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Ausgabe:

Mai/2012

Spalte:

600

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Lietz, Hermann

Titel/Untertitel:

Protestantismus als idealistische Pädagogik. Kleine Schriften zur Religion und zum Religionsunterricht. Hrsg. u. kommentiert v. R. Koerrenz.

Verlag:

Jena: IKS Garamond (Edition Paideia) 2011. 151 S. 21,0 x 13,5 cm = Pädagogische Reform in Quellen, 14. Kart. EUR 15,90. ISBN 978-3-941854-62-8.

Rezensent:

Ch. G.

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Koerrenz, Ralf, u. Henning Schluß: Reformatorische Ausgangspunkte protestantischer Bildung. Orientierungen an Martin Luther. Jena: IKS Garamond (Edition Paideia) 2011. 71 S. 21,0 x 13,5 cm = Pädagogische Reform, 14. Kart. EUR 8,90. ISBN 978-3-941854-63-5.


Die beiden schmalen, verlegerisch sorgfältig gestalteten Bändchen dokumentieren in erfreulicher Weise das zunehmende Interesse an historischer Religionspädagogik. Sie entstammen dem Umfeld des interdisziplinären Graduiertenkollegs »Protestantische Bildungstraditionen in Mitteldeutschland« an der Universität Jena, deren Sprecher der Historische Pädagoge Ralf Koerrenz ist.
Der erste Band geht in zwei Aufsätzen anhand von Luther der Frage nach, »inwieweit in der Auseinandersetzung mit dem historischen Werk eine Orientierung gewonnen werden kann – eine Orientierung in der Rekonstruktion der Bildungs- und Schulgeschichte, eine Orientierung aber auch in Fragen nach dem Verhältnis von Bildung, Religion und Kultur in der Gegenwart« (5). Henning Schluß rekonstruiert Luthers bildungstheoretisch relevante Überlegungen (vornehmlich) anhand dessen Ratsherrenschrift. Dabei zeigt er zum einen, dass die Abschaffung der überkommenen Schulen im Zuge der Reformation nicht etwa ein zufälliges Nebenprodukt, sondern gezielt angestrebt war. Positiv entsprach dem eine »kontrafaktische und utopische« (12) Erziehungsvorstellung. Hier nahm Luther wichtige pädagogische Argumente vorweg, de­ren Entstehung gemeinhin erst mit der Aufklärung angesetzt wird. Ralf Koerrenz setzt in seinem Beitrag doppelt an: Zuerst nennt er im Umfeld der Reformpädagogik am Anfang des 20. Jh.s etliche – positive und negative – Bezugnahmen auf Luther. Sodann analysiert er Luthers Äußerungen zur Schule im Rahmen einer strukturellen Erziehungstheorie und macht auf diesbezügliche Einsichten des Reformators aufmerksam.
Eine Vertiefung des von Koerrenz bei der erwähnten Durchsicht der Luther-Rezeption Skizzierten stellt der Quellenband zu Hermann Lietz dar, insofern er sich vor allem auf die sittliche Persönlichkeit des Reformators als Vorbild bezog. Die von Koerrenz ein-geleitete Auswahl von Texten des Reformpädagogen (und evange­lischen Theologen) zu Religion und Religionsunterricht zeigt eine interessante Transformation religiöser in pädagogische Vorstellungen. Die Quellen sind didaktisch geschickt angeordnet. Auf ein autobiographisches Zeugnis folgen Texte zur Lehrplan-Reform des Religionsunterrichts, zur Schulpraxis und dann – auch für Liturgiker von Interesse – zehn Andachten. Den Abschluss bilden Ausschnitte aus Einleitung und Schluss einer 1919 von Lietz herausgegebenen Quellenauswahl zu »Stimmen von Führern der Menschheit« mit dem programmatischen Titel »Gott und Welt«.
Beide Bändchen eignen sich hervorragend für den akademischen Unterricht im Bereich Religionspädagogik und Historische Pädagogik.