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Ausgabe:

Juni/2012

Spalte:

656–661

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Loader, William

Titel/Untertitel:

Sexuality in the New Testament. Understand­ing the key texts.

Verlag:

London: Society for Promoting Christian Knowledge (Westminster John Knox) 2010. VIII, 166 S. 21,4 x 13,8 cm. Kart. £ 12,99. ISBN 978-0-281-05884-6.

Rezensent:

Beate Ego

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Loader, William: The Dead Sea Scrolls on Sexuality. Attitudes towards Sexuality in Sectarian and Related Literature at Qumran. Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2009. X, 439 S. 23,1 x 15,7 cm. Kart. US$ 44,00. ISBN 978-0-8028-6391-1.
Loader, William: The Pseudepigrapha on Sexuality. Attitudes towards Sexuality in Apocalypses, Testaments, Legends, Wisdom, and Related Literature. With a contribution by I. Balla on Ben Sira/Sirach. Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2011. VIII, 571 S. 23,4 x 15,7 cm. Kart. US$ 65,00. ISBN 978-0-8028-6666-0.
Loader, William: Philo, Josephus, and The Testaments on Sexuality. Attitudes towards Sexuality in the Writings of Philo and Josephus and in the Testaments of the Twelve Patriarchs. Grand Rapids/Cambridge: Eerdmans 2011. XII, 476 S. 23,4 x 15,9 cm = Attitudes towards Sexuality in Judaism and Christian­ity in the Hellenistic Greco-Roman Era. Kart. US$ 65,00. ISBN 978-0-8028-6641-7.


