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Ausgabe:

Mai/2012

Spalte:

586–588

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Tapp, Christian, and Edmund Runggaldier [Eds.]

Titel/Untertitel:

God, Eternity, and Time.

Verlag:

Farnham/Burlington: Ashgate 2011. IX, 196 S. 23,4 x 15,6 cm. Lw. £ 50,00. ISBN 978-1-4094-2391-1.

Rezensent:

Christian Danz

Gottes Wirken in der Welt gehört zu den zentralen Bestandteilen des christlichen Glaubens. In der Moderne haben sich indes die Explikationsbedingungen des göttlichen Wirkens geändert. Die deutschsprachige protestantische Theologie folgte im Wesentlichen dem Resultat der Kantischen Vernunftkritik, dass die Vernunft, sobald sie sich über den Bereich der Erfahrung erhebt und nur noch mit Begriffen zu tun hat, in einen notwendigen Widerspruch mit sich selbst gerät. Der Gottesgedanke, seine Bestimmungen der Ewigkeit, sein Handeln etc. wurden als symbolische Be­schreibungen und Darstellungen des religiösen Aktes reformuliert und von allem theoretisch-gegenständlichen Erkennen unterschieden. Im Gegensatz zur deutschsprachigen protestantischen Theologie des 19. und 20. Jh.s ist die angloamerikanische Theologie und Philosophie andere Wege gegangen. In den Diskursen der analytischen Philosophie, so sie nicht dem späten Wittgenstein folgte, wurden auch die traditionellen metaphysischen Themen wieder zu einem Gegenstand der Debatten. In diesen Kontext gehört das hier anzuzeigende Buch God, Eternity, and Time. Es wurde von dem in Bochum lehrenden katholischen Theologen Christian Tapp und dem katholischen Philosophen Edmund Runggaldier herausgegeben und geht auf eine im Jahre 2008 in Berlin durchgeführte Ta­gung zum selben Thema zurück.
Die zehn Beiträge des Bandes bieten einen sehr guten Überblick über den Stand der Diskussion über die Ewigkeit Gottes und sein Verhältnis zur Zeit in der gegenwärtigen, von der analytischen Philosophie beeinflussten Theologie. Das Grundthema, welches die Autoren in sehr unterschiedlichen Hinsichten bearbeiten, be­steht in der Frage, wie sich Gottes Ewigkeit verstehen lasse: als Zeitlosigkeit oder als eine Weise von Zeitlichkeit oder auf eine alternative Weise? Aus diesen Möglichkeiten des Verständnisses von Ewigkeit und ihres Verhältnisses zur Zeit resultiert der Aufbau des Bandes. Die drei Beiträge des ersten Abschnitts ( In Defence of Di­vine Timelessness, 11–62) reformulieren das traditionelle Verständnis von Ewigkeit als Zeitlosigkeit. Im Anschluss an den Ewigkeitsbegriff von Boethius – »Aeternitas est interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio« – unterscheidet Robert Pasnau in seinem Beitrag »On Existing All at Once« (11–28) zwei Aspekte im Verständnis von Zeitlosigkeit. Ein Aspekt der Zeitlosigkeit stelle »atemporality« dar, von dem »holochronicity« – a »wholly unchanging being« (12) – zu unterscheiden sei. Ewigkeit als Zeitlosigkeit kann keine zeitlichen Teile haben, so dass sie als holochronicity zu verstehen ist: »God’s existing all at once« (27). Das traditionelle Verständnis von Ewigkeit als Zeitlosigkeit versuchen auch Eleonore Stump (Eternity, Simplicity, and Presence, 29–45) und Thomas Schärtl (Why We Need God’s Eternity: Some Remarks to Support a Classic Notion, 47–62) mit logischen Argumenten zu begründen und gegen ein Verständnis von Ewigkeit als Zeitlichkeit zu verteidigen.
Der zweite Abschnitt des Bandes, welcher dem Verhältnis von Gottes Allwissenheit und menschlicher Freiheit gewidmet ist (Divine Omniscience and Human Freedom, 63–96), führt die Überlegungen des ersten Teils zur göttlichen Zeitlosigkeit weiter. In ihrem Beitrag Eternity and Fatalism (65–80) unterscheidet Linda Zagzebski drei Arten von fatalistischen Argumenten: logische, theo­logische und kausale. Christoph Jäger untersucht in seinem Beitrag »Molina on Foreknowledge and Transfer of Necessities« (81–96) das Verhältnis von Gottes Allwissenheit und menschlicher Freiheit. Während die Beiträge der ersten zwei Teile des Bandes das antik-mittelalterliche Verständnis von Ewigkeit als Zeitlosigkeit gegenüber Einwänden mit logischen Argumenten zu begründen versuchen, loten die Autoren des dritten Abschnitts einen drit-ten Weg aus (In Favour of a »Third Way«, 97–142). Christian Tapp (Etern­ity and Infinity, 99–115), Alan G. Padgett (Relative Timelessness Reconsidered, 117–125) und Reinhold Bernhardt (Timeless Action? Temporality and/or Eternity in God’s Being and Acting, 127–142) argumentieren für diesen dritten Weg zwischen Ewigkeit als Zeitlosigkeit und Zeitlichkeit freilich auf sehr unterschiedliche Weise. Tapp geht vom Verhältnis von Unendlichkeit und Ewigkeit aus und votiert im Anschluss an Thomas von Aquin für eine Auffassung von Ewigkeit als »sempiternalism« (101–103), als im­merwährend, Padgett für einen Begriff relativer Zeitlosigkeit, und Bernhardt entwickelt im Anschluss an die Trinitätslehre einen drei­fachen Begriff von Ewigkeit. Die beiden Beiträge des letzten Teils (In Defence of Divine Temporalism, or: In Debate With Science, 143–167) versuchen ein Verständnis von Gottes Zeitlichkeit zu begründen. William Lane Craig schreibt über »Divine Eternity and Einstein’s Special Theory of Relativity« (145–155) und Hans Kraml widmet sich »Eternity in Process Philosophies« (157–167).
Der Band führt eindringlich die in den gegenwärtigen Diskursen aufgebotenen Argumente sowohl für ein Verständnis von Gottes Ewigkeit als Zeitlosigkeit als auch für Zeitlichkeit vor. Insofern bietet das Buch eine prägnante Einführung in den aktuellen De­battenstand. Die Kohärenz der jeweiligen Argumentationen für oder gegen die Ewigkeit Gottes als Zeitlosigkeit bzw. Zeitlichkeit erinnern indes an Kants Hinweis, dass sich die Vernunft unweigerlich in Widersprüche verstrickt, wenn sie den Bereich der Erfahrung verlässt und allein mit Begriffen argumentiert. Oder mit den Worten von Reinhold Bernhardt formuliert: »The debate appears to me largely as a piece of what Luther called › theologia gloriae‹, a speculative philosophy or theo-ontology or metaphysics, based on an epistemological realism which deals with the very nature of God and of creatural reality as if we could grasp these objectively without the hermeneutics of tradition.« (128)