in der Sache als auch nach den gegenwärtigen Maßstäben der Wissenschaftsförderung schwierige Forschungsaufgabe liegt momentan weitgehend brach. Zuletzt erschien: Frank Feder, Biblia Sahidica. Ieremias, Lamentationes (Threni), Epistula Ieremiae et Baruch. TU 147, Berlin/New York 2002. Einen relativ rezenten Forschungsüberblick gibt Karlheinz Schüssler, Zum Stand der koptischen Bibeltexte, in: M. Immerzeel/J. van der Vliet (Eds.), Coptic Studies on the Treshold of a New Millenium. Proceedings of the Seventh International Congress of Coptic Studies, Leiden, August 27 – 2 September 2000, Leuven 2004, Bd. 1, 221–235.
Roca-Puig sammelte und kaufte mit Kennerblick. Die alte Bibelunziale des 4. Jh.s, deren Wurzeln in Texten wie P67 greifbar ist und deren Weiterentwicklung sich in koptischen Unzialtypen bis ins 11. Jh., als die griechische Manuskripttradition längst den Übergang zur Minuskel vollzogen hat, verfolgen lässt, scheint ihn be­sonders angezogen zu haben. Unter den koptischen Bibeltexten seiner Sammlung finden sich jedenfalls etliche, zum Teil recht frühe (4.–6. Jh.) Spezimina, darunter Fragmente mehrerer Miniatur-Kodizes mit Blatthöhen von 5 cm bis 9,4 cm (P. Monts. Roca II, 10: Hohelied, P. Monts. Roca II, 28: 1Thess, P. Monts. Roca II, 31: Offenbarung). Der farbige Tafelteil am Ende des Buches, wenn auch die Auflösung der Fotografien gering ist, gibt einen Eindruck vom Spektrum älterer koptischer Buchschriften.