Innerhalb von kurzer Zeit hat William Loader gleich vier zum Teil umfangreiche Monographien vorgelegt, die sich allesamt demThe­ma »Sexualität« widmen. Ihre Spezifikation erfahren diese Bücher dadurch, dass sie sich mit unterschiedlichen literarischen Werken und damit auch mit verschiedenen Traditionsbereichen be­schäftigen. Die vier hier vorgestellten Monographien wiederum sind Teil eines größeren Projekts, in dessen Rahmen bereits die Bände »The Septuagint, Sexuality and the New Testament: Case Studies on the Impact of the LXX in Philo and the New Testament« (Grand Rapids: Eerdmans, 2004), »Sexuality and the Jesus Tradition« (Grand Rapids: Eerdmans, 2005), »Enoch, Levi, and Jubilees on Sexuality: Attitudes Towards Sexuality in the Early Enoch Literature, the Aramaic Levi Document, and the Book of Jubilees« (Grand Rapids: Erdmans, 2007) erschienen sind.
Grundlegend für das Projekt, und damit auch für die hier zu besprechenden Publikationen, ist ein breites Verständnis des Be­griffes »Sexualität«, das auch die Frage nach Geschlechterrollen und -beziehungen in ihrem religiösen und kulturellen Kontext in den Blick nimmt.
Eine gewisse Sonderrolle spielt zunächst L.s Band zum Neuen Testament (»Sexuality in the New Testament. Understanding the key texts«), der sich schon rein äußerlich durch seinen geringen Umfang von den anderen Bänden unterscheidet. Die einzelnen Themen, denen das neutestamentliche Material hier zugeordnet wird, sind Homosexualität (7–34), die gesellschaftliche Einbindung der Ehe in der antiken Gesellschaft (35–60), Ehebruch (61–79), Scheidung (80–97) und das Zölibat (98–119). Dabei werden die einschlägigen Texte nur kurz vorgestellt und in ihrem Inhalt referiert; in einem abschließenden Kapitel (120–127) bemüht sich L. dann mit Nachdruck, die Zeitbezogenheit dieser Vorstellungen zu unterstreichen.
Während dieses Buch mit seinen gut 100 Seiten eher einführenden Charakter hat, bilden die anderen Werke aus dieser Reihe eigenständige und gewichtige Forschungsbeiträge. In dem Band »The Dead Sea Scrolls on Sexuality« widmet sich L. den Texten aus den Höhlen nahe von Khirbet Qumran. L. beschränkt sich somit auf die Sammlung jener Schriften, die in diesen elf Höhlen gefunden wurden, wobei allerdings die Texte der Henochliteratur, des Jubiläenbuches und des Aramaic Levi ausgespart blieben, da diese bereits in einem der ersten Bände des Projektes vorgestellt wurden. L. untersucht zunächst die drei umfangreichsten Überlieferungen des Textkorpus, die einen wesentlichen Beitrag zu der hier verhandelten Thematik liefern können, nämlich die Tempelrolle (Kapitel 1; 5–52), 4QMMT (Kapitel 2; 53–90) und die Damaskusschrift (Kapitel 3; 91–186). Bezüglich der Tempelrolle ist festzustellen, dass hier der Hauptakzent auf die Thematik der Reinheit gelegt wird, da das vorrangige Interesse der Tempelrolle ja darin besteht, die Heiligkeit des idealen Tempels zu bewahren. In 4QMMT wiederum steht der Aspekt der Mischehen im Vordergrund. Am umfangreichsten ist das Kapitel zur Damaskusschrift. Der erste Abschnitt (»The Ad­monition«) enthält ganz grundsätz­liche Ausführungen zur Thematik, wohingegen der zweite Teil (»The Laws and Community Re­gulations«) spezifische Anordnungen zu Ausflüssen, Ehebruch und Heiratsbestimmungen bein­haltet. Dann folgen kleinere Textüberlieferungen, die thematisch bzw. nach ihrem Genre gruppiert werden. Kapitel 4 behandelt die »legal texts« (so Gemeinschaftsregel, Gemeinderegel, Kriegsrolle, u. a.; 187–233), Kapitel 5 liturgische Texte (so u. a. Purification Rituals oder die Hodayot; 234–264), Kapitel 6 untersucht Traditionen, die im weitesten Sinne als »Schriftauslegung« charakterisiert werden können (z. B. verschiedene Pescharim, 4QFlorilegium, Genesis-Apokryphon; 265–297), und Kapitel 7 untersucht schließlich verschiedene Weisheitstexte (u. a. 4QInstruction; 4QMysteries; 298–340).
Im letzten Kapitel geht L. an eine systematische Zusammenfassung des Materials, wobei er seine Ergebnisse unter folgenden Stichworten bündelt: »Conflict and Sexuality«, »Purity Laws, Human Embodiment and Discharges«, »Sexuality and Order«, »Sexuality in Time and Space«, »A Place for Sexuality?« und »Sexu-ality, Self-Deprecation, and the Demonic« (341–390). Da die Fülle der Ergebnisse im vorliegenden Rahmen nicht detailliert dargelegt werden kann, sei nur so viel festgestellt: Besondere Bedeutung kommt L.s Ausführungen zur Frage nach der zölibatären Lebensweise zu, da hier ein zentrales Thema der Forschung berührt wird. In diesem Kontext diskutiert L. die drei klassischen Zeugen Josephus, Philo und Plinius, deren Aussagen zu den Essenern von den meisten Forschern auf die Qumrangemeinschaft bezogen wurden. Diese Belege werden allerdings als zu idealistisch und bizarr eingestuft, als dass sie wirklich eindeutig die Ehelosigkeit der Essener belegen könnten. In den Texten von Qumran selbst wird die Thematik nur implizit berührt, wobei man davon ausgehen muss, dass hier eine zeitlich begrenzte Enthaltsamkeit angesprochen wird. Da es keinerlei Spuren für das Leben von Familien gibt, ist auch anzunehmen, dass Qumran eine Siedlung war, die hauptsächlich von Männern bewohnt wurde. L. kommt zu dem Schluss, dass in der Gemeinschaft von Qumran wohl beide Lebensweisen, die der Ehe und die der Ehelosigkeit, möglich waren.
Ähnlich wie in dem Band zu den Texten vom Toten Meer geht L. auch bei seinen Untersuchungen zu den Pseudepigraphen vor. Nach einer präzisen Analyse der einzelnen Schriften erfolgt wiederum der Versuch einer Synthese des entsprechenden Materials. L. teilt die ihm vorliegenden Quellen in drei große Bereiche ein. Unter der Kategorie »Apocalypses, Testaments, and Related Writings« be­handelt er in einem ersten Teil (4–141) zunächst die Bilderreden des Äthiopischen Henoch sowie die Überlieferung des 2Henoch, Belege aus den Sibyllinischen Orakeln, den Jeremia-, Baruch- und Esra-Schriften sowie weitere Apokalypsen und Testamente wie die Abrahamapokalypse, die Testamente Moses, Hiobs, Abrahams und Salomos. Im zweiten Teil seiner Arbeit (142–341) wendet er sich dann den sog. »histories« und legendarischen Erzählungen zu wie der Geschichte von den drei Jünglingen (1Esdras 3,1–5,6), Tobit, Judith, Susanna, den Esterzusätzen, den ersten beiden Makkabäerbüchern, dem Liber Antiquitatum Biblicarum, Joseph und Aseneth, den Vi­tae Prophetarum, der Geschichte des Zosimus und dem Leben Adams und Evas. Im großen Kapitel des Werkes (342–489) stehen dann weisheitliches Schrifttum (Ben Sira, Weisheit Salomos, Pseudo-Aris­teas, 4Makkabäer, Pseudo-Phokylides), die Psalmen Salomos und fragmentarische Werke (Theodotus, Ezechiel der Tragiker, Pseudo-Eupolemus, Demetrius, Pseudo-Sophokles und Pseudo-Menander) im Zentrum seiner Betrachtungen. Der über 30 Seiten lange Beitrag zu Ben Sirach stammt von Ibolya Balla, die über die Thematik »Ben Sira on Family, Gender, and Sexuality« (DCL.St 8; Berlin 2011) promoviert hat. Die einzelnen Abschnitte werden zunächst durch eine knappe Behandlung der Einleitungsfragen eröffnet, dann folgt eine mehr oder weniger umfangreiche Aufarbeitung der Thematik, wobei L. weitere hilfreiche Gliederungspunkte benennt. Da das behandelte Material ja sehr umfangreich und auch verschiedenartig ist, erscheint eine systematische Zu­sammenfassung außerordentlich schwierig. Dennoch gelingt es L., am Ende seiner Arbeit in einer Auswertung einige grundle­gende Punkte herauszuarbeiten (490–513). So beschäftigt sich eine grö-ßere Anzahl von Schriften (u. a. die Esterzusätze, Tobit, Joseph und Aseneth, LAB oder 2. Baruch) mit der Mischehenthematik und greift damit ein Motiv auf, das bereits in den spätbiblischen Schriften Esra und Nehemia sowie im Jubiläenbuch oder in 4QMMT eine wichtige Rolle spielt. Gerade das Tobitbuch äußert sich hier sehr dezidiert, wenn nicht nur die Mischehe mit Nicht-Juden verboten wird, sondern sogar die Ehe mit Mitgliedern eines anderen Stammes, und dies durch das göttliche Gebot autorisiert wird. Verschiedene Texte entwerfen auch das Ideal einer patriarchalen Familie, das mit bestimmten Werten wie Treue oder dem Gehorsam der Frau gestärkt wird. Nachdrücklich können die Überlieferungen die Probleme beschreiben, die durch Vielehen entstehen können. Einige der Schriften richten ihr spezielles Interesse auch auf den Prozess der Empfängnis, die Schwangerschaft und die Geburt. Des Öfteren wird an die Geburtsschmerzen erinnert, zudem beschäftigen sich die Texte mit Fragen der Schwangerschaft und dem Wachstum des Embryos im Mutterleib. Andere Überlieferungen wiederum richten ihr Augenmerk auf geschlechtliche Attraktivität und sexuelle Vergnügungen bzw. auf die Gefahren, die von der Sexualität ausgehen können. In diesem breiten Rahmen ist insgesamt festzustellen, dass Sexualität durchaus positiv gewertet werden kann, allerdings muss sie in einen kontrollierten Rahmen integriert sein. Es finden sich freilich auch – so z. B. in 4Esra – negativere Töne, wenn Adams Fall, die Last eines bösen Herzens, Sterblichkeit und Sexualität unmittelbar zusam­mengehören.
Das Testament Salomos kann Sexualität insgesamt sogar als dämonisch einstufen. Ganz negativ gesehen werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt, Prostitution, gleichgeschlechtliche Be­ziehungen und Inzest. Themen wie sexuelle Reinheit, Masturbation, Scheidung, sakrale Prostitution, Askese und Zölibat sowie sexuelle Ausbeutung wiederum kommt in diesen Überlieferungen nur eine ganz geringe Bedeutung zu. Neben diesen Problemfeldern, mithilfe derer sich systematische Linien durch das umfangreiche Material ziehen lassen, verweist L. noch auf weitere wichtige Aspekte der Thematik. So kann er deutlich machen, dass der Mythos vom Fall der Wächter, wie er in der älteren Henoch-Überlieferung tradiert wird, auch in den späteren Bilderreden und in 2Henoch aufgenommen wird. Nun wird der Aspekt des Krieges betont, und die Wächter erscheinen hier als warnendes Beispiel für Könige. Mythologische Elemente haben vor allem im Testament Salomos eine große Bedeutung, wenn neben Belzebub als Ab­kömmling der Wächter auch zahlreiche Dämonen erscheinen und eines dieser Wesen die Macht hat, Mann und Frau auseinanderzubringen. Aber auch das Element der Schriftauslegung und -ausschmückung durchzieht die einzelnen Traditionen. So wird Joseph zum Ideal der Keuschheit, die Geschichte der Dina wird zum Anlass genommen, für einen Tora-Eifer zu plädieren; eine weitere Idealgestalt des Toragehorsams ist Pinhas. Als negatives Modell fungiert Salomo, da es ihm nicht gelang, seine Emotionen gegenüber dem weiblichen Geschlecht zu kontrollieren. Abschließend zeigt L. dass neben diesen Einzellinien die Überlieferungen dadurch zusam­mengehalten werden, dass ihnen die Aufgabe zukommt, eine Sexualethik zu formulieren und zu etablieren. Ein ganz wesentliches Element ist in diesem Kontext die Ermahnung zur Treue gegen­-über der Tora, die gerade in einem interkulturellen Kontext zunehmend universalisiert und als eine Art »Naturordnung« dargestellt werden kann. Andere Überlieferungen verweisen nachdrücklich auf die Konsequenzen, die sexuelle Übertretungen für die Stabilität von Familie und Haushalt haben können. Nur gelegentlich wird auch auf die personale Dimension eines korrekten ethischen Verhaltens hingewiesen, weitaus bedeutender ist allerdings der Faktor des Selbstschutzes: »It (sc. ethics) doubtless informs concerns with pederasty and male prostitution, which is also exploiting the youth, and sexual violation, including rape. Self-interest, as preservation from harm or danger, such as in the control of passions, avoidance of being shamed, preservation or inheritance, perhaps also losing one’s seed and therefore vigour, is more dominant« (512).
Eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die ethische Dimension der Sexualität spielt der nationale Aspekt, der durch die Verhinderung von Mischehen gestärkt werden soll. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das untersuchte Material die Möglichkeit bietet, einen Einblick in jene Prozesse zu gewinnen, die sich beim Kulturkontakt von Judentum und Hellenismus eröffneten. Mit seiner Thematisierung der Sexualität ist das Judentum einer fremden Welt gegenübergetreten, die Polygynie akzeptiert hat und zum Teil auch eine pessimistische Sicht über die menschliche Sexualität hatte, und es ist ihm gelungen, in dieser Welt seine Identität zu erhalten.
Der jüngste Band zur Thematik schließlich ist Philo, Josephus sowie dem Testament der Zwölf Patriarchen gewidmet. Besonders komplex erscheinen die Zusammenhänge bei dem jüdischen Philosophen Philo, da sich in seinen Ausführungen das wörtliche Verständnis der biblischen Überlieferung mit deren allegorischer Auslegung abwechselt. Da eine kursorische Aufarbeitung des umfangreichen Quellenmaterials den Rahmen der Studie sprengen würde, ordnet L. die verschiedenen Belege auf der Basis der ausgelegten Bibeltexte. Ein erster, umfangreicher Abschnitt widmet sich zunächst dem Verhältnis von Mann und Frau, wie es sich aus Philos Auslegungen von Gen 1–3 ergibt (10–140). Daran schließen sich Ausführungen zu »Sexual Allusions and Images Beyond Ge­n­esis 1–3« an, wobei ein Blick auf biblische Figuren von Kain über die Erzeltern bis hin zu Mose und Pinhas geworfen wird (141–187). Im letzten Abschnitt des Werkes wendet sich L. schließlich Philos Auslegungen zu gesetzlichen Überlieferungen der hebräischen Bibel zu, wo Themen wie Ehebruch, Inzest, Mischehen, die Wiederverheiratung Geschiedener, Geschlechtsverkehr während der Mens truation, Prostitution und Vergewaltigung verhandelt werden (188–251). Insgesamt lässt sich feststellen, dass Philo eine recht ambivalente Einstellung zum Thema Sexualität zeigt. Auf der einen Seite bejaht er die Sexualität als Teil der göttlichen Ordnung, die ihren festen Platz in der Ehe und im Kontext der menschlichen Fortpflanzung hat; auf der anderen Seite aber findet sich in seinem Werk durchaus auch eine negative Haltung, die vor den Gefahren der Sexualität warnen kann, die vor allem dann zutage treten, wenn die Suche nach dem Vergnügen zu einem Selbstzweck wird. So verwundert es nicht, wenn Philo immer wieder zur Selbstdisziplin und Kontrolle der Leidenschaften ermahnen kann. Diesem Aspekt kommt auch in den allegorischen Auslegungen großes Gewicht zu. Danach symbolisiert der Mann das rationale Element und den Verstand, wohingegen die Frau für das Irrationale und die Gefühle steht; daraus wiederum ergibt sich, dass die Frau dem Mann im Hinblick auf das rationale Element unterlegen ist.
Im Gegensatz zu Philo erscheint das Thema der Sexualität bei Josephus in seiner Nacherzählung der biblischen Überlieferung bzw. in seinem Bericht vom Jüdischen Krieg eher implizit. Nichtsdestotrotz lassen sich hier Aussagen zu Themen wie Sklaverei, Missbrauch, Inzest, Mischehen, Scheidung, Prostitution etc. finden. Wie auch sonst muss Josephus aber vor dem Hintergrund der Tatsache verstanden werden, dass sein Ziel darin besteht, einem nicht-jüdischen Publikum die Werte und die Menschlichkeit des jüdischen Volkes nahezubringen. Biblische Erzählungen kann erso als romantische Liebesbegegnungen schildern, und er macht deutlich, dass Missbrauch und Gewalt gegenüber weiblichen Ge­fangenen von den Idealen seines Volkes weit entfernt sind (259–367).
Wenn L. sich schließlich den Testamenten der Zwölf Patriarchen zuwendet, so findet sich hier ein stark paränetischer Ton, der Mischehen, Ehebruch, Inzest und Homosexualität verbietet. Eine besondere Betonung erfahren diese Ermahnungen insofern, da diese Bestimmungen in die vormosaische Zeit zurückgeführt werden können. Die einzelnen Erzählungen fungieren dabei auch als Beispielgeschichten für diese Botschaften. Ein wichtiges Anliegen des Werkes besteht überdies darin, seine Adressaten vor den Frauen zu warnen, da diese prinzipiell weniger als Männer dazu in der Lage sind, ihre Gefühle zu kontrollieren. Die Frauen werden sogar angeklagt, die Wächterengel verführt zu haben. Im Kontext der Ehe und Fortpflanzung kann Sexualität aber auch durchaus positiv bewertet werden; ja, die Beziehungen zwischen Mann und Frau können sogar als Ausdruck des Gebots der Nächstenliebe verstanden werden. Wenn auch viele Aspekte mit Philo und Josephus übereinstimmen, so ist insgesamt doch festzustellen, dass die Testamente der Zwölf Patriarchen eine negativere Sicht der Sexualität zum Ausdruck bringen und Frauen als etwas Bedrohliches verstehen können, da diese weniger als Männer in der Lage sind, ihre sexuellen Wünsche zu kontrollieren (368–435). Im Gegensatz zu den anderen Bänden kann an dieser Stelle keine umfassende Synthese am Ende der Ausführungen stehen, da die hier verhandelten Quellen zu disparat sind. Alle Bände schließen mit einer ausführlichen Bibliographie sowie einem Autoren- und Stellenregister.
L. beeindruckt in seinen Studien durch die sachliche Präsentation der einzelnen Materialien sowie durch seine umsichtigen Analysen, mithilfe derer es ihm gelingt, die wichtigsten Hauptlinien herauszuarbeiten. Positiv hervorzuheben ist die breite Herangehensweise an die Thematik der Sexualität, die diese im Kontext von Kultur, Gesellschaft und Religion sieht, und es ist faszinierend, wie komplex die Thematik der Sexualität im antiken Judentum behandelt wird. Die Einzelanalysen, die in diesen Werken entfaltet werden, sind sachlich, abgewogen und detailliert, wobei L. stets auch die quellensprachliche Basis im Blick hat und präsentiert; die Synthesen geben tiefe Einblicke in die Weite und Differenziertheit frühjüdischer Weltsicht.
Des Weiteren ist besonders hervorzuheben, dass L. neben der Literatur aus dem angelsächsischen Bereich auch Werke deutsch- und französischsprachiger Provenienz berücksichtigt. Deutlich werden auch der interkulturelle Aspekt der Thematik und die Verbindung mit der griechischen Vorstellungswelt gezeigt. Durch die Zusam­menstellung aller Bände ergeben sich weitere überraschende Einsichten, die für das Verständnis des antiken Judentums generell bedeutsam zu sein scheinen. So ist z. B. bemerkenswert, dass das Element der sexuellen Reinheit nur in Teilbereichen der Literatur des antiken Judentums wie der älteren Henochüberlieferung, dem Ju-biläenbuch oder den Qumranschriften eine Schlüsselposition einnimmt. Insgesamt ist auch festzustellen, dass sich in den Schriften mit der Zeit eine Zunahme frauenfeindlicher Elemente zeigt. L. hat hier auf jeden Fall ein bedeutsames Œuvre vorgelegt, das künftig zu den Standardwerken zu dieser Thematik zählen wird